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Freiheit ist wählbar!

Eine emanzipatorische Empfehlung zur Bundestagswahl

Thomas Gehrig

Bürgerin oder Bürger, wenn sie sich derzeit durch die spätsommerlichen Kleinstadtlandschaften bewegen, werden einer Ansammlung von Werbeträgern gewahr, die nicht auf den bevorstehenden Zirkusabend oder auf Belustigungsattraktivitäten mit Fahrgeschäften verweisen, sondern ganz ernsthaft auf repräsentativdemokratische Wahlen. Ginge es nach der Inszenierung der Gesichter, müsste die christliche Partei klarer Favorit sein. Die Menschen, die uns dort vor einem freundlichen, aber meist verschwommenen Hintergrund anlächeln, sehen aus wie solche, denen wir uns anvertrauen können. Wir erkennen in ihnen den gewissenhaften Handwerksmeister oder auch den netten Nachbarn. Sie sind ordentlich, ohne in Konfirmationsanzüge gepresst zu wirken, hinter ihren Gesichtern leuchtet kein unvorteilhaftes blendend-grelles Rot, Gelb oder Grün. Vor allem auch die Kanzlerin. Sie wirkt integrierend sympathisch, etwas tollpatschig dann und wann vielleicht – aber so sind wir eben auch. Nett – doch ihre Partei ist nicht wählbar! Dabei können wir den Schauder eines Konservatismus ausblenden, wie er gerade auch von den Vertreten der hessischen Linie herausragend repräsentiert wird, die reaktionären Ideale von Familie, Deutschland und Strafrecht beiseite lassen – sie lassen sich sowieso nicht von Parteigrenzen aufhalten. Diese Partei ist nicht wählbar, weil sie zu heterogen und inkonsequent ist! Und was die Kanzlerin dadurch an Freundlichkeit gewinnt, verliert ihre Partei.

Konsequent allein ist die liberale Partei! Es ist die Partei, die seit Lambsdorfs Papier, das den Bruch der sozialliberalen Koalition einläutete, mit unbeirrter Entschlossenheit ihren Weg verfolgt. Die aufmerksame Leserin könnte einwenden, dass letztlich nicht die Partei Lambsdorffs, sondern Schröder und Steinmeier dieses Papier zur Grundlage der rotgrünen Koalition gemacht und konsequent umgesetzt haben. Aber gerade hier liegt das Problem: Die ehemalige Sozialdemokratie steht zu ihrer Agenda, wie der gute Katholik zu einem unehelichen Kind. Sie ist die institutionalisierte Profilschwäche, und damit fehlt ihr Entscheidendes. Die Partei schmeckt nach ernährungsphysiologisch wertvollen Kartoffelchips. Auch bei der Auswahl des Kandidaten wurde sie von ihrer PR-Agentur schlecht beraten. Man sieht ihm den volksfernen Bürokraten an, nicht jeder wirkt mit grauem Haar und intellektueller Brille staatsmännisch und in hollywoodschem Sinne verführerisch.

Und wenn wir diese grassierende Epidemie der Profillosigkeit weiter verfolgen, kommen wir schnell auch zu jener Partei, die sich mit der eben erwähnten in dieser Kategorie ein hartes Kopf-an-Kopf Rennen liefert: die grüne. Zwar konnte sie das Image des Agenda-Steigbügelhalters geschickt abstreifen, doch dies brachte sie nur zu einer negativen Klarheit. Allein, es genügt zu sagen, dass sie Liberalität und Sozialpolitik so mischt, dass dies hinsichtlich der Frage nach den Konsequenzen nur noch von ihrem wirtschaftkompatiblen Umweltschutz untertroffen wird.

Konsequent ist einzig die liberale Partei! Liberalität ohne Abschweifung! Mehr Netto vom Brutto! Das zielt nicht nur auf die Steuererklärung, sondern trifft auch politisch!

Ach ja, mehr Netto und mehr Brutto (Reichtum für alle und den besteuern), das wünscht sich auch die wirkliche Sozialdemokratie. Als solche ist sie zwar erst in einigen Gegenden angekommen, aber der Trend ist ihr Genosse. Dies könnte Profil genannt werden, und der Wähler wäre geneigt, die Konsequenz durch ein Kreuz zu lohnen. Doch im grellen Licht der Wirklichkeit besehen ist ihr Argument auf Sand gebaut. Umverteilung (die von oben nach unten) setzt hauptsächlich eines voraus: eine gut laufende Ökonomie, die diese finanzieren kann. Eine gut laufende Ökonomie setzt aber wiederum gut gelaunte Akteure voraus, die wiederum nur aus einem Grund gut gelaunt sind: Die Gewinnsituation ist ansprechend. Das heißt aber, die wirkliche Sozialdemokratie ist nicht an der Regierung.

Nein, es muss dabei bleiben: Konsequent allein ist die liberale Partei! Sie allein ist zu wählen! Ihre Politik umgesetzt würde zu weitreichenden Verteilungskonflikten, zu mehr notwendiger Ungleichheit, zu Ausgrenzung der 'Überflüssigen' führen. Sie würde den Krisendynamiken endlich freien Lauf lassen. Sie würde zu dem führen, was andere Empörung (Hegel), Aufstand (Blanqui) oder Massenstreik (Luxemburg) genant haben.

Ja – ertappt und zugegeben – auch dies wäre eine Art Inkonsequenz – aber vielleicht eine weiterführende!

In diesem Sinne wäre Freiheit wählbar!

© links-netz September 2009