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Staatliche Beziehungskisten

Was von der „deutsch-amerikanischen Freundschaft“ zu halten ist

Joachim Hirsch

Inzwischen hat sich sogar im Journalistengewerbe herumgesprochen, dass es zwischen Staaten keine Freundschaft geben kann. Apparate können nämlich keine Gefühle entwickeln. Bei „Völkern“ scheint das gelegentlich eher der Fall zu sein. Wenn also von Freundschaft zwischen Staaten gesprochen wird, dann geht es in der Regel um Interessen. Vielleicht gemeinsame, manchmal aber auch bloß um Abhängigkeiten. Zu „freundschaftlichem“ Verhalten im Tausch mit dem Wohlwollen der Mächtigen kann man auch gezwungen sein.

Was als deutsch-amerikanische „Freundschaft“ bezeichnet wird, ist inzwischen schon recht alt. Nach dem zweiten Weltkrieg und dem Sieg der Alliierten über den Nationalsozialismus profitierte der deutsche Weststaat erheblich von der US-Politik. Von den USA vor allem kamen die materiellen und politischen Hilfen beim Wiederaufpäppeln des deutschen Kapitalismus, z.B. durch den Marshall-Plan. Der Morgenthau-Plan, der eben dies verhindern wollte, wurde nie Realität. Das Interesse der USA an der Konsolidierung ihres Machtbereichs überwog. Viele Deutsche schätzten die USA vielleicht weniger als die Befreier vom Faschismus und weil durch die Intervention der Alliierten wieder halbwegs demokratische Verhältnisse etabliert wurden, denn als Verkörperung von Fortschritt und Wohlstand. Darin waren die Vereinigten Staaten lange Zeit ein bewundertes Vorbild. Zur Zeit des Kalten Krieges garantierten die USA die in Westdeutschland bestehenden ökonomischen und politischen Herrschaftsverhältnisse durch ihre militärische Präsenz.

Nach dem Ende des Ost-West-Konflikts und mit der gewachsenen ökonomischen Potenz des wiedervereinigten Deutschland hat sich dieses Abhängigkeits- und Unterordnungsverhältnis etwas gewandelt. Bis zu einem gewissen Grad wurde die deutsche Außenpolitik trotz aller Freundschaftsbekundungen selbständiger, etwa im Verhältnis zu Russland, und die ökonomische Konkurrenz verstärkte sich. Einen deutlichen Knacks bekam die Freundschaft, als sich Kanzler Schröder weigerte, am Irakkrieg teilzunehmen. Die USA glauben also trotz der zum Ritual gewordenen Freundschaftsbekundungen einigen Grund für Misstrauen gegenüber der Bundesrepublik zu haben. Kein Wunder also, dass die Bemühungen, die deutsche Regierung (und wohl auch die Wirtschaft) auszuspionieren in den letzten Jahren intensiviert wurden.

Falls die deutschen Geheimdienste nicht völlige Versager sind, war das für die Regierenden in Berlin kein Geheimnis. Man hätte darüber hinweggehen können, zumal man ja auch seine eigenen Dienste hat. Deren enge Kooperation mit den amerikanischen Partnern ist bekannt und soll auch nicht beeinträchtigt werden. Das Problem war nur, dass die ganzen Vorgänge durch Snowdens Enthüllungen an die Öffentlichkeit gelangten. Besonders skandalisiert wurde das Abhören von Merkels Handy. Das Abhören der restlichen Bevölkerung schien dabei eher weniger wichtig. Um also vor der Öffentlichkeit nicht völlig düpiert dazustehen, musste reagiert werden. Vor allem dann noch, als bekannt wurde, dass die CIA Spione in deutschen Behörden angeheuert hatte. An sich war das eine Lappalie, weil die etwas traditioneller arbeitende CIA herauszufinden suchte, was die NSA mit ihren ausgefeilteren Spionage- und Abhörpraktiken sicher bereits wusste. Das Neben- und Gegeneinander der diversen Geheimdienste zeitigt bisweilen merkwürdige Ergebnisse und führt halt auch zu Pannen. Die Aufregung in der deutschen Öffentlichkeit war jedenfalls groß. Da Proteste und Aufklärungsersuchen von amerikanischer Seite zunächst nicht einmal beantwortet wurden, kam es schließlich zur (etwas duckmäuserisch als Bitte formulierten) Ausweisung des obersten CIA-Agenten in der US-Botschaft. Plus der Ankündigung, nun auch die Spione „befreundeter“ Staaten observieren zu lassen.

Zu mehr allerdings nicht. Von mehreren Seiten wurde gefordert, die Verhandlungen über das transatlantische Freihandelsabkommen abzubrechen und Snowden Asyl zu gewähren. Beides lehnt die deutsche Regierung strikt ab. Im Falle Snowdens vielleicht auch deshalb, weil das nicht nur das angeschlagene Verhältnis zu den USA weiter beeinträchtigen würde, sondern weil von seinen Aussagen auch interessante Einblicke in die Machenschaften deutscher Geheimdienste zu befürchten wären. Notorisch versichern PolitikerInnen aller Couleur beständig ihre Bereitschaft, die deutsch-amerikanische Freundschaft „auf neue Füße“ stellen zu wollen. Was also sind die dahinter stehenden Interessen?

Zunächst einmal sind die USA mit ihren militärischen Potenzialen immer noch der Garant für die globale Dominanz der westlichen Staaten und die in Deutschland Mächtigen haben als Bestandteil dieses imperialistischen Komplexes ein starkes Interesse daran, dass dies so bleibt. Nicht zuletzt angesichts erheblicher Legitimitätsverluste auf internationaler Ebene und des Auftauchens neuer ökonomischer und politischer Konkurrenten wird militärische Macht bedeutungsvoller. Das ist im Wesentlichen gemeint, wenn von der „Vereidigung westlicher Werte“ geredet wird. Und diese Macht konzentriert sich eben bei den USA, ohne die keine Kriege zu führen oder (oft als „humanitär“ bezeichnete) Militärinterventionen zu realisieren sind. Das aus guten Gründen geheim verhandelte Freihandelsabkommen steht für die deutsche Regierung ohnehin nicht in Frage. Es geht dabei im Gegensatz zu dem, was der Name besagt, um einen umfassenden Investitionsschutz für die Konzerne beiderseits des Atlantiks. Sie sollen von hinderlichen demokratischen Einflussnahmen und Beschränkungen geschützt werden. Das geplante Freihandelsabkommen bedeutet also einen weiteren Anschlag auf das, was nach den neoliberalen „Reformen“ noch an Demokratie übriggeblieben ist. Nicht zu Unrecht wird in diesem Zusammenhang von einem „kalten Staatsstreich“ gesprochen. Das ist das Interesse, das zumindest gegenwärtig die deutsche wie die US-Politik dominiert. Insbesondere Kanzlerin Merkel mit ihren engen, gewissermaßen ebenfalls freundschaftlichen Verbindungen zur deutschen Industrie möchte das Abkommen auf jeden Fall realisiert wissen.

Das ist es, um was es bei „Freundschaft“ geht.

© links-netz August 2014