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Die Privatisierung des Krieges

Florian Flörsheimer

Ende September geriet die im Irak tätige US-amerikanische Sicherheitsfirma Blackwater in die Schlagzeilen, da Angestellten dieser Firma die Ermordung von mehr als einem Dutzend irakischer Zivilisten zu Last gelegt wurde. Aus einem Fahrzeugkonvoi heraus, wild um sich schießend, hatten die Söldner zahlreiche Passanten am Straßenrand verletzt bzw. getötet.

Das Ereignis löste eine Debatte über die Rolle privater Sicherheits- und Militärfirmen im Irak aus, in der es vor allem um die Notwendigkeit einer schärferen Kontrolle der im Irak bisher weitgehend unbehelligten Firmen ging.

So hat sich ein Untersuchungskomitee des US-amerikanischen Kongresses mit diesem und ähnlichen Vorfällen beschäftigt. In einem Memorandum für die Mitglieder des Komitees wird festgestellt, dass es vergleichbare Verstöße – meistens handelt es sich um vorsätzlichen und nicht nachvollziehbaren Schusswaffengebrauch – bereits in der Vergangenheit gegeben hat. Der Bericht lässt auch erkennen, dass ähnliche Vorfälle nicht nur von der Firma Blackwater selbst, sondern auch vom US-Außenministerium, deren Auftraggeber, vertuscht oder kleingeredet wurde.

Das jüngste Ereignis ist also nichts Neues. Neu ist hingegen, dass die irakische Regierung ihre Stimme erhebt und der Kongress sich einschaltet. Dies deutet auf eine Veränderung im Verhältnis der Besatzungsmacht zur irakischen Regierung, ebenso wie auf eine veränderte Stimmung in den USA und damit sich verändernde Wahrnehmungen im Kongress hin. Die Vorladung des Blackwater-Chefs vor das Untersuchungskomitee und auch das Memorandum über die Firma zeigen, dass zunehmend kritische Fragen gestellt werden, und zwar nicht nur über die Praxis der Sicherheitsfirmen, sondern auch der Bush-Administration selbst. Zur Debatte stehen die Kosten für den Steuerzahler, weil die Finanzierung der Privaten wesentlich teurer ist als die der regulären Armee. Es geht dabei natürlich in erster Linie um das Verhältnis zwischen Kosten und Nutzen, nicht um die Infragestellung der Militärfirmen. Eine Rolle spielt dabei, dass sich Bushs Regierungszeit dem Ende nähert. Allerdings geht es den Abgeordneten der Demokratischen Partei keineswegs um ein generelles Verbot derartiger Firmen und um eine Rücknahme der Privatisierungspolitik, sondern um die Notwendigkeit einer schärferen Kontrolle und eines gründlicheren Lizenzierungsverfahrens bei ihrer Zulassung.

Dies alles ficht den Chef von Blackwater jedoch nicht an. Denn er weiß, wie sehr er im Irak gebraucht wird. Und er weiß auch um die juristischen Unsicherheiten und Grauzonen, in denen er agiert – und dass diese von der US-Regierung auch gewollt sind. Die Familie des Blackwater – Chefs Erik Prince spielt eine führende Rolle innerhalb der Gruppe der so genannten christlich-fundamentalistischen „Neo-cons“ und hat deren Aufstieg zur Macht durch Millionen von Dollars finanziert. Prince selbst war Volontär im Weißen Haus unter Bush senior (vgl. Kongressbericht bzw. ND vom 6./7.10.07). Ebenso sind leitende Angestellte von Blackwater ehemalige Mitarbeiter des Außen- wie des Verteidigungsministeriums.

Der Krieg im Irak erweist sich für die privaten Militärfirmen als äußerst lukratives Geschäft. Einer ihrer größten Auftraggeber, das US-amerikanische Außenministerium, zahlte über die Jahre seit 2001 allein ca. 1 Milliarde Dollar an Blackwater. Die Rechtsgrundlagen für das Agieren der Militärfirmen waren bisher äußerst vage. Bisher galt die Direktive 17 der US-amerikanischen Besatzungsbehörden, die die Firmen ausschließlich der US-amerikanischen Gerichtsbarkeit unterstellt.

Diese Militär- oder Sicherheitsfirmen, im Grunde nichts anderes als Söldnerorganisationen, deren Konjunktur Folge von Outsourcing und Privatisierung im neoliberalen (Kriegs-) Kapitalismus ist, halten sich gerne bedeckt. Die Undurchsichtigkeit über Auftraggeber, Kosten und Aufgabendurchführung ist für ihre Kunden ein entscheidender Vorteil. Ihre unklare Rechtsstellung ist nicht nur das Ergebnis einer erfolgreichen Lobbyarbeit, sondern politisch gewollt. Für Regierungen und Internationale Organisationen sind diese Firmen aus verschiedenen Gründen nützlich. Sie ermöglichen eine vorteilhafte Verwendung sowohl finanzieller wie legitimatorischer Art: Zum einen müssen in den USA bspw. Aufträge bis 50 Millionen Dollar nicht durch die Legislative bestätigt werden bzw. werden aus Mitteln bezahlt, die nicht zum US-amerikanischen Haushaltsbudget gehören. Zum anderen kann sich die Regierung im Fall eines Fehlverhaltens der Firmen jeglicher Verantwortung entziehen.

Außerdem kann so vermieden werden, die Öffentlichkeit über Praktiken informieren zu müssen, die gegen internationales Recht verstoßen. Die Privatisierung von Sicherheit ist gewissermaßen eine logische Folge neoliberaler Politik und man kann sie keinesfalls als einen Ausdruck der Schwäche staatlicher Macht begreifen. Die inzwischen entstandene Größe dieser Firmen macht sie allerdings zu einem bedeutenden Machtfaktor im gesellschaftlichen Kräfteverhältnis. So können sie in der Zusammenarbeit mit staatlichen Institutionen zu einer Machtverschiebung unter diesen führen. Im konkreten Fall zwischen US-Außenministerium (die Blackwater finanzieren) und US-Verteidigungsministerium.

Letzteres kann man als Ausdruck des „alten“ (fordistischen) militär-industriellen Komplexes sehen, also eines bestimmten Kräfteverhältnisses zwischen staatlicher militärischer Führung und Rüstungsindustrie. Dabei hat das Ministerium die Kontrollmacht über die Geschäfte der Industrie und behält sich prinzipiell das Recht der Kriegsführung vor. Das Militär wiederum hat auch ein Interesse an sich selbst, d.h. auch am effektiven und „schonenden“ Einsatz seiner (begrenzten) Ressourcen. So wächst in jüngster Zeit die Kritik führender US-Militärs an Art und Dauer des Einsatzes im Irak. So zuletzt durch General Sanchez, ehemals Kommandeur der dortigen US-Truppen. Zwar vergibt auch das Verteidigungsministerium Aufträge an die Militärfirmen, doch sind diese meist, wie z.B. die Firma MPRI, eine Art Aus-Gründungen ehemaliger US-Offiziere des Pentagons.

Blackwater dagegen hat aufgrund seines eigenständigeren Geschäftsgebarens einen anderen Stellenwert. Die Firma wird eher als Konkurrenz betrachtet, da sie in der Lage ist, Kriegsdienstleistungen aller Art durchzuführen, also „autonom“ ist. Dies ist auch der Anspruch der Firma: zu zeigen, dass sie besser ist als das staatliche Militär. Sie repräsentiert den Aufstieg des neoliberalen „militärischen und Sicherheitskomplexes“ (Serfati 2005).

Das US-Außenministerium hat durch die Politik von Präsident Bush erheblich an Bedeutung gewonnen. Es spielt eine wichtige Rolle für die offensive Strategie der „Neo-cons“ und der Zugriff auf „eigene“ Gewaltapparate erweitert Einfluss und Handlungsmöglichkeiten (vgl. Hirsch 2005, 28 u. 31).

Dass die Privatisierung im Bereich der Sicherheit in der EU bzw. in Deutschland im Vergleich zur USA bisher moderater ausfällt, ist in den unterschiedlichen staatlichen Traditionen insgesamt und in einer anderen Strategie neoliberaler Privatisierungspolitik begründet. Sicherheit ist in den USA bereits wesentlich länger zu einem profitablen Geschäft geworden (es gibt dort mehr private Sicherheitsleute als Polizisten – vgl. Eick 2003), der Kult um die Waffen – also die Lösung von Konflikten mittels individueller Gewalt – gehört zum US-amerikanischen Selbstverständnis. Dagegen dominiert im Bewusstsein europäischer Öffentlichkeit, europäischer Regierungen und Militärs noch die Vorstellung, dass Gewaltausübung Sache des Staates ist.

Es ist anzunehmen, dass es vorerst – wie bei Fragen der Regulierung in anderen Wirtschaftszweigen auch – bei der etwas konsequenteren Anwendung bestehenden Rechts bzw. bestehender Sanktionsmaßnahmen sowie bei Appellen zu Selbstverpflichtungen bleiben wird. Wenn überhaupt, wird nur insoweit reguliert werden, dass die privaten Sicherheitsdienste und Militärfirmen ihrem profitorientierten Handeln weiterhin ohne große Hindernisse nachgehen können. Das belegen Beispiele wie das US-amerikanische Lizenzierungsverfahren ITAR (International Traffic in Arms Regulation), das südafrikanische „Anti-Söldnergesetz“ oder ein britisches Regierungsdokument von 2002 (das ein Gesetz zur Regulierung von PMFs vorbereiten sollte, welches bis heute nicht existiert). Sie verlangen zwar die Einhaltung bestimmter Auflagen und erfordern die Genehmigung bestimmter Gremien. Sanktionen beziehen sich dabei meist jedoch auf Individuen, nicht auf die Firmen. Anders gesagt: jede Form der Regulierung legalisiert und legitimiert diese Unternehmen und ihr Handeln.

Die Bundesregierung vertritt den Standpunkt, dass die bestehende Rechtsgrundlage für „Söldner“ ausreichend sei, und dass der noch ausstehenden Ratifizierung der entsprechenden UN-Konvention das im deutschen Recht verlangte „Bestimmtheitsgebot“ entgegenstünde. Des Weiteren verweist sie auf die Schwierigkeit, überhaupt notwendige Auskünfte über die sehr diskret agierenden, Söldner vermittelnden Firmen zu erlangen (vgl. Antworten der Bundesregierung auf Anfragen der Fraktion CDU und der Fraktion DIE LINKE im Bundestag, DS 15/5824 u. DS16/1196 sowie eine Stellungnahme des Bundesministeriums der Justiz vom 11.11.2004).

Der US-amerikanische Wissenschaftler Peter W. Singer (Corporate Warriors, 2003) geht davon aus, dass die Privatisierung des Krieges weiter fortschreiten wird und die Tätigkeitsfelder für Private Sicherheits- und Militärfirmen zunehmen werden. Und zwar in jedem denkbaren Szenario, d.h. die Firmen sind nicht unbedingt auf einen Krieg wie im Irak angewiesen. Mittlerweile bieten sie eine derart große Palette an Dienstleistungen an, dass sie in der Lage sind, ihr Angebot der Nachfrage flexibel anzupassen. Und das nicht nur in Bezug auf den Einsatz sondern auch auf den Auftraggeber. So arbeiten einige Firmen bereits für NGOs, und innerhalb der UNO wird bereits über die Auftragsvergabe von UN-Einsätzen an sie diskutiert (vgl. Singer 2003, insbesondere S. 230 ff).

Der ungezügelte Kapitalismus ist auf die Sicherung der Kapitalströme und deren Verwertung angewiesen – und sei es mit Waffengewalt. Dabei bietet sich diese selbst als profitables Geschäft an. Dabei können sich die Privaten als Konkurrenz staatlicher Sicherheitsinstitutionen erweisen. Sie sind flexibler, bieten sich jedem an, der Geld hat. Sie sind zwar nicht unbedingt billiger – aber sie erleichtern die Durchsetzung von unpopulärer Politik und man wird sie auch schnell wieder los.

Möglicherweise wird sich die Situation im Irak so entwickeln, dass sich die US-Army aufgrund der größer werdenden Unpopularität und der zunehmenden Kosten aus dem Irak zurückziehen wird – ohne dass die erwarteten ökonomischen Gewinne in vollem Umfang sicher sind. Dies würde ein weiteres profitables Aufgabenfeld für die privaten Militärfirmen eröffnen wenn auch unter veränderten Bedingungen z.B. einer Kontrolle und Regulierung durch die irakische Regierung. Es wäre denkbar, dass sie mittels eines von der US-Regierung oder auch der irakischen Regierung ausgestellten „Kaperbriefes“ nicht nur die Ausbeutung der irakischen Ressourcen und Arbeitskräfte sichern, sondern sich auch über ihre mehr oder weniger enge Verknüpfung mit den dort tätigen Konzernen, daran unmittelbar beteiligen: nicht nur im eigenen Interesse, aber auf eigene Rechnung.

Literatur

Antworten der Bundesregierung auf Anfragen der Fraktion CDU und der Fraktion DIE LINKE im Bundestag DS 15/5824 u. DS 16/1196

Eick, Volker 2003: Policing for Profit, in: Azzellini, Dario/ Kanzleiter, Boris 2003 (Hg.): Das Unternehmen Krieg. Paramilitärs, Warlords und Privatarmeen als Akteure der Neuen Kriegsordnung, Berlin

Committee on Oversight and Government Reform 2007: Memorandum, October 1, 2007, Additional Information about Blackwater USA (www.oversight.house.gov)

Hirsch 2005: Materialistische Staatstheorie. Transformationsprozesse des kapitalistischen Staatensystems, Hamburg

Singer, Peter W. 2003: Corporate Warriors. The Rise of the Privatized Military Industry, Ithaca und London

Serfati, Claude 2005: Der "Krieg ohne Grenzen" im Zeitalter der Globalisierung des Kapitals, in: Attac-Internetzeitschrift Sand im Getriebe, Sonderausgabe zu den USA, Februar 2005

Stellungnahme des Bundesministeriums der Justiz vom 11.11.2004 zur Ratifikation der UN-Söldnerkonvention (www.bmj.de)

Uesseler, Rolf 2006: Krieg als Dienstleistung. Private Militärfirmen zerstören die Demokratie, Berlin

© links-netz Oktober 2007