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Bildung ist unmöglich

Über Widersprüche bürgerlicher Bildungsvorstellungen1

Thomas Gehrig

Komm! es war wie ein Traum! die blutenden Fittiche sind ja / Schon genesen, verjüngt leben die Hoffnungen all.
(Friedrich Hölderlin: Menons Klagen um Diotima)

Zum Jahresende 2009 kam der Protest der Studierenden gegen die mit den Bologna-Reformen zusammenhängenden Studienbedingungen auch nach Frankfurt am Main. Gefordert wurde ‘Bildung für alle’. In Folge des Studierendenstreiks Ende 2009 wurde das Casino auf dem Campus Westend der Frankfurter Universität besetzt. Im Rahmen der Besetzung fanden verschiedene Veranstaltungen statt. Während der Zeit der Besetzung wurden Wände etc. des Gebäudes mit Farbe beschmiert und bemalt. Dies wiederum wurde zum offiziellen Anlass für die polizeiliche Räumung des Casinos. Eine Dramaturgie also, die wie geschaffen dafür ist, nochmals über den Zusammenhang von Universität und Bildung nachzudenken.

Zunächst soll es in diesem Artikel um den ‘Aufhänger’, die Proteste und Vorkommnisse in Frankfurt am Main Ende 2009 gehen. Erzählt wird nicht nur eine lokale Posse, sondern die Vorkommnisse sind in gewisser Weise bezeichnend für die Auseinandersetzungen um Reform und Widerstand.

Der studentische Protest brachte vernehmbar Misstöne in einen Chor, der vielstimmig gegen die Bologna-Reform intervenierte. Dieser Chor ist Gegenstand des darauf folgenden Abschnitts. Anschließend wird der auch im Repertoire dieses Chores anzutreffende Verteidigung der ‘Bildung’ gegen die ‘Ausbildung’ betrachtet. Nachdem der Frage nachgegangen wird, wie es der Bildung als Ware auf dem Bildungs-Markt und mit den Bildungs-Individuen als Nachfragenden ergeht, wendet sich dieser Artikel am Ende der Bildung als Objekt staatlicher Steuerung zu.

Vorbemerkung zu Universität, Protest, ‘Vandalismus’, einer ‘Ikone der Moderne’ und Privateigentum

Beginnen möchte ich mit einem persönlichen Bekenntnis. Aufgrund meiner, zugegebenermaßen dilettantischen, Beschäftigung mit der Architektur habe ich eine sehr positive Beziehung zu der in Frankfurt von Hans Poelzig entworfenen ‘Ikone der Moderne’.2 Insofern berührt mich jegliche Beschädigung dieser Gebäude, und ich halte sie für verwerflich – so sie denn nicht in einer für mich legitimen Weise zu rechtfertigen ist.

In einem Klima, in dem soziale Proteste, selbst wenn sie keine Blessuren verursachen, wenig gelitten sind, waren deutliche Reaktionen auf die Aktionen der Studierenden zu erwarten. Von den Studierenden wird nun der Kotau erwartet.

Sascha Zoske (2009) beklagt in der FAZ: „Niemand bringt den Satz über die Lippen, dass Vandalismus in einem denkmalgeschützten Gebäude kein geeignetes Mittel ist, um politische Anliegen auszudrücken.“ Ich möchte Herrn Zoske an dieser Stelle noch überbieten: Vandalismus – also ‘sinnlose Zerstörung’ – ist nirgends ein geeignetes Mittel, um politische Anliegen auszudrücken!

Wer in Bezug auf den Farbeinsatz in den Räumen des Casinos von ‘Vandalismus’ redet, muss jedoch sogleich auch belehrt werden. Ein wenig historische Bildung würde ausreichen, um zu wissen, dass die Vandalen ein durchaus kulturvolles Grüppchen waren und dass deren Besetzung Roms nicht von ‘sinnloser Zerstörung’ gekennzeichnet war. Es wurde gemordet und geraubt, und dies war in der Perspektive der damaligen Zeit zunächst ein allgemeiner ‘politischer’ Zug. Dagegen hatte der Farbeinsatz im Casino, soweit ich dies anhand der im Internet veröffentlichten Fotos beurteilen kann, vor allem eines nicht: eine politische Qualität. Ebensowenig hatte er eine ästhetische. Die mit Farbe besprühten Flächen erinnern oft nur an die Reviermarken der vornehmlich männlichen Jugend im Straßenbild.

Übrigens geht der Vandalismusbegriff in der heutigen (irreführenden) Bedeutung auf Henri-Baptiste Grégoire, Bischof von Blois, zurück, einen klerikalen Mitstreiter der Französischen Revolution.3 Er kritisierte 1794 in einer Denkschrift den mit der bürgerlichen Revolution einhergehenden Bildersturm. Dieser traf vornehmlich die Kirchen und Klöster (was in Frankreich am bedauerlichen Zustand einiger Kunstwerke abzulesen ist). Grégoire verwendet die Anspielung auf die Eroberung Roms durch die Vandalen also in ideologischer Weise. Die Sachbeschädigungen während der französischen Revolution sind dagegen nicht nur als willkürlich zu begreifen, sie drücken auch die Situation und die Machtverhältnisse der Zeit aus.

Ich erlaube mir kein Urteil über die Motive der – wie Zoske (2009) sie nennt – „antikapitalistischen Malermeister“ zu Frankfurt. Ich kann den Fotos weder Antikapitalismus noch konkrete UrheberInnenschaft entnehmen, und soweit ich weiß, sind die „Malermeister“ auch nicht bekannt! Für den Präsidenten der Universität, Werner Müller-Esterl, sieht dies anders aus: „Ich glaube, der Teil der Studierenden ist sehr klein, der für die Zerstörungen verantwortlich ist und für die Eskalation gesorgt hat – es sind wahrscheinlich die 120 Personen, die am Ende den Polizeiaufforderungen trotzten und meinten, das Gebäude sozusagen verteidigen zu müssen. Ein Großteil der Studenten ist empört und entsetzt über diesen Vandalismus und lehnt Gewalt gegen Sachen ab.“4 Ich bin kein Jurist, aber ich ‘glaube’, dass diese Aussage ‘wahrscheinlich’ einer Vorverurteilung gleichkommt und dies mit den Grundsätzen eines freiheitlichen Rechtsstaates nicht zu vereinbaren ist. Hatte nicht der Präsident zuvor selbst vermutet, dass die ‘Zerstörungen’ auch durch „reisende Chaoten“ zu verantworten seien, die nicht der Universität angehörten?

Die FAZ dokumentiert den Hinweis der AStA-Vorsitzenden Nadia Sergan, die feststellt, dass die im Casino ausgestellten Grafiken Georg Hecks, entgegen anders lautenden Meldungen des Präsidiums der Universität, keineswegs zerstört sind, sondern nur Glas und Rahmen Farbe abbekommen haben (siehe: Zoske 2009). Die Meldung von der ‘Zerstörung’ der Grafiken Hecks wurde von der Universitätsleitung mit dem Hinweis unterfüttert, dass Heck von den Nazis verfolgt wurde.5 Hier drückt sich also nicht nur Sorge um die Kulturgüter aus, sondern auch ein historisches Verantwortungsbewusstsein.

Nebenbei: Auch der 1952 von Rektor Max Horkheimer nach Frankfurt gerufene Architekt Ferdinand Kramer musste 1938 in die USA emigrieren. Er gestaltete das ‘letzte Kapitel des Neuen Frankfurt’, die heute (noch) unter Denkmalschutz stehenden Gebäude Kramers der 1950er Jahre auf dem Bockenheimer Campus. Sie werden wohl demnächst sinnlos zerstört werden, ihr Abbruch scheint beschlossene Sache.6

Klar ist, der sogenannte ‘Vandalismus’ hat eine öffentlichkeitswirksame Begründung dafür geliefert, die studentischen Proteste zu kriminalisieren. Ansonsten hätte die ‘harte’ Frankfurter Linie vielleicht nicht so durchgezogen werden können. Insofern kam er gerade den an Eskalation interessierten Kräften zupass. Dr. Matthias Büger, hochschulpolitischer Sprecher der FDP-Landtagsfraktion, beurteilt die Situation folgendermaßen: „Eine kleine Gruppe von Vandalen leistet hier für die Masse der Studenten einen Bärendienst. Die Mehrheit hat mit dieser Form der Proteste nämlich nichts zu tun. Die Randalierer verstellen den Blick auf die berechtigte Kritik an Mängeln bei der Umsetzung des Bologna-Prozesses, die dringend beseitigt werden müssen.“7 Büger will wohl sagen, dass es über den sogenannten ‘Vandalismus’ gelungen ist, allein diesen ins Zentrum der Auseinandersetzungen zu stellen und von der ‘berechtigten Kritik’ abzulenken.

Inzwischen sei, so Müller-Esterl, die „Universität wieder im Normalbetrieb“ (siehe: Zoske 2009a).

Das Verhalten der Universitätsleitung in diesem Konflikt ist umfänglich zu begrüßen – wegen seiner Deutlichkeit. Der beklagte Wechsel von der Gruppen- zur „autoritären Präsidialuniversität“ ist eigentlich der angestrebte Wechsel zu (ganz normalen) privateigentümlichen Verhältnissen. – Alles Ständische verdampft! – Verbreitet wird vom „‘Unternehmen’ Universität“ (Albrecht 2009, vgl. Knauß 2010) gesprochen. Ein Fabrikherr oder die Besitzerin einer Werbeagentur hätte sich wahrscheinlich nicht anders verhalten. Das Unternehmen Universität gehört, wie jeder kapitalistische Betrieb, weder ihren KundInnen noch ihrem Personal! Mit den neuen Formen wird auch deutlich: Die Studierenden sind und bleiben draußen aus ‘ihrer’ Universität. Sie waren es auch unter den verstaatlichten Verhältnissen immer schon. Etwas anderes anzunehmen wäre Nachtrauern einer Illusion, die so selbst Humboldt nie vorschwebte.

Interessanterweise könnten die in der Folge zur präventiven Aufstandsbekämpfung von der Universitätsleitung veranlassten Blockaden von Universitätsgebäuden durch die Polizei als eine Art Aussperrung interpretiert werden. Eine legale Antwort auf einen Streik! (Wer zahlt hier (im Vergleich zum besetzten Casino) eigentlich die Umsatzausfälle des Studentenwerks?)

Die aufkommenden privateigentümlichen Fabrikverhältnisse betreffen jedoch nicht nur die ihrer Besitzstandsprivilegien beraubten Studierenden, die sich als MiteigentümerInnen oder BürgerInnen einer Republik des Geistes wähnen. Heinz Steinert lenkt zurecht den Blick auf das universitäre Personal und fragt, wann denn endlich auch diesem bewusst wird, dass die Hochschulreform ein umfassendes Konkurrenzszenarium etabliert, in Folge dessen sich seine eigene Stellung (bis auf wenige Ausnahmen) sukzessiv verschlechtern wird. „Es wäre höchste Zeit, dass die ProfessorInnen und sogar die Uni-PräsidentInnen, die in diesen Spaltungen nicht zu den Gewinnern gehören werden, aus der individualisierten Konkurrenz aussteigen“ (Steinert 2009a).

Dass auch die universitäre Welt am unternehmerischen Wesen genesen soll, ist ausgemachte Sache. Es wird sich jedoch zeigen, dass die Umwandlung der Universität in einen kapitalistischen Betrieb nicht so einfach ist, wie gewollt und vorgestellt. Die meisten Universitäten sind noch immer staatliche Anstalten, denen lediglich administrativ ein adaptiertes Unternehmensverhalten verordnet wird. Die Frankfurter Universität ist Stiftungsuniversität und somit auch kein rein gewinnorientiert agierendes Kapitalunternehmen. Der Subsumtion der Universitäten unters Kapitalverhältnis stellen sich hier gewisse Schwierigkeiten in den Weg, die mit dem Gegenstand zu tun haben und die auf die notwendige Ausrichtung der universitären Veranstaltung auf Bedürfnisse und Zwecke der Allgemeinheit hinweisen. Diese Ausrichtung scheint gerade mit der neuesten Hochschulreform gefährdet, und entsprechend ist Protest von unterschiedlichsten Seiten zu vernehmen. Gerade diese Reform sollte ein veraltetes und uneinheitliches Hochschulsystem modernisieren, d.h. auf die Bedarfe der ökonomischen Sphäre ausrichten und mittels der dort gewonnenen Erfolgsrezepte reorganisieren.

Alle gegen Bologna

Mit der Bildung steht es in der Republik bekanntlich nicht zum besten. Die OECD kritisiert Deutschland, dass dessen Hochschulsystem seit über 30 Jahren unterfinanziert sei. Die Bertelsmann-Stiftung errechnet: „Bessere Bildung könnte 2,8 Billionen Euro bringen“ (FAZ 26.11.2009). Das Betreuungsverhältnis an den „renommierten Hochschulen“ Großbritanniens oder der USA liege, so Heike Schmoll (2009a), bei 1:10, in Deutschland im Durchschnitt bei 1:66. Deutschland liege nach OECD-Berechnungen bei den Ausgaben pro StudentIn „gerade noch vor Mexiko und Nigeria“. Der Sachverständigenrat empfiehlt der Bundesregierung eine „Bildungsoffensive“. Er fordert, wie bereits der Wissenschaftliche Beirat beim Bundeswirtschaftsministerium, der Bildungspolitik „höchste Priorität einzuräumen“. Defizite des Bildungssystems seien das „zu niedrige Bildungsniveau und die fehlende Chancengleichheit“ (Mehr Wachstum durch Bildung, FAZ 13.11.2009). Wieder einmal wird eine nationale Bildungskatastrophe ausgerufen. Der Bologna-Reform wird mittlerweile nachgesagt, dass sie, statt Besserung zu bringen, diese Situation noch weiter verschärft. Sie steht deshalb im Zentrum der breiten Kritik an der aktuellen Hochschulpolitik.

Selbst Annette Schavan (CDU), derzeitige Bundesministerin für Bildung und Forschung, zeigt vordergründig Einsicht in die Kritik an der Hochschulreform. Allerdings bezieht sich ihre Einsicht nur auf sogenannte Umsetzungsfehler. Die Reform selbst ist für Schavan, genauso wie die sie auslösende Globalisierung, unaufhaltsam. Zu solchen Naturgesetzen kann es keine Alternative geben: „Die Forderung, auf den Bologna-Prozess zu verzichten, finde ich ‘gestrig’. Er ist in einer Welt, die immer internationaler ausgerichtet ist, ohne Alternative.“8 Schavan konstatiert: „Diejenigen, die die Proteste organisiert haben, beschäftigen sich vermutlich eher weniger mit Bildungstheorien als vielmehr mit der Durchsetzung der Interessen der Gruppen und Verbände, die hinter ihnen stehen.“ Schavan schließt dabei wohl eher von sich und ihresgleichen. Die Ökonomisierung der Hochschulausbildung sei ein Klischee und Bildung bleibe – was sie nie war und auch nie wieder werden soll – „vor allem Selbstzweck“ (ebd.).9 Damit zeigt Schavan, wie viel sie von den Bildungstheorien verstanden hat, und es fragt sich, welche Verbände ein Interesse an der Leugnung des Ökonomisierungsprozesses im Bildungssystem haben und darüber hinaus, welche Gruppeninteressen überhaupt zur derzeitigen Hochschulreform geführt haben. Die Misere der staatlichen Reform wird von Schavan letztendlich christlich-liberal individualisiert: „Der Anspruch, nicht nur auf Credit points fixiert zu sein, muss die eigene Einstellung zum Studium prägen.“ (ebd.). Wobei es Schavan mit dieser Aussage wohl nicht um die Legitimierung der Studierendenstreiks ging.

Eine kritische Sicht auf die Bologna-Reform vertritt Schmoll (2009) in der FAZ. Sie ist der Auffassung, mit der Studienreform würde „die Idee der europäischen Universität begraben“. Sie hätte auch von einer ‘sinnlosen Zerstörung’ der Universität sprechen können. Ulrich Beck (2010) spricht plakativ von einer „McDonaldisierung der deutschen Universität“. „Was zwei Weltkriege nicht geschafft haben, könnte Bologna erreichen: die deutsche Universität zu zerstören.“ Armes Deutschland!

Die Begrabung der Universität erstreckt sich nicht nur auf Bildungs- und Wissenschaftsideale, sondern auch auf die institutionellen Funktionsbedingungen: Es sei „ruinös“, Leistungskriterien „zu wesentlichen Kontroll- und Steuerungsinstanzen für den gesamten Universitätsbetrieb zu machen“ (Schmoll 2009). Jürgen Mittelstrass (2009) beklagt weitergehend, dass inhaltsfreie Formalindikatoren, wie etwa der „Science Citation Index“, zu einem „akademischen Delphi“ geworden seien. Christian Baldauf (Vorsitzender der CDU Rheinland-Pfalz) äußert sich folgendermaßen: „Die ‘Reform’ hat die Freiheit und Autonomie der Universitäten bis hin zu den studiengangspezifischen Curricula schlichtweg abgeschafft“ (Baldauf 2009). „Hinter dem Zauberwort LOM (leistungsorientierte Mittelvergabe) verbirgt sich ein zeitfressender Moloch, der Wissenschaftler von Forschung und Lehre abhält und sie als Gutachter durch das Land jagt, um den immerwährenden Kreislauf der Evaluation aufrechtzuerhalten“ (Schmoll 2009). Für Jürgen Kaube (2009) drängt sich der Eindruck auf, „Bologna sei vor allem eine Riesenbürokratie und eine Mogelpackung“. Als Ziele der Reform wurden verkündet: Vergleichbarkeit der Abschlüsse, Kompatibilität der Studienmodule, Verringerung der Abbrecherzahlen, Verkürzung der Studiendauer, mehr Berufsnähe. „Davon stimmte fast nichts“, so Kaube. Erst nach Jahren würden die berühmten „handwerklichen Fehler“ eingeräumt. Es werde nun davon geredet, dass Studiengänge erst „studierbar“ gemacht werden müssten (Kaube 2009a). Die brandenburgische Wissenschaftsministerin Johanna Wanka (CDU) habe „die Frechheit zu behaupten, die Reform habe es ‘ermöglicht, das Studium individueller zu gestalten’„ (Kaube 2009). Der Deutsche Hochschulverband (DHV) nennt die Hochschulreform eine „traurige Mogelpackung“ (Bologna-Schwarzbuch), eine „Organisationsform der Ineffizienz“, „eine akademische Illusion“ (siehe: Balzter 2009).

Bis in die höchsten Posten der politischen Verantwortlichkeit wird also zumindest die Umsetzung der Bologna-Reform als problematisch angesehen. Auch wenn an der ‘Idee’ der Reform zwar meist festgehalten wird, gestehen doch selbst radikale Reform-BefürworterInnen ein, dass es zu ‘handwerklichen Fehlern’ gekommen sei. Verhalten äußern sich nur noch diejenigen, deren Staats- und Reformnähe sie zu Apologie und Gehorsam bringt und jene, die die neoliberale Weltanschauung dermaßen verinnerlicht haben, dass sie sie grundsätzlich auf alle Lebensbereiche übertragen.

Erste Korrekturen an der Reform sind nun auf den Weg gebracht, zur Beruhigung wurde Weiteres angekündigt. Für HochschullehrerInnen wie Hartwin Brandt (2010) jedoch sind die angesichts der Probleme und Proteste nun offiziell geäußerten „Verlautbarungen, Willensbekundungen und Gipfeleinladungen“ lediglich „als reine Heuchelei zu bezeichnen“. Brandt steht stellvertretend für viele HochschullehrerInnen, für die die „unterfinanzierte und konzeptionell verfehlte Bologna-Reform [...], ein zum bürokratischen Monstrum verkommenes Zwangsmittel geworden“ ist. Gerade die „Vorgaben von oben“ machen für ihn den Kern der Reformdefizite aus.

Der Rechtswissenschaftler Peter-Alexis Albrecht (Universität Frankfurt) berichtet in einem bemerkenswertem Akt bürgerlicher Zivilcourage aus dem praktischen Lehrbetrieb. Er spricht von Frontalunterricht, dem „Korsett des zwanghaften Schnellstudiums“ ebenso wie von chronischer Unterfinanzierung, einer „unerträgliche[n] Mangelsituation in Forschung und Lehre“, einer reduzierten Besoldung, die dank Leistungsorientierung in Anpassung ende. Mit dem „‘Unternehmen’ Universität“ verkomme das „Ideal der Einheit von Forschung und Lehre zum Eventmarketing“. „Falsche hierarchische Führungsstrukturen machen den dezentralen Suchprozess der Wissenschaft zu einem untauglichen Befehlsprodukt. Allein die Marketing-Interessen der Universität zählen, für den einzelnen Wissenschaftler zahlt sich primär Unterordnungsbereitschaft aus.“ Albrecht beklagt, dass es „den Hochschullehrern an Courage zum verweigernden Protest mangelt“ (Albrecht 2009).

Steinert (2009) hält in punkto der bereits erweiterten ‘Effektivität’ der Universität fest: „Es ist tatsächlich ein schöner Rationalisierungserfolg gelungen: Wir haben im Lauf von zehn/fünfzehn Jahren einen Zustand erreicht, in dem wir bei gleich bleibendem bis sinkendem Personal mehr als doppelt so viele Studierende ‘durchschleusen’ [die Zahl bezieht sich auf den Fachbereich Gesellschaftswissenschaften]. Mit anderen Worten: Mein Fließband läuft heute mindestens doppelt so schnell wie seinerzeit – und das wird auch für unsere NachfolgerInnen so bleiben, nur bei deutlich verringertem W2/W3-Salär mit einem ‘leistungsabhängigen’ Anteil.“

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die Hochschulreform im Wesentlichen in zwei Hinsichten kritisiert wird: Sie behindere Bildungsprozesse und sei, selbst auf ihre eigenen Zielvorgaben bezogen, ineffektiv. Vor allem auch in der FAZ war der Kampf gegen die Hochschulreform über weite Strecken eine Sache der Gerechten. Sogar der Bildungsstreik findet hier zunächst gemäßigt Anerkennung: „Die Studenten haben schon aus schlechteren Gründen gestreikt“, so Kaube (2009). „Die Studierenden formieren sich zum Protest. Endlich!“ (Albrecht 2009). Schmoll (2009a) sieht „[i]m Unterschied zur Studentenrevolte Ende der sechziger Jahre [...] jetzt Studenten und Hochschullehrer vereint in ihrer Kritik am System“.

Das alles sieht zunächst nach einer breiten Einheitsfront gegen die Bologna-Reform aus. Die Motive, die hinter dem jeweiligen Protest stecken, sind jedoch höchst unterschiedlich. Dass die FAZ den Verlust der Universität beklagt, ist u.a. aus den gleichen Motiven gespeist, wie ihre Klage über den Verlust des Gymnasiums. Schmoll (2010) beispielsweise schwadroniert weiterhin im Geiste des althergebrachten Begabungsglaubens und wundert sich, dass ihre Einstellung als elitistisch gekennzeichnet wird. „Der Staat kann nicht ‘begaben’, er kann und muss die Voraussetzungen dafür schaffen, dass sich Begabungen unabhängig von Milieus entfalten können.“ Dann folgt bei Schmoll ein Lamento über die Benachteiligung der Begabten im staatlichen System des sozialen Umverteilungswahns. Die im Bildungswettbewerb zurückbleibenden Individuen werden in die Verantwortung genommen: „Die Bereitschaft, sich anzustrengen, können jedoch keine Schule und keine sozialstaatliche Fürsorge dem Einzelnen abnehmen. In den sogenannten bildungsarmen Schichten fehlt es häufig an dieser Bereitschaft.“ Anschließend werden die armen Kleinen wiederum durch ihr bildungsarmes Elternhaus entschuldigt, in welchem sie statt Zutrauen nur den „Glauben an die Unabwendbarkeit des Scheiterns“ mit der Muttermilch aufsaugten.

Mit der Forderung, Bildung als die freie Entwicklung der natürlichen Anlagen des Menschen einzurichten, streift Schmoll den aufklärerischen Diskurs. Will sie nun, dass der Staat die Kinder aus den elterlichen Milieus entfernt (jedoch nicht weil die Milieus unaufgeklärt sind, sondern weil sie nicht leistungsbereit sind), oder will sie die private Erziehung und die Autonomie der Bildung gegenüber dem Staat? Sie scheint einen Mittelweg zu wählen, bei dem die bildungsarmen Schichten ihrem (natürlichen?) Schicksal überlassen bleiben und die Benachteiligten (die Begabten) zumindest von staatlicher Umverteilung verschont bleiben. Hier zeigt sich der bildungsbürgerliche oder bildungselitistische Hintergrund der konservativen Kritik an der Hochschulreform.

Zurück zur vorgetragenen Reform-Kritik: Schmoll, Mittelstrass und andere VerteidigerInnen der Bildung beklagen den Verlust dieser und betonen die individuelle Freiheit als notwendiges Moment jeglicher Bildungsprozesse. „Lasst die Köpfe frei!“ (Mittelstrass 2009). „Unter dem Deckmantel der Autonomie verengen sich Freiräume zusehends“ (Schmoll 2009).10 Die Studienreform sei ein „Maßnahmenbündel, das den Studenten vielerorts jede Studienfreiheit nimmt. Und damit die Freude am Studium.“ (Kaube 2009). Die Hatz, „Punkte zählend von Pflichtveranstaltung zu Pflichtveranstaltung“, zu eilen, lasse „wenig Zeit [...] zum Nachdenken“. „Zielstrebigkeit ohne Umwege und Sackgassen. Neugier, Erkenntnisinteresse, selbständiges Denken – also alles, was höhere Bildung ausmacht“ (Schmoll 2009), blieben mit der Hochschulreform auf der Strecke. Es würde derzeit alles getan, um „die Lust an der Wissenschaft auszutreiben“ (Mittelstrass 2009).

Ganz im Sinne Humboldts wird auch am Unterschied von Universität und Schule festgehalten. Kaube spricht von „einer Verschulung am Gängelband der Studienordnungen“ (Kaube 2009). „Das Paradigma Universität ist“, so Mittelstrass, „dem Paradigma Schule gewichen, der wissenschaftliche Verstand hat seine Selbständigkeit an den prüfenden und verwaltenden Verstand verloren“. Die Umsetzung der Hochschulreform gleiche in Deutschland einer „bis zum Exzess getriebenen Schulmeisterei“ (Mittelstrass 2009).

Auch für Mittelstrass erstickt Bildung in einem „starren System von Regulierungen“. „Marterwerkzeuge wie Modularisierung, Zertifizierung, Akkreditierung haben die Herrschaft übernommen.“ Mit dem, was funktionalistisch und unter Verwendung von Begriffen aus der Abnahmekontrolle in der Autoproduktion als „Qualitätssicherung“ bezeichnet werde, würde über Wissenschaft geherrscht (Mittelstrass 2009). Beck spricht von „McKinsey-Stalinismus“ (Beck 2010). Das „Reformestablishment“, das, so Kaube, keine „Anschauung von der Universität“ habe, wird als „kommissionstrunken“ und beherrscht von „Kontroll- und Effizienz-Phantasie“ beschrieben. Die Studienordnung sei ein „absurde[s] Regelwerk“. Die „Bildungsphase“ werde „mit der Jagd auf Punkte“ verbracht, „anstatt zu lesen, nachzudenken und kognitiven Interessen zu folgen“. Die Neuordnung des Studiums fordere „bulimische[s] Lernen, Verzweckung des Engagements und [eine] Mentalität des Sichdurchschlagens durch unverstandene Studienparcours“ (Kaube 2009). Ziel wissenschaftlicher Universitätsausbildung solle es dagegen sein, den Studierenden auch „analytische Kompetenzen, soziale Sensibilität, Perspektiven für gesellschaftliche Gesamtzusammenhänge und Kritikbereitschaft zu vermitteln“ (Albrecht 2009).

Schmoll beklagt: „Es sind nicht mehr Bildungsvorstellungen, die bei der Auswahl des Wissens und der Stoffe entscheiden, sondern vermeintliche Wettbewerbsvorteile. Das Studieren unterschied sich bisher vom schulischen Lernen durch größere Selbständigkeit, aber auch dadurch, dass es den Lernenden ein höheres Abstraktions- und Theorieniveau abverlangte. An die Stelle des Studierens ist der ‘workload’, die erwartete Arbeitsleistung des Studenten, getreten“ (Schmoll 2009).11 „Zudem ist das neue Leitbild der standardisierte Student als passgenauer Werktätiger, dessen ‘workload’ sich kollektivistisch und unabhängig von seinen Fähigkeiten in Zahlen abbilden lässt – genauso wie seine Studienleistungen, die heute ökonomistisch in ECTS-Punkten ermittelt werden. Seine ‘Ausbildung’ ist stromlinienförmig vorgedacht und schablonenartig vorgegeben. Wissenschaftlich-kreatives Studieren, das auf Selbstorganisation und Selbstverantwortung basiert und eine menschliche Reifung mit einschließt, ist in der restlichen, nicht durchgeplanten Zeit kaum noch möglich“ (Baldauf 2009). Wolfgang Fach (2010) fragt: „Wer vermag denn mit hinreichender Autorität anzugeben, welches Wissen entweder ganz wegfallen oder auf später verschoben werden kann? Bologna hat da seinen blinden Fleck, von Anfang an.“

Bildung oder Ausbildung

Es zeigt sich, dass sich auch durch die derzeitigen Auseinandersetzungen über die Hochschulreform eine altbekannte Dauerkontroverse zieht. Bereits Schleiermacher bezeugt diesen Konflikt: „Ja, wo ein Staat die Universitäten, den Mittelpunkt, die Pflanzschule aller Erkenntnis zerstörte, und alle dann nur noch gleichsam wissenschaftlichen Bestrebungen zu vereinzeln und aus ihrem lebendigen Zusammenhang herauszureißen suchte: da darf man nicht zweifeln: die Absicht oder wenigstens die unbewußte Wirkung eines solchen Verfahrens ist Unterdrückung der höchsten freiesten Bildung und alles wissenschaftlichen Geistes, und die unfehlbare Folge das Überhandnehmen eines handwerksmäßigen Wesens und einer kläglichen Beschränktheit in allen Fächern“ (Schleiermacher 1808: 190).

Seit es Bildung gibt, werden zwei Prinzipien – ‘Bildung’ und ‘Ausbildung’ – mehr oder weniger abstrakt gegeneinander diskutiert. In schöner Regelmäßigkeit übernimmt eine Seite die Diskurshoheit und wird in der nächsten Bildungs-Konjunkturphase von der Gegenseite abgelöst (siehe: Huckenbeck 1993). Setzt die derzeitige Reform, wie alle staatlich initiierten Reformen seit Humboldt, auf eine Stärkung des – im weitesten Sinne – Ausbildungscharakters des Studierens, so rekurriert die bildungsbürgerliche Öffentlichkeit, die PrivilegienverwalterInnen der Hochschulen selbst und auch eine ModernisiererInnenfraktion innerhalb der Wirtschaft auf – im weitesten Sinne – Bildungskompetenzen. Die ‘universitas’ steht gegen funktionale Spezialisierung (siehe: Bruch 1999). Der/die universell gebildete BürgerIn gegen den/die Fachidioten/in.

Eindeutig zielt die neuere Hochschulreform auf den verstärkten Ausbildungscharakter des Studiums. Ausbildung bedeutet die angeblich praktischere Qualifizierung für den Beruf, neudeutsch: Employability, den Verzicht auf vermeintlich überflüssigen Ballast an Bildungsinhalten und an Reflexion. Wissenschaftlichkeit ist nur für eine kleine Elite vorgesehen. Studium ist lediglich die Vorstufe der noch praktischeren betrieblichen Endausrichtung auf den konkreten Arbeitsplatz. Nach dieser Ausbildungsideologie soll Universität verfahren, wie eine verlängerte Schule, was sich dann auch in ihren Methoden zeigt: vorgegebene Stundenpläne, Frontalunterricht in großen Vorlesungen, dauernde Überprüfung von Lernpäckchen, entsprechendes ‘teaching to the test’, etc. Diese Ausbildungsideologie glaubt, Lernziele, -wege und -erfolge eindeutig und allgemeingültig angeben zu können. Sie meint, jegliche Ausbildungsprozesse planen und effizient auf den aktuell markterforderlichen Zielpunkt ausrichten zu können. Sie scheitert regelmäßig mit diesem Programm.

Auf der anderen Seite, der Seite der emphatischen oder allgemeinen Bildung, wird die Relevanz sogenannter ‘Schlüsselqualifikationen’, der Problemlösungs-Kompetenzen, der Flexibilität, Teamfähigkeit, Kreativität, etc. ins Zentrum gerückt. Diese Seite hält in Bezug auf die Universität an der Anbindung an Wissenschaft eher fest. Sie hält an der Notwendigkeit fest, Freiräume für Bildungsprozesse zu schaffen. Bildung in diesem emphatischen Verständnis ist nichts, was über Zwang und Druck zu erreichen wäre.

Beide Seiten des Bildungs- und Ausbildungsprozessen sind jedoch schwerlich zu trennen. Selbst krudeste Ausbildungsprozesse sind oft mehr als Konditionierung und bedürfen daher eines Minimums an eigenständigem Denken, Reflexion etc. Umgekehrt ist auch Bildung an den Hochschulen, selbst wenn sie weitestgehend nur Selbstzweck wäre, immer an die Vorstellung eines gesellschaftlichen Bedarfs, einer – wenn auch abstrakten – Nützlichkeit für die Gesellschaft gekoppelt. Jede Seite würde der anderen wohl eine gewisse Berechtigung zugestehen. Die Gewichtungen jedoch sind dauerhaft umstritten. Beide Seiten gleichen sich aber auch, insofern sie Bildung immer in Bezug auf die Erfordernisse dieser unserer bürgerlichen Gesellschaft und ihrer Ökonomie ausgerichtet diskutieren. Es geht um die Frage: Wie sieht die beste Bildung für diese Gesellschaft aus? Gebildet wird das bürgerliche Individuum, der/die StaatsbürgerIn. Lediglich ausgebildet werden immer schon nur die unterständigen Funktionsdeppen, auf die die Bourgeois zurückgreifen, gerade auch wenn sie selbst bildungsmäßig zu ihnen zählen. Bildung gegenüber Ausbildung als die Konzeption auszugeben, die allein wirklich die Intention der Allgemeinheit abdeckt, erweist sich dabei als staatsbürgerliche Vereinseitigung. Bildung gegenüber Ausbildung als die Art individueller Qualifikation auszuweisen, die wahrhaft dem nationalökonomischen Wohle dieser Gesellschaft diene, bleibt eine ebenso verkürzte Position, wie die umgekehrte. Die nicht nur studentische Linke, die sich emphatisch auf Bildung bezieht, agiert oft zunächst im Schulterschluss mit den VerteidigerInnen feudaler Residuen und des Bildungselitismus sowie den bürgerlichen ModernisiererInnen, für die Bildung eine im Konkurrenzkampf unabdingbare Fähigkeit zur Flexibilität und Innovation bedeutet. Sie vermutet aber auch nicht ganz zu Unrecht in den Gestaltungsspielräumen, die eine emphatische Bildungskonzeption notwendig offen lassen muss, die Bedingung der Möglichkeit tendenziell selbstbestimmter Lernprozesse innerhalb des Systems Universität. Damit ist jedoch noch nichts über Inhalt und Reichweite dieser Lernprozesse gesagt.

Zu Ende war es mit den Humboldtschen Idealen freier Bildung spätestens da, wo der Bedarf an Ausgebildeten stieg. Der Wechsel von Verknappung und Überfüllung der Universitäten gehört, genauso wie die Klagen darüber, zur Universitätsgeschichte seit dem 19. Jahrhundert.12 Die heute beklagte unternehmerische Universität ist die Folge einer bürgerlichen Universitäts- und Wissenschaftsorganisation, die auf Effizienz im bourgeoisen Sinne zielt. Diese Entwicklung beginnt gleichzeitig mit der Humboldtschen Reform und der Formulierung des nie erreichten Humboldtschen Universitätsideals. Die gegenwärtigen Entwicklungen und Reformen ähneln nicht ohne Grund jenen der 1960/70er Jahre, in denen die Öffnung der Universitäten betrieben wurde. Die Universitäten müssen den politisch gewollten Anstieg der Studierendenzahl bewältigen (‘Massenuniversität’) und sie sollen dies, ohne mehr Kosten zu verursachen. Zugleich hat sich der Bedarf an gebildetem Material offensichtlich verändert. Statt wissenschaftlich Gebildeten wird eine größere Anzahl von Personen benötigt, die lediglich über mittlere Kompetenzen und Fertigkeiten verfügen müssen. Die in dieser Weise Ausgebildeten beenden ihr Studium früher, sind flexibler einsetzbar und kostengünstiger. Das Ausbildungssystem muss sich auch in dieser Hinsicht durch Ausdifferenzierung der Ausbildungsangebote und -abschlüsse dem ebenso ausdifferenzierten, nachfragenden ökonomischen System anpassen.

Dass sich die Universitäten den ‘Massen’ öffnen mussten, brachte weitere Probleme. Fortan stand die Ausbildung der ‘Massen’ einer über die Bildungssysteme gesteuerten Reproduktion von Herrschaft und der Elitebildung entgegen. „Die Notwendigkeit akademischer Massenberufe erfordert eine zusätzliche Selektion, um das gefährdete Herrschaftsverhältnis wiederherzustellen. Nur wenige sind zu Höchsten berufen.“ (Heydorn 1972: 144; vgl. Steinert 2009b: 10) Ein verändertes System der Selektion müsse deshalb nun an die Stelle des alten treten. Elitensicherung kann entweder über die Einrichtung privater Bildungsinstitutionen erfolgen, oder es müssen neue Mechanismen der Selektion innerhalb der Universitäten greifen. Heinz J. Heydorn hoffte dagegen, dass mit der Öffnung der Universitäten sich die emanzipatorische Dynamik der Bildung ausbreiten könnte. „Der Kapitalismus wird in einen tödlichen Widerspruch gezwungen: Er muß die Bildung der Massen heben und zugleich dafür Sorge tragen, daß sich diese Bildung nicht in eine umfassende, befreiende Erkenntnis umsetzt“ (Heydorn 1969: 51). Festzuhalten bleibt, dass letzteres dem Kapitalismus u.a. durch Privatisierung (Outsourcing) von Elite-Ausbildung, Verschulung und neue Selektionsmechanismen (Studiengebühren etc.) bis heute recht gut gelingt.

‘Wissenschaft’ und wissenschaftliche Bildung soll, selbst in der rudimentären Form, wie sie sich noch an den Universitäten findet, von der ‘Massenausbildung’ abgekoppelt und der Elitenausbildung zugeordnet werden. Der Zusammenhang von Bildung und Wissenschaft ist auch in dieser Hochschulreform dem Anspruch nach aufgegeben. „Nicht mehr Bildung durch Wissenschaft [...], sondern Ausbildung im Schatten der Wissenschaft“ (Mittelstrass 2009), ist die herrschende Linie. Die ‘forschende Universität’ sei, so Mittelstrass, inzwischen sowieso ein „Humboldt-Mythos“.

Mit der gerade auch im Rahmen der neusten Hochschulreform forcierten ‘Ökonomisierung der Bildung’ scheint in der Bildungs-Orientierung einiges durcheinandergekommen. Die Bildungsindividuen werden gezwungen und tun dies z.T. freiwillig, sich so zu verhalten wie Marktindividuen, die darauf achten, dass sie effizient und wettbewerbsorientiert studieren. Selbständigkeit und Abstraktionsfähigkeit müssen dazu immer nur soweit eingebaut werden, als es die vermutete Nachfrageseite auf dem Arbeitsmarkt von der von ihr zu erwerbenden Ware erwartet. Dass sich dabei auch die Nachfrageseite durchaus über ihre Bedarfe täuschen kann, macht die Sache komplizierter. Die Marktwirtschaft wird zur ‘Lebensform’ und löst nun auch die ‘Lebensform’ ab, die bisweilen noch in den illusionären Universitätsvorstellungen zu finden war. „Mit der Idee der europäischen Universität war ursprünglich keine Institution, sondern eine eigene Lebensform verbunden. Die Mantras der Bologna-Studiengänge klingen jedoch ganz anders: schnell, straff, praxisbezogen und interdisziplinär. An die Stelle von Erkenntnisprozessen mit ungewissem Ausgang sind Berufsorientierung und Reproduktion getreten, die sich in einem uniformierten Einheitsenglisch ausdrücken und damit Internationalität vorgaukeln“ (Schmoll 2009). Schmoll vergisst dabei, dass Berufsorientierung und Reproduktion nicht erst seit gestern Ziele der Universität sind und dass auch Bildung immer nur in Bezug auf diese Realität hat und hatte. Was genau diese Berufsorientierung ausmachen soll, bleibt jedoch auch weiterhin unklar. „Eigentlich war daran gedacht, dass der Hinweis auf employability weiterhelfen würde. Doch niemand hat bisher irgendwelche ernsthaften Gedanken darauf verschwendet, was darunter zu verstehen sei. Am allerwenigsten kümmern sich jene Kreise darum, deren Interesse eigentlich bedient werden soll. Bis heute schwadroniert eine desorientierte Wirtschaft ahnungslos ins Blaue“ (Fach 2010).

Mit der Bologna-Reform soll angesichts eines globalen Effizienzwettbewerbs ein einheitliches europäisches Bildungssystem geschaffen werden. Insofern geht es darum, Reibungsverluste bei der Produktion der Ware Arbeitskraft zu minimieren. Ein europäisch normiertes Bildungssystem soll dazu die notwendige Kompatibilität und Vergleichbarkeit ermöglichen. Letzteres ist auch wesentlich für den zugleich angestrebten, leistungsfördernden Wettbewerb innerhalb des Bildungssektors. Denn zugleich mit der Vereinheitlichung der Bildungssysteme wird, ganz in der Logik marktwirtschaftlicher Politik, die weitere Transformation des Bildungssystems von einer staatlichen Infrastrukturleistung zu einem marktwirtschaftlich geregelten und betriebswirtschaftlicher Logik gehorchenden Bereich (weiter) betrieben. Darin unterscheidet sich der Bildungsbereich nicht von vielen anderen staatlich regulierten Bereichen. Das wirtschaftliberale Verständnis von Autonomie bezieht sich dementsprechend auf die Freiheit des Bildungssektors vom Staat und die Freiheit, auch in diesem Sektor den ‘marktwirtschaftlichen’ Prozessen freien Lauf zu lassen – nicht etwa auf Wissenschaftsfreiheit und Bildungsprozesse.

Die real existierende Reform hat jedoch leider zum geraden Gegenteil von effizienzmehrender Vereinheitlichung geführt. Es „blüht der Provinzialismus“ (Schmoll 2009), es herrscht ein „Wildwuchs standortspezifischer Regulierungen“ (Mittelstrass 2009). Steinert (2009b: 19) spricht von dem Irrtum, „die Module seien tatsächlich an den verschiedenen Universitäten identisch“. Die autonomen Hochschul-Einheiten machen nun das, was sie nach marktwirtschaftlicher Logik tun sollen: Sie konkurrieren, und dies bedeutet auch, dass sie je eigene und unverwechselbare ‘Bildungsdienstleistungen’ anbieten müssen. Der Markt droht, gerade erst in Ansätzen etabliert, aus den Fugen zu geraten, und sogleich wird – konsequent – die Forderung nach zentraler staatlicher Regelung erhoben.

Ware Bildung

Mit der Bologna-Reform und aufgrund der „zunehmenden Ökonomisierung aller universitären Verhältnisse, der allmählichen Ersetzung der akademischen Republik durch den Markt“ (Mittelstrass 2009) werden scheinbar alle Bildungswelten auf die Füße gestellt. Blicken wir nicht wehmütig zurück auf die utopische Insel-Republik Universität, sondern sehen wir einen Moment lang zu, wie es der Ware Bildung auf dem Markt ergeht.

Bildung ist zunächst nicht unmittelbar Ware, sondern eine Dienstleistung. Sie wird Ware aus der Sicht derjenigen, die diese Dienstleistung erbringen, sie für den Markt produzieren. Stellen wir uns Bildung einen Moment lang als einfache, dingliche Ware vor: ein arbeitsteilig und zunehmend tayloristisch-industriell hergestelltes Bildungsfluidum, das auf dem Bildungsmarkt angeboten und von bildungshungrigen und zahlungskräftigen NachfragerInnen gekauft wird. Konsumiert wird das Bildungsfluidum mittels eines Trichters, über den es in den dafür vorgesehenen Hohlraum der Bildungshungrigen gegossen wird. Damit das Produkt sich absetzt, damit die herstellende Firma auf dem umkämpften Bildungsmarkt reüssieren kann, muss das Produkt – wie alle Produkte – ‘etwas ganz Besonderes sein’. Das Produkt darf nicht planwirtschaftlich einheitlich und uniform aussehen, es muss seine Besonderheit und Einzigartigkeit herausstellen. Es muss zudem einen Nutzen zumindest vorgaukeln und damit ein gesellschaftlich vorhandenes Bedürfnis befriedigen.

Dem steht auf Seiten einer gesamtwirtschaftlichen Notwendigkeit der Ruf nach Kompatibilität der Bildungs-Bausteine, der Bildungspäckchen, der Module entgegen, über die ein reibungsloses Austauschen und Produzieren auf (zumindest) dem europäischen Binnenmarkt gewährleistet werden soll. Das Modul A aus Portugal muss zu dem Modul B aus Finnland passen, um abschließend mit dem deutschen Modul C verbunden werden zu können. Es werden einheitliche Industriestandards benötigt. Dazu ist jedoch zentrale staatliche Regelung und Überwachung erforderlich. Die Freude über die Autonomie gegenüber dem Staat erweist sich gerade auch aus dieser Perspektive als verfrüht.

Die Studierenden wären die KäuferInnen dieses Bildungsfluidums, das ihre eigene Ware, ihre Arbeitskraft aufwerten soll. Die Hoffnung ist, dass ihre eigene Ware Arbeitskraft, zu Markte getragen, durch die Einnahme des Bildungsfluidums einen höheren Preis erzielt – in diesem Sinne eine echte Spekulation auf die Zukunft. Die ‘Ware’, wie sie (spätestens) mit der Universitätsreform angeboten wird, kann jedoch die KundInnen nicht recht befriedigen. Statt eines qualifizierten Studienabschlusses bekommen sie in der Mehrzahl ein BA-Zertifikat, das auch offiziell eine ‘Bescheinigung des Studienabbruchs’, also des Scheiterns genannt wird. Bis der Studienabschluss erreicht ist, haben sich die Studierenden mit den chaotischen Zuständen ihres Ausbildungsbetriebs auseinanderzusetzen und mit dem Bedienen formaler Leistungsnachweise, die allmählich jeglichen Inhalt ersetzt haben. Das ihnen aufoktroyierte Portfolio ist (nicht nur für sie) alles andere als effizient und nachhaltig ausgerichtet. Individuelle Diversifikation wird über die Verschulung verunmöglicht. Die Bildungsware ist in vieler Hinsicht entwertet.

Dass es vielen Studierenden selbst nicht um Inhalte, sondern nur um die papierenen Zertifikate geht, ist auch das Ergebnis der systemimmanenten Konditionierung. Die Orientierung richtet sich auf die nur formale Seite, also auf den bloßen Hinweis auf die gesteigerte Gebrauchswerteigenschaft gerade dieser Ware Arbeitskraft. Der Hinweis muss nur als Bildungsetikett auf der Oberfläche kleben. Spätestens wenn Abschlüsse nur mehr käuflich erworben würden, wäre diese Logik am Ende. Auch um dies zu verhindern, bedarf es der staatlichen Kontrollen im Interesse der Nachfragenden.

Aber auch in anderer Beziehung ist die heile Marktwelt noch gestört: Die NachfragerInnen verfügen i.d.R. nicht über die notwendigen Ressourcen und Marktfreiheiten, um das Bildungsfluidum marktregelgerecht überhaupt nachfragen zu können. Sie sind eher gezwungen, um ihr Bedürfnis nach Ausbildung zu befriedigen, auf bestimmte, vorgegebene Angebote zurückzugreifen, die ihnen ein (immer noch) staatlich angeleitetes Angebotskartell als Infrastrukturleistung (ggf. nach Zahlung einer gewissen Kostenbeteiligung) anbietet. Schlimmstenfalls bekommen sie das Produkt zugeteilt und werden über weitere, i.d.R. der gewünschten Ausbildung äußerliche Kriterien (NC etc.) selektiert. Der Staat müsste, sollen Marktbedingungen herrschen, den Bildungsberechtigten zunächst die Summen für den Kauf der Bildungsdienstleistung frei zur Verfügung stellen. Für Medizinstudierende z.B. wären dies ca. 30.000 Euro pro Jahr. Für Studierende der Rechts-, Wirtschafts-, oder Sozialwissenschaften lediglich zwischen 1.700 Euro (FH) und 2.100 Euro (Uni).

Wie wenig hier der Markt allein herrscht, zeigte sich zuletzt auch an der Vorstellung, die AnbieterInnen sollten (mittels ihrer Angestellten wie z.B. der ProfessorInnen) ihre Ware als Privileg (ordentliches Aussehen, Diener und Knicks werden hier relevant werden) vergeben können.13

Es zeigt sich, dass die universitäre Bildung/Ausbildung ihren Warencharakter eben noch nicht gefunden hat. Ob es ihr je gelingen kann, ist zu bezweifeln. In vielen anderen Bereichen des Ausbildungssektors sieht es da besser aus (Nachhilfe, etc.).

Das Bildungssystem erscheint seltsam unfertig, die Universität ist nicht mehr nur staatlich angeleitete Anstalt, aber auch keine rein privatwirtschaftliche Ausbildungsfabrik. Die, die immer noch glauben, sie seien BürgerInnen einer gemeinsamen Republik, Personal wie Studierende, wähnen sich zugleich als Privilegierte und verteidigen z.T. ihre Privilegien (von der freien Bildung bis zur Freiheit der Professur) gegen jegliche ‘Modernisierung’, sei sie demokratisch oder ökonomisch.

Es zeigt sich zudem, dass das Bildungssystem auch in anderer Hinsicht seine Gestalt chamäleonhaft wechseln kann. Im einen Moment erscheint es als Marktgeschehen, mit den Studierenden als KundInnen, im anderen jedoch als die raue Wirklichkeit des Arbeitsmarktes und der Produktion. Hier werden Studierende zu Auszubildenden, die einen Ausbildungsplatz in der Universität als einer Vorfeldorganisationen der Produktion suchen. Bestimmte Fachbereiche sind bereits weitgehend in den privaten Produktionssektor integriert.

Die Studierenden sind weder Souverän als BürgerInnen der Republik des Geistes noch als marktmächtige NachfragerInnen. Das Gerede von KundInnen und Ware erweist sich als ideologisch. Die Frage, ob Bildung/Ausbildung marktvermittelt als Ware oder staatlich als Infrastrukturleistung angeboten wird, muss vor dem Hintergrund behandelt werden, dass die Nachfrage nach der Ware Bildung/Ausbildung immer abhängig ist von der nach Arbeitskraft. Wird die Universität zum staatlich oder privat geleiteten ‘autonomen’ Unternehmen, verliert der Staat sukzessiv die Möglichkeit, diesen Bereich dem direkten Einfluss der Wirtschaft zu entziehen und nachhaltigere Prinzipien der Organisation zur Geltung zu bringen.

Die Universitäten sind und bleiben eingespannt zwischen staatlicher Regulierung und den Reproduktionserfordernissen der Ökonomie. Dass sie inzwischen auf markt-ökonomische Art reguliert werden sollen, macht sie zu Veranstaltungen eines ‘gemischten Wirtschaftssystems’. Dies ist die Folge jener Entwicklungen, die als ‘Entstaatlichung’ der öffentlichen Sektoren mit der reellen Durchsetzung bürgerlicher Verhältnisse einhergehen.

Die Humboldtsche Universität musste gegen die mittelalterliche und feudal-absolutistische durchgesetzt sowie vor dem absolutistischen Staatszugriff geschützt werden (siehe dazu bereits: Kant 1798). Hier liegt der Grund der Autonomieforderung. Nach Schleiermacher trachten die Universitäten nach der Unabhängigkeit vom Staat und sehen es „als die vorteilhafteste Lage“ an, „wenn sich der Staat in ihre Verwaltung wenigst möglich einmischt“ (Schleiermacher 1808: 171). Aber nach welchen Prinzipien verwalten sich dann die Universitäten? Nach denen der Wahrheit und reinen Wissenschaft? Dies Prinzip hat sich als wenig operationalisierbar erwiesen, ihm bleibt nur die ideologische Rolle der Legitimation. Als Humboldt die Idee der autonomen Republik des Geistes zeichnete, war deren Schicksal bereits besiegelt. Die Aufgaben der Universität sind offensichtlich nicht einfach mit den wechselnden, kurzfristigen und beschränkten Zielen der Sphäre privatwirtschaftlicher Unternehmungen in Einklang zu bringen. Insofern bedarf es der Leitung durch den Staat, einer organisatorischen Rahmensetzung für den Bildungs-/Ausbildungs- und Wissenschaftsbetrieb. Dies um so mehr, als es sich in der Tat bei Bildung und Ausbildung um schwer bestimmbare Produkte handelt.

Steuerung und Ökonomisierung des Bildungssystems

Wendete sich die Bildungs-Reform und das liberale Denken zu Humboldts Zeiten noch gegen einen feudal-absolutistischen Staat, der ihnen als BürgerInnen nicht geheuer sein konnte, so musste sich diese Orientierung mit der Etablierung bürgerlich-republikanischer Staatsformen wandeln. Entdeckt werden nun zusehends die staatlichen Steuerungspotenzen. Diesbezüglich ist daran zu erinnern, dass nicht nur die Debatte um Bildung, sondern auch die um die Steuerung des Bildungssystems eine lange Tradition hat. Steinert meint, dass Hochschulen mit Gefängnissen darin übereinkommen, dass in beiden Institutionen die Reform kein krisenhafter Ausnahmezustand ist, sondern zu ihrem normalen Funktionieren gehört (Steinert 2009: 4). Die Reform ist das, was alle paar Jahre von neuem über die Institution hereinbricht.

Joachim Hirsch beschreibt 1970 den Prozess der Wissenschaftssteuerung wie folgt: Die „flexible Anpassung der Organisationsformen und Inhalte von Erziehung und Ausbildung an die sich verändernde Produktionstechnologie [wird] zur entscheidenden Voraussetzung für das wirtschaftliche Wachstum [...] Im Zeichen dieser Entwicklung werden abstrakte Bildungsideale immer deutlicher von im weitesten Sinne ‘praxisorientierten’ Ausbildungszielen verdrängt. Offen sichtbar ist die Tendenz, den Output des Erziehungs- und Ausbildungssystems möglichst nahtlos den Bedürfnissen der kapitalistischen Ökonomie anzupassen. Dies wird um so schwieriger, je komplexer und variabler diese Bedürfnisse werden und je mehr der wachsende Bedarf an wissenschaftlich qualifiziertem Personal eine kostensparende ‘Rationalisierung’ des gesellschaftlichen Ausbildungsbetriebs zu erzwingen scheint“ (Hirsch 1970: 113f.). Hirsch beschreibt den andauernden Prozess der Anpassung bürgerlicher Einrichtungen wie des Bildungssystems und damit auch der Inhalte, die von diesem vermittelt werden, an den sich verändernden gesellschaftlichen Bedarf. Heydorn fasst den konservativen Charakter der Veränderung zusammen: „Eine unveränderte Gesellschaft hat sich den veränderten Bedingungen radikal angepasst“ (Heydorn 1972: 143). Dieser Prozess ist nicht stetig oder widerspruchsfrei, gehört aber notwendig zu einer sich immer wieder selbst revolutionierenden Gesellschaft. „Die Irrationalität der Wissenschafts- und Bildungspolitik in der Bundesrepublik ist keineswegs in erster Linie eine Folge technischer Unzulänglichkeiten und organisatorischer Fehlkonstruktionen [...] Gemessen an der immanenten Logik des [...] Kapitalismus in der gegebenen historischen Situation erscheint sie vielmehr notwendig“ (Hirsch 1970: 286).

Über die damaligen Aktivitäten des Wissenschaftsrats schreibt Hirsch: „Das eigentliche Schwergewicht lag indessen auf den als ‘Studienreform’ bezeichneten Bestrebungen, die Ausbildungskapazität der bestehenden Hochschulen durch Straffung des Studiums, verschärfte Selektionsmechanismen und die Beseitigung berufstechnisch ‘unnötiger’ Bildungsinhalte zu intensivieren. Die Tendenz, Leistungssteigerung um jeden Preis zu erzielen und die Universitätsausbildung zur Produktion vornehmlich berufsbezogener Spezialisten degenerieren zu lassen, ist aus anderen als den eng verquickten industriell-bürokratischen Interessen kaum zu erklären“ (Hirsch 1970: 203). Der „vorläufige [...] End- und Höhepunkt“ dieser Politik sei mit den „Empfehlungen zur Struktur- und Verwaltungsorganisation der Hochschulen (1968)“ des Wissenschaftsrats erreicht (Hirsch 1970: 204). Der Vorsitzende des Wissenschaftsrats Hans Leussing beklagt auch zu dieser Zeit, dass das deutsche Bildungssystem nicht zu den Spitzenreitern in der Welt zähle, was jedoch allein „aus nüchternen Konkurrenzüberlegungen“ notwendig sei (Leussing nach: Hirsch 1970: 206).

Universitätsreformen erweisen sich als Moment eines dauernden Modernisierungsprozesses, unter der Maßgabe einer ökonomischen Konkurrenzsituation der Nation (des Standorts). Es sind Veränderungen, die sich seit dem 19. Jahrhundert beständig abspielen. Festzuhalten bleibt, dass nicht erst mit der neueren Verbetriebswirtschaftlichung des Bildungssystems ein äußerlicher Zweck an dieses angelegt wird. Das Bildungssystem war immer schon auf den Bedarf, die Reproduktion dieser Gesellschaft hin orientiert und zugleich an den staatlichen Finanzapparat, der das Bildungssystem unterhielt und dessen Denken angelehnt. Die Veränderungen im Bildungssektor erscheinen beständig als zunehmende „‘Privatisierung’ des Staatsapparates“ (Hirsch 1970: 286). Dies könnte als ein Versuch der Subsumtion des Bildungssektors unters Kapital begriffen werden.

Steinert nennt die aktuelle Universitätsreform eine der „Gegenaufklärung“. Auch in dieser Universitätsreform geht es um eine „Anpassung an die neue Produktionsweise des Neoliberalismus“, um die unerlässliche „Anpassung an den Weltmarkt“ (Steinert 2009b: 12, 18). Eine Reform, mit der einerseits im Bildungsbereich gespart und andererseits die Zahl der ausgestellten Zertifikate, der Durchsatz oder Output erhöht werden soll (Steinert 2009b: 12f.). Eine Reform, die die demokratischen Errungenschaften der Reformen der 1970er Jahre, so gering sie auch waren, zurücknimmt (Steinert 2009b: 4). Es geht dabei auch darum, den in den 1970er Jahren auch die Universitäten befallenden „‘linken Spuk’ abschließend zu einem einmaligen Anfall, der sich nicht wiederholen darf, zu erklären“ (Steinert 2009b: 6). Die Chancen, ein freieres, reflektierendes, kritisches Studium absolvieren zu können, verschlechtern sich offensichtlich seit Jahren zunehmend.

Angesichts dieser politischen Reinigung müssen die Herrschenden – in ihrem eigenen Interesse – an die Einsichten Kants (1798: 299, A 42) erinnert werden: „Die Klasse der obern Fakultäten (als die rechte Seite des Parlaments der Gelahrtheit) verteidigt die Statute der Regierung, indessen daß es in einer so freien Verfassung, als die sein muß, wo es um Wahrheit zu tun ist, auch eine Oppositionspartei (die linke Seite) geben muß, welche die Bank der philosophischen Fakultät ist, weil ohne deren strenge Prüfung und Einwürfe die Regierung von dem, was ihr selbst ersprießlich oder nachtheilig sein dürfte, nicht hinreichend belehrt werden würde.“

Jürgen Klausenitzer (2003) hat u.a. in seinem Bericht über Studien zur globalen Verbetriebswirtschaftlichung von Bildungssystemen die Auswirkungen des derzeitigen Reformprozesses analysiert. Mit der Einführung der Neuen Verwaltungssteuerung (NVS) wird zu einer output- bzw. ergebnisorientierten Steuerung von Bildungssystemen übergegangen. Bestimmend ist dabei die Vorstellung, Bildungsinstitutionen durch Wettbewerb zu größerer Effizienz und einer höheren Leistungserbringung bewegen zu können. Sie ist damit ein Kernstück neo-liberaler Strukturanpassungspolitik.

Es zeigt sich, dass Bildungsausgaben zwar in gewisser Weise gesamtwirtschaftlich als notwendig erscheinen, unter betriebswirtschaftlicher Perspektive aber als Kosten, und die gilt es immer zu vermeiden.

Bei der Restrukturierung des Bildungswesens „dominiert die neo-liberale Version veränderter Steuerungsregularien mit Betonung auf Einführung von Marktmechanismen, neuen Steuerungsmodellen in autonome(re)n Schulen und externe Kontrolle zur Steigerung von Qualität, Effizienz und Effektivität qua zentralbestimmter Performanz-Indikatoren. Der Staat steuert zunehmend aus der Ferne qua Indikatoren“. Autonomie der Hochschule gibt es also immer nur unter der Bedingung der externen Kontrolle. Finanz- und Managementkompetenzen werden an untere Verwaltungsgliederungen übertragen. Deregulierung und ‘Autonomie’ bedeuten also – auf den ersten Blick paradox – zugleich „Stärkung zentralstaatlicher Instanzen, vor allem im Bereich der Curricula und der Qualitätskontrolle“ (Klausenitzer 2003). Aus der Autonomie der Bildungsanbieter auf dem Bildungsmarkt folgt notwendig die Heterogenität und Heteronomie der Bildungsangebote und Abschlüsse. Es bedarf der Zentralgewalt des Staates, um wieder allgemeinverbindliche Kriterien (siehe: Zentralabitur etc.) zu etablieren. Autonomie führt hier zu einem Mehr an staatlichem Durchgriff. Das geht auch auf die Inhalte, d.h. die Kenntnisse, Fähigkeiten etc., die allgemein definiert werden müssen.

Die Reform macht das Bildungssystem teurer; das reicht von einem zunehmenden Verwaltungsaufwand bis zu Aufwendungen für Marketingstrategien. Vermeintliche Verwaltungsvereinfachungen erweisen sich als erweiterte Bürokratisierung durch vermehrte Prüfungsverfahren und nicht zuletzt durch das ausgeweitete System der Evaluierungen etc. Auch Mittelstrass sieht, wie oben angedeutet, die Bildung unter die Räder der „Evaluierungsmaschinerie“ kommen. Nebenbei wird mit der Evaluierung zudem ein Instrument implementiert, das sich hervorragend zur Kontrolle des Personals eignet.

Es zeigt sich hier ein weiterer Widerspruch der gegenwärtigen Reformen. Es wird einerseits behauptet, es gehe um Verschlankung und Effizienzsteigerung der Verwaltungen, andererseits wird der Verwaltungsaufwand stark erweitert (siehe: Steinert 2009b: 19). Das ist immer so, wenn Wettbewerb eingeführt wird (vgl. die Entwicklung im Gesundheitswesen).

An die „Stelle der Bereicherung von Möglichkeiten des Lernens tritt zunehmend die Orientierung an der Überprüfbarkeit der Leistungen (performativity)“ (Klausenitzer 2003). Darüber hinaus stellt sich mit der Outputorientierung das Problem: Wie ist der Bildungsoutput sinnvoll zu messen? „Statt des (Bildungs- und Erziehungs-) Prozesses tritt die Bedeutung des Ergebnisses (output rather than process) in den Vordergrund.“ Das Unterrichtsgeschehen wird auf Prüfungen hin orientiert (teaching to the test), das Curriculum wird in „konsumierbare[ ] Päckchen verschnürt“. Dies ist auch als eine Wiederkehr des „pädagogischen Traditionalismus und eine[s] reduzierten Professionalismus“ bei den Lehrenden zu kennzeichnen, „da offene, explorative und integrative Formen des Unterrichts durch stärker strukturierte und ergebnisorientierte verdrängt werden“. Die „Entwicklung ausgeprägter Kontroll- und Prüfungssysteme“, ein „an Kontrollinteressen entlang strukturierte[s] Bildungswesen[ ]“ reduziert Qualifikationen auf abfragbares Fachwissen und Sekundärtugenden (Auswendiglernen, Disziplin – u.a. auch Unsinniges auswendig zu lernen etc.) (Klausenitzer 2003). Solche Qualifikationen stehen nun wiederum anerkanntermaßen im Widerspruch zu den Bildungsanforderungen hochindustrialisierter Ökonomien im internationalen Standortwettbewerb. Dort geht es um eine Stärkung ihrer Humanressourcen durch Fähigkeit zu Problemlösungsverhalten, zu Transferleistungen, Teamarbeit, Flexibilität etc. Einerseits wird Flexibilität gefordert, andererseits „kann man Abschlüsse nur noch berufsförmig denken und will die Ausbildung [...] genau planen und möglichst schulisch durchorganisieren“ (Steinert 2009b: 13).

Die Marktkräfte führen zu verschärfter sozialer Selektion beim Zugang zu Bildungseinrichtungen. Es entwickelt sich ein Konkurrenzkampf um gute und d.h. auch wenig verhaltensauffällige Individuen. Mit ihnen stehen dann die Aufwendungen der Bildungseinrichtungen in einem günstigen Kosten-Nutzen-Verhältnis. Die relevanten Qualitätsindikatoren werden bedient und damit steigt der Platz im Ranking, der wiederum das Image und die ökonomische Potenz der Bildungseinrichtung verbessert (Klausenitzer 2003).

Warum entsteht ein System, das einerseits Bildung fördern soll, sie andererseits jedoch sabotiert? Warum scheint sich hier offenbar das System selbst entgegenzuarbeiten? Besteht der Bedarf an Bildung gar nicht? Oder ist das Interesse an Kontrolle und restriktiver Selektion, an Elitebildung größer, als die Bereitschaft, Bildungsprozesse auch nur in kleinen Dosen zuzulassen?

Bildungsprozesse stehen in dem Ruf, dass sie zumindest die Gefahr bergen, aus dem Ruder zu laufen. Dies könnte ein Aspekt der Antwort auf obige Fragen sein. Das Problem ist so alt wie die Bildung: Das ArbeiterInnenkind, das genötigt durch staatlichen Schulzwang Lesen und Schreiben lernt, könnte später diese Kenntnisse auch dazu benutzen, um (zumindest) sozialdemokratische Flugblätter zu lesen oder sogar eigene Resolutionen zu verfassen. In Bildungsprozessen liegt eine Bedingung der Möglichkeit, die eigenen Angelegenheiten in die Hand zu nehmen. Insofern trägt auch der unter bürgerlicher Oberaufsicht betriebene Bildungsprozess ein Moment der (möglichen) subversiven Gefahr in sich. Für das bürgerliche Verständnis gilt dann die Reflexion, die sich nicht auf die Apologie beschränken will, die Bildung überschreitet, die Eigenes einklagt und das Dargebotene am Ende noch kritisch verhöhnt, als undankbar. Bildung, das Ergebnis des Bildungsprozesses sowie das Benehmen seiner Subjekte gilt dann als ‘unmöglich’.

Die Bedingen für solche Potentiale des Bildungsprozesses haben sich weiter verschlechtert. Formen und Inhalte universitärer Bildung werden verändert: Überprüfbare Lerninhalte, Anwendungswissen statt Reflexionsperspektiven mit offenem Ausgang, also keine Wissenschaft, kein (notwendiges) Scheitern wird geduldet. In dem „Erziehung zur Mündigkeit“ übertitelten Radiogespräch vom 13.08.1969 führt Theodor W. Adorno (ehemaliger Professor an der Frankfurter Universität, dessen Theorietradition an dieser inzwischen ‘sinnlos zerstört’ worden ist) die Wirkung seiner „eigenen Sachen“ nicht auf Begabung, Intelligenz und dergleichen zurück, sondern sieht sie als Ergebnis einer „Reihe von Glücksfällen“, an denen er, wie er sagt, „ganz unschuldig“ sei. Er sei in seiner eigenen „Bildung nicht in derselben Weise den Kontrollmechanismen der Wissenschaft ausgesetzt gewesen [...], wie das sonst der Fall ist. Daß ich es also nach wie vor riskiere, ungedeckte Gedanken zu denken, die sonst von diesem übermächtigen Kontrollmechanismus, der da Universität heißt, den meisten Menschen schon sehr früh [...] abgewöhnt werden“ (Adorno 1970: 134f.).

Adorno rekurriert in diesem Gespräch auch auf Kant, dessen Feststellung, dass wir nicht in einem aufgeklärten Zeitalter, sondern in einem Zeitalter der Aufklärung uns befinden, wohl heute noch gilt. Überhaupt ist die bürgerliche Gesellschaft als die Gesellschaft der Aufklärung zu begreifen. Sie selbst strebt zur Aufklärung und untergräbt sie zugleich. Das ist sicher nicht als ein kulturpessimistischer Verfallsprozess zu sehen – zu dieser Sichtweise neigte die Kritische Theorie Adornos bisweilen –, sondern als ein widersprüchlicher Prozess von Anfang an. Da die bürgerliche Gesellschaft nie von selbst über den Status von Aufklärung und Ideologisierung hinauskommen wird, ist Aufklärung so zu vollenden, indem das bürgerliche Zeitalter aufgehoben wird.

Adornos Anliegen ist, Mündigkeit überhaupt erst herzustellen – und dies durchaus gegen die Institutionen dieser Gesellschaft, die die Menschen dazu anhalten, alles zu schlucken und zu akzeptieren. Bildungsinstitutionen können hier wohl nicht ausgenommen werden. Die „wirkliche Konkretisierung der Mündigkeit“ bestehe, so Adorno, in einer „Erziehung zum Widerspruch und zum Widerstand“ (Adorno 1970: 145).

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Anmerkungen

  1. Der Aufsatz gibt den Ereignisstand von Februar 2010 wieder. Alle fett gedruckten Hervorhebungen stammen vom Verfasser (T.G.).Zurück zur Textstelle
  2. Der von Poelzig entworfene Baukomplex der ehem. IG-Farben Verwaltung wird heute (incl. Casino) nach umfänglichen Restaurierungen von der Frankfurter Universität genutzt.Zurück zur Textstelle
  3. Siehe seine im Konvent zu Paris am 28. August 1794 (14. fructidor, l’an second de la République une) veröffentlichte Schrift Rapport sur les destructions opérées par le vandalisme.Zurück zur Textstelle
  4. „Mit Räumung sind Probleme nicht beseitigt“, Interview mit Uni-Präsident, FR 03.12.2009.Zurück zur Textstelle
  5. Auf der Internet-Seite der Universität wird „die mutwillige Zerstörung des historischen Casinos und [...] die Beschädigung der wertvollen Grafiken des Künstlers Georg Heck, der von den Nazis verfolgt wurde“, festgestellt, siehe: Studierende wenden sich gegen die Zerstörung des Uni-Casinos, www.muk.uni-frankfurt.de, 06.12.2009. Olaf Kaltenborn, Pressesprecher der Universität, verbreitet darüber hinaus die Falschmeldung, dass Heck die (nun ‘vandalisierten’) Rahmen selbst ausgewählt habe. Siehe dagegen: Ludwig 2009.Zurück zur Textstelle
  6. Zu Kramer und seinen Bauten siehe u.a.: Hansen 2001; Hilpert 2007; Hilpert 2007a.Zurück zur Textstelle
  7. Siehe: www.fdphessen.de, 05.12.2009.Zurück zur Textstelle
  8. „Dass Bildung vor allem Selbstzweck ist, gilt nach wie vor“, Interview mit Annette Schavan, FAZ 19.06.2009.Zurück zur Textstelle
  9. Kaube (2009a) vertritt dagegen die Ansicht, dass „der Begriff ‘Ökonomisierung der Hochschule’ noch viel zu optimistisch ist, weil er eine klare Absicht unterstellt“.Zurück zur Textstelle
  10. Die für Erfahrungsprozesse notwendige Freiheit steht gegen den Zwang und das Korsett der Verschulung. Das von Studierenden ab und an geäußerte Wohlwollen gegenüber diesen Elementen, die als Erleichterung empfundene ‘Schönheit des Zwangs’, deutet auf deren Unmündigkeit.Zurück zur Textstelle
  11. Interessanter Weise wird hier Leistung in Arbeitszeiten berechnet!Zurück zur Textstelle
  12. Als sich 1930 die Studierendenzahl gegenüber 1920 verdoppelt hatte, wurde von einer Überfüllungskrise der Universität gesprochen. Als Zeichen der Krise galten „Vermassung, Verweiblichung und ein befürchteter Verlust des geistigen Antlitzes“ (Paletschek 2002: 192). Scheler forderte in Folge dessen die „Funktionstrennung in verschiedene Institutionen und die Umbildung der Universitäten zu wissenschaftlichen Berufsfachschulen“ (siehe Paletschek 2002: 192f., vgl.: Scheler 1926). Autoren wie Carl Heinrich Becker und Eduard Spranger wollten dagegen „an der Aufgabenbündelung der Universität – Menschenbildung, wissenschaftliche Berufsbildung, Forschung – festhalten“. Carl Heinrich Becker argumentiere, dass der Sieg des Positivismus gegenüber dem Idealismus in den 1830er Jahren zu den „heutigen Problemen, zu Spezialismus, Egoismus und Materialismus“ geführt habe (siehe Paletschek 2002: 193). Zu den Überfüllungskrisen siehe auch Jarausch 1984; Titze 1990.Zurück zur Textstelle
  13. „Dabei sollte es selbstverständlich sein, dass die Hochschulen [...] ihre Studenten auswählen können“ (Görner 2009).Zurück zur Textstelle
© links-netz Juli 2010