Home Archiv Links Intern Editorial Impressum
 
 
Neue Texte
 

Schwerpunkte

Sozialpolitik als Infrastruktur
Ende der Demokratie?
 

Rubriken

Deutsche Zustände
Neoliberalismus und Protest
Bildung
Krieg und Frieden
Biomacht und Gesundheit
Kulturindustrie
Theorie: Empire, Kommunismus und andere Angebote
Rezensionen
 
 

Anzeige

Deutsche Zustände Übersicht

 

  Nur Text    rtf-Datei    pdf-Datei 

(K)eine neue Partei. Zur Entwicklung der Partei Die Linke*

Michael Flörsheimer

Mit der Gründung der Landesverbände Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen Ende Oktober 2007 wurde der Aufbau West der Partei Die Linke formell abgeschlossen (in den östlichen Bundesländern ist Die Linke nahezu mit der vormaligen Linkspartei/PDS identisch). Bei ihrem Parteiaufbau in den westlichen Bundesländern trifft Die Linke auf Strukturen, die sie nur bedingt zur Kenntnis nimmt. Faktisch ist Die Linke im Westen lediglich ein Zusammenschluss von Ex-PDS Zirkeln mit WASG Gruppen, die sich teilweise erst nach dem Wahlerfolg bei der Bundestagswahl 2005 gründeten und deren ausschließliches Ziel parlamentarische Präsenz ist. Das politische Niveau ist niedrig, eine kritische Reflexion der Rolle von Parlament und Parteien spielt so gut wie keine Rolle. Die zu erwartenden Folgen haben sich bereits eingestellt: „Bremens Linke bietet ein Bild des Jammers“. (Neues Deutschland, 7.12.07)

Der Erfolg der Linkspartei/PDS bei der Bundestagswahl 2005 wäre ohne die sozialen Bewegungen gegen die neoliberale Globalisierung seit der Jahrzehntwende, insbesondere die sehr breite Bewegung gegen „Hartz IV“ nicht möglich gewesen, allerdings auch nicht ohne die letztliche Niederlage der Anti-Hartz-Bewegung Ende 2004. Von großen Teilen der Gewerkschaften, insbesondere der Führung von Ver.di und IG Metall im Regen stehen gelassen, mit der konsequenten Unbeweglichkeit von Rot-Grün in der Frage von „Hartz IV“ konfrontiert, erscheint – für solche Situationen typisch – die Möglichkeit einer Verlagerung des Widerstands auf die parlamentarische Ebene zuerst einmal als Versuch, dem Widerstand noch eine Möglichkeit zu eröffnen. Begünstigt wurde dies durch die zeitliche Nähe von (erfolglosem) Straßenprotest und vorgezogener Bundestagswahl. Durch das für viele überraschend gute Wahlergebnis der Linkspartei/PDS/WASG verschiebt sich allerdings die Sichtweise: aus Protestwahl wird Parteiaufbau.

Die Strukturen in den westlichen Bundesländern unterscheiden sich jedoch von den Verhältnissen im Osten. Dort ist der staatsnahe Teil der ehemaligen PDS, heute „Die Linke“, innerhalb der Partei hegemonial. Er kann sich den Luxus einer „Kommunistischen Plattform“ und anderer kleinerer Fraktionen leisten. Im Westen existiert eine vielfältige unabhängige Linke, die sich in gesellschaftlichen Auseinandersetzungen über Jahrzehnte herausgebildet hat und häufig durch einen, wenn auch oft nur latenten Antietatismus geprägt ist. Ein gesellschaftlicher Einfluss parteiloser Linker ist vorhanden, auch wenn nicht immer auf den ersten Blick erkennbar. Diese Linke war und ist nicht bereit, sich ohne weiteres oder überhaupt einem Parteiprojekt anzuschließen oder gar zu unterstellen. Dies hat für die Zusammensetzung und den Charakter der Partei Die Linke im Westen weitreichende Folgen:

Die besonderen Bedingungen für Wahlerfolg und anvisierten Parteiaufbau wurden im Umfeld der Linkspartei in der ersten Zeit nach der Bundestagswahl durchaus reflektiert (vgl. etwa die Aufsatzsammlung Brie/Hildebrandt [Hg] 2006: Parteien und Bewegungen). Beispielhaft dort: Chr. Spehr, Mitarbeiter der Rosa-Luxemburg-Stiftung und bis Nov. 2007 Fraktionsgeschäftsführer der Fraktion Die Linke in der Bremer Bürgerschaft (inzwischen wurde er nach heftigen Konflikten zum Wiss. Mitarbeiter „degradiert“), spricht von einer „linken Partei neuen Typs“, in der „Pluralität und Differenz auf Dauer akzeptiert, ja aktiv herbeigewünscht werden“ (ebd. 46). Selbst Kandidaturen von Parteimitgliedern auf konkurrierenden (Bündnis-) Listen werden nicht ausgeschlossen (47). „Eine moderne Linkspartei darf keine geschlossene, sondern muss eine Offene Organisation sein“ und weiter: „Eine Partei, die nichts unternimmt, um anderen Kräften auch Macht über die Partei zu geben, verhält sich ausbeuterisch in Sachen Demokratie“ (48). Sie soll eine Partei sein, „die anerkennt, dass wesentliche Ressourcen außerhalb von ihr liegen“, eine Partei, „die sich über Prozesse und nicht über Identitäten definiert“ (49). Letztlich bleibt es aber beim Avantgardeverständnis: „...und eine Vorreiterrolle bei der Klärung der Frage einnimmt, was möglich ist – im Doppelsinne von gesellschaftlicher Konsistenz und möglicher Akzeptanz, sprich Hegemoniefähigkeit eines Vorschlags.“ (52) Die im neoliberalen Institutionengefüge strukturell veränderte Rolle und Bedeutung von Parlamenten und Parteien wird nicht zur Kenntnis genommen oder gar analysiert. Trotz praktischer Erfahrungen mit Auswirkungen dieser Veränderungen, u.a. drastische Wahlverluste nach Regierungsbeteiligungen und deren Folgen (Mecklenburg-Vorpommern, Berlin) ist ein konservatives Parteiverständnis unter der überwiegenden Mehrheit der Anhänger und Mitglieder der Partei Die Linke ungebrochen vorherrschend.

Zwischen den Parteiaktiven und den der Partei nahestehenden – kritischen - Intellektuellen ist ein beziehungsloses Nebeneinander vorherrschend. Freundliches Schulterklopfen bei gleichzeitiger Ignoranz im parteipolitischen Alltag. Frank Deppe formulierte in einem Redebeitrag einer Veranstaltung des „Beirat zur Unterstützung der Partei Die Linke“ am 9.9.2007 in Ffm folgenden Anspruch: „Und dann gibt es auch noch die Gruppe der Intellektuellen, denen in der Partei – nicht nur im Bereich der Kultur – ein Betätigungsfeld angeboten werden sollte. Das Spannende an dieser Partei ist ihr gleichsam offener experimenteller Charakter – offen für unendlich viele Fragen und Optionen. (...) im Blick auf die Zukunft müssen noch sehr viele Fragen und Problemfelder bearbeitet werden. Das betrifft die Analyse des gegenwärtigen Kapitalismus (Wirtschaft, Gesellschaft, Staat) in seinen globalen Dimensionen ebenso wie die Entwicklung von Alternativen zur herrschenden Politik. Und es betrifft natürlich den großen Gedankenaustausch und -wettbewerb über die Frage, was denn „Sozialismus im 21. Jahrhundert“ überhaupt bedeuten kann. Dazu brauchen wir Menschen, die nicht nur über spezifische Fähigkeiten (...) verfügen, sondern auch den Mut haben, Vorschläge zu machen, wie wir besser leben und arbeiten können, wie die Gleichheit der Geschlechter realisiert wird, wie wir den Krieg aus der Politik verbannen können und wie wir den Satz der globalisierungskritischen Bewegung „Die Welt ist keine Ware“ auch in der Politik konkretisieren und umsetzen können.“ (www.die-linke-hessen.de unter „Beirat“) Von der Realisierung eines solchen Anspruchs ist die Partei Die Linke weit entfernt und es spricht wenig dafür, dass sich dies ändert.

In der Linkspartei und ihrem Umfeld ist ein essentialistischer Begriff von „Sozialdemokratie“ vorherrschend, mit dem die je aktuelle SPD immer als (nur) von ihrem eigentlichen Wesen gerade wieder einmal abweichend verstanden und bewertet wird. Was dieses „eigentliche Wesen“ allerdings sei, bleibt unausgesprochen und ist denen, die es beschwören, oftmals wohl auch wirklich unklar. Faktisch verbirgt sich dahinter eine verklärte Sicht auf die SPD der Phase des keynesianischen Wohlfahrtsstaates „rheinischer“ Prägung und jene kurze Periode fordistischer Entwicklungsweise des Kapitalismus.

In der Partei Die Linke geläufige Periodisierungsvorstellungen gehen von einer ersten Gegenbewegung gegen die seit den siebziger Jahren fortschreitende neoliberale Entwicklung ab Mitte der neunziger Jahre in Westeuropa durch die „Neuen Sozialdemokratien“ aus: „Die Ergebnisse dieser Eindämmung des neuen Kapitalismus von oben auf seiner eigenen Grundlage sind bescheiden bis katastrophal“ (Brie/Hildebrandt 2006, 9). Oder wie es W. F. Haug (2005, 453) auf den Punkt bringt: „Rot-Grün war die deutsche Linksregierung unterm Neoliberalismus“ (Kursiv: mf).

Nicht zur Kenntnis zu nehmen oder abzustreiten, dass sozialdemokratische Regierungen unter den historischen Bedingungen (West-)Europas notwendig, vermutlich unabdingbar waren, um der neoliberalen Entwicklung in Europa zum endgültigen Durchbruch zu verhelfen (und zwar in jeder Hinsicht, nicht nur innenpolitisch!), weist auf eine tiefe Fixiertheit auf parlamentarisches Handeln als entscheidend gedachte Ebene politischen Handelns überhaupt hin – und der dafür für unverzichtbar erachteten Partnerin: SPD. Die sich läutern wird oder muss: „Im Zusammenspiel mit – und vor allem angetrieben von – der sozialen >Bewegung der Bewegungen< könnte sie (die Linkspartei, mf) die Kräfteverhältnisse auf eine Weise verändern, die auch die Sozialdemokratie wieder auf einen Kurs zöge, der ihrem Namen entspricht.“ (Haug 2005, 451) Die Gefahr einer „Sozialdemokratisierung“ der Linken wird in Teilen der Partei problematisiert. (Hübner/Strohschneider 2007). Zu den Gewerkschaften wird eine ähnliche Haltung wie zur SPD eingenommen. Widersprüche innerhalb bzw. zwischen den Gewerkschaften werden bestenfalls im wissenschaftlichen Umfeld theoretisiert. In Stellungsnahmen der Partei, Wahlkampfmaterialien etc. findet sich keine differenzierte Einschätzung der Gewerkschaften. Möglichkeiten anderer gewerkschaftlicher Organisation, die über das bestehende Gefüge hinausweisen, auch nicht im wissenschaftlichen Umfeld.

Ab Mitte 2006 konzentrierten sich die Aktivitäten auf den formellen Zusammenschluss von WASG und Linkspartei/PDS. Der Zusammenschluss wird wesentlich geprägt durch die Nähe der Bürgerschafts-/Landtagswahlen in Bremen 2007 und Hessen, Hamburg und Niedersachsen 2008. Die Notwendigkeiten, die die Wahlbeteiligungen nach sich ziehen, drängen die politische Diskussion um den Charakter der Partei in den Hintergrund. An deren Stelle tritt bürgerliche Parteienforschung (z.B. F. Walter u.a. 2007)

Das Beispiel Hessen

Die zeitliche Nähe von Parteiaufbau und anstehender Landtagswahl in Hessen hatte negative Folgen: Während die Fusion auf Bundesebene abgewartet wird, findet keine öffentlich wahrnehmbare Debatte über Voraussetzungen, Bedingungen und Folgen eines Parteiaufbaus in Hessen statt. Vielmehr werden die Claims der beiden sog. „Quellparteien“ PDS und WASG für die Landtagswahl abgesteckt. KandidatInnenlisten werden nach Proporzkriterien ausgehandelt und nach einer Art „Tonnenideologie“ Kreisverbände aufgebaut, mit allen und jeder/m, die/der aufzutreiben ist. WASG-Gruppen gründen sich oder werden gegründet, deren Mitglieder mit einer Biografie wie die erste WASG-Generation (langjährige Mitgliedschaft in Gewerkschaften und/oder SPD) wenig oder nichts zu tun haben. Und zwar vollkommen unabhängig davon, ob es vor Ort bereits funktionierende linke Strukturen gibt. Vordergründig mit dem Ziel, in allen (Wahl-) Kreisen als Partei präsent zu sein, aber wesentlich auch, um Delegierte für die eigenen WahlkandidatInnen auf der Landesliste zu gewinnen.

In diesem Konkurrenzkampf zweier kaum verankerter Organisationen werden Dritte – wie (Ex-) DKP-Gruppen, die an verschiedenen Orten noch relativ starken kommunalen Einfluss haben (u.a. Marburg, Gießen, Reinheim, Mörfelden-Walldorf) und unabhängige linke Bündnisse, die zusammen mit Der Linken in die Hessenwahl eingreifen wollen, – trotz des propagierten Bündnischarakters der Partei eher als weitere Konkurrenz um die raren Listenplätze, denn als willkommene Bündnispartner betrachtet. Es sei denn, sie lösen sich in der neuen Partei auf, wie dies „Linksruck“ getan hat. (Zur Erläuterung: 5% Stimmanteil ergibt max. 6 Sitze im hessischen Landtag).

Jeden Eindruck einer Nähe zur radikalen Linken (oder was man dafür hält) wie zu „Kommunisten“ wird vermieden, da man dies einem Wahlerfolg für abträglich hält. So heißt es etwa im „Weblog“ (www.die-linke-hessen.de, 15.11.07) der „Hessentour“ (einer Rundfahrt im Nov 2007 mit Infobus und Infoständen) über den Auftritt in Mörfelden: „Wir werden auch von den Kollegen (anderer Parteien) aus dem Rathaus heraus begrüßt. Unsere Kommunalpolitiker sind fest verankert und gut bekannt“. (Gemeint ist die DKP, die mit 12 % im Stadtparlament der 30.000-Einwohner-Stadt sitzt; der Text stammt aus der Feder des Landesvorsitzenden.)

Die Verabschiedung eines Programms erfolgt erst nach der KandidatInnenkür. Dafür kommt es auf dem 1. Parteitag am 24.8.2007 in Frankfurt- Bornheim zu einem Eklat bei der Aufstellung der Landesliste: Dem Listenvorschlag des kommissarischen Landesvorstands, der weder in den Parteigliederungen und schon gar nicht außerhalb diskutiert wurde, wird ein gemeinsamer alternativer Vorschlag mehrerer nordhessischer Gliederungen mit dem Marburger Stadtverordneten und Ex-DKPler Pit Metz auf Platz 1 gegenübergestellt. Auf Platz eins des Landesvorstandsvorschlags kandidierte Dieter Hooge, ein auch bei linken Gewerkschaftern nicht unumstrittener, ehemaliger Vorsitzender des DGB Hessen. Gewählt wird Pit Metz - Sprachlosigkeit bei den Zentristen, Unmut beim rechten Flügel. Hooge, der sich schon im Vorfeld als „Spitzenkandidat“ gerierte, ist darauf hin nicht bereit, auf einem anderen vorderen Platz anzutreten.

Mit einer unbedachten Äußerung zum Bundeswehreinsatz in Afghanistan liefert Metz den casus belli für eine kurze, aber intensive Kampagne gegen seine Person, während der er sich u.a. nach Berlin zitieren lässt. Sie endet mit dem Verzicht auf die Kandidatur. So wie zuvor, findet auch auf dem Parteitag keine Diskussion über Kriterien einer Kandidatur statt. Dafür hörten sich die Redebeiträge der BewerberInnen für die vorderen Listenplätze fast ausnahmslos wie Wahlkampfreden oder besser: Fensterreden für (nicht anwesende) Medienvertreter an. Hauptaussagen: „Koch muss weg“ und: „Wir müssen rein“. Auf der Fortsetzung des Wahlparteitags am 18.9.2007 in Bad Homburg wird mit einer Nachwahl der parteilose Willy van Ooyen auf Platz eins der Landesliste gewählt. Es beginnt eine erstaunliche Mythenbildung: Im „Neuen Deutschland“ (26.8.07) heißt es bereits in der Überschrift eines Artikels zur Partei Die Linken in Hessen. „ Der kurze Weg vom Parteitagsgast zum Spitzenkandidaten“. Und im Text: „Zwei Wochen zuvor, als Metz den Segen der Basis erhielt, saß van Ooyen noch als Gast auf dem Parteitag in Frankfurt. Nun sollte er plötzlich selbst in die erste Reihe.“ Richtig ist jedoch, dass van Ooyen bereits beim Frankfurter Parteitag, auf der Liste, die Pit Metz anführte, (als erster Parteiloser) auf Platz 6 auftauchte. Nachdem eine ausgewiesene, aber parteilose Kandidatin auf Platz 5 nur eine Stimme erhielt, zog van Ooyen seine Kandidatur unmittelbar vor dem Wahlgang für Platz 6 zurück. Dem Mythos des „candidatus ex machina“ hat allerdings bisher weder van Ooyen noch Die Linke widersprochen.

Der Wahlkampf, der mit einer „Hessentour“ (einer Rundfahrt eines Infobusses mit Infoständen) Anfang November begann, unterscheidet sich in den Formen nicht vom üblichen Wahlkampf bürgerlicher Parteien mit bunten Faltblättern und Fotos herausgeputzter KandidatInnen. Wendet man den Anspruch, „es anders zu machen“, allein schon auf die (offensichtlich allgemein akzeptierte oder tolerierte) Selbstdarstellung von Die Linke Hessen auf ihren Internet-Seiten an, ist davon nichts zu merken. Kein Diskussionsforum – so etwas gibt es wenigstens bei der Bremer Linken –, keine eigenständigen Beiträge zu aktuellen und grundlegenden Fragen, die über das Niveau einer üblichen Wahlkampfrede hinausgehen, dafür Gequassel und Selbstdarstellung in „Weblogs“, in denen Kandidatinnen und Kandidaten für die anstehende Landtagswahl ihre Befindlichkeiten in die Öffentlichkeit „bloggen“.

Die in den Werbematerialien verkündeten Inhalte zukünftiger Politik im hessischen Landtag bleiben allgemein und gehen kaum über das hinaus, was auch die SPD nach einer gewonnenen Wahl zu tun vorgibt. Mit Ausnahme Flughafenausbau vielleicht.

Sollte der Partei Die Linke der Einzug in den hessischen Landtag gelingen und außerdem die übrige Konstellation die Abwahl Kochs ermöglichen, wird der Preis, den Die Linke für die Mitwahl einer SPD-Ministerpräsidentin (auch ohne Koalition) verlangen wird, ein erstes Indiz für ihre weitere parlamentarische Arbeit sein. Es ist allerdings zu vermuten, dass ihnen die Abwahl Kochs Zweck genug ist und sie sich mit einem Zugeständnis der SPD begnügen werden, das aus dem Katalog der Maßnahmen entstammt, die die SPD sowieso umsetzen will. Notwendig wäre jedoch eine Forderung, die auf dem breiten Willen der betroffenen Bevölkerung beruht und deren Durchsetzung außerdem hohen Symbolwert hätte: Stop des Ausbaus des Frankfurter Flughafens – zumindest aber ein Moratorium. Im Flughafen Frankfurt verdichtet sich die derzeitige Produktions- und Lebensweise exemplarisch: prekäre Arbeitsverhältnisse im Niedriglohnbereich, die katastrophalen Auswirkungen des vorherrschenden Naturverhältnis, die in vieler Hinsicht irrsinnig zerstückelte globale Wertschöpfungskette und eine konsumistische Lebensweise, die ihren Kick im Wochenendflug zum Skifahren nach Innsbruck, Shopping in London oder gar New York findet.

Aus dem Verhältnis vieler Linker zu den Grünen wäre zu lernen: Über Jahre hinaus Hoffnungen auf einen „ökologisch-sozialen New Deal“ auf diese Partei zu projizieren, ohne die realen Veränderungen in Programmatik und Praxis zur Kenntnis zu nehmen, war nicht nur naiv, sondern hat objektiv die Transformation der Grünen zu einer neoliberalen Partei – und damit auch den neoliberalen Umbau der Gesellschaft als Ganzes – befördert.

So wie die Grünen die (Re-)Integration der Neuen Mittelschichten in die „Republik“ beförderten, könnte sich Die Linke als Integrationsmotor einer sonst möglicherweise vom Staat abdriftenden Neuen Prekarität erweisen. Im neoliberalen Kapitalismus geht alles etwas schneller. Ein deja-vu im Zeitraffer-Tempo vielleicht auch zur baldigen Erkenntnis:

„Beim ersten mal eine Tragödie, beim zweiten mal eine Farce“.

Literatur:

Brie, Michael/Hildebrandt, Cornelia 2006 (Hg.): Parteien und Bewegungen, Berlin

Haug, Wolfgang Fritz 2005: Untergang der deutschen Linksregierung – Aufstieg der Linkspartei, in: Das Argument 262, 451 ff.

Hübner, Wolfgang/Strohschneider, Tom 2007: Lafontaines Linke. Ein Rettungsboot für den Sozialismus? Berlin

Walter, Franz u.a. (Hg.) 2007: Die Linkspartei. Zeitgemäße Idee oder Bündnis ohne Zukunft? Wiesbaden

Anmerkungen

* Die Einschätzungen in diesem Artikel basieren u.a. auf teilnehmender Beobachtung seit Frühjahr 2007Zurück zur Textstelle

© links-netz Dezember 2007