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Was ist eigentlich deutsch an der Deutschen Bank?

Eine Globalisierungsfarce

Joachim Hirsch

Groß war die Empörung, als Ackermann, der Chef der Deutschen Bank die frohe Botschaft über wieder einmal enorm gestiegene Gewinne mit der Nachricht würzte, demnächst weitere sechseinhalbtausend Stellen abbauen zu wollen. Von Kaltherzigkeit und Zynismus war die Rede, Berliner politische Kreise forderten die Bank sogar auf, ihren Namen zu ändern, dem sie keine Ehre mehr mache. Unisono wurde geklagt, sie schade dem „Standort Deutschland“.

Da müssen die Politiker und -innen etwas nicht begriffen haben. Standortoptimierung ist schließlich eine Sache der Politik, die die Bedingungen zu schaffen hat, von denen die Unternehmen profitieren. Diese können sich dann aussuchen, wohin sie wandern. Im Zuge der sogenannten Globalisierung sind sie sozusagen staaten- und grenzenlos geworden und investieren eben dort, wo es am profitabelsten ist. Damit ist ein Partner für politisch ausgehandelte soziale Kompromisse, das „nationale“ Kapital verloren gegangen. Was ist denn nun eigentlich „deutsch“ an einem internationalen Finanzkonzern, der seine Geschäfte größtenteils jenseits der Grenzen macht, dessen Chef ein Schweizer ist und der sich seit einiger Zeit überlegt, den Schwerpunkt seiner Tätigkeit nach London zu verlagern? Das alles ist wirklich nicht neu. Der Herr Ackermann setzt sich mit seiner schnoddrig-schneidigen Art gerne ins öffentliche Rampenlicht und spricht bisweilen aus, was seine Kollegen nur denken. Das schafft Aufregung. Was er tut, entspricht indessen der Logik des Markts. Immerhin ist die Deutsche Bank unter den „Global Playern“ der internationalen Finanzwelt ein eher kleiner Fisch und daher ständig von mehr oder weniger freundlichen Übernahmen bedroht. Da ist es geboten, die Aktienkurse in die Höhe zu treiben, um das Geschlucktwerden zu erschweren oder wenigstens für sich selbst lohnender zu machen. Bei Mannesmann versus Vodafone wurde das schon mal vorexerziert. Und was treibt schließlich die Aktienkurse mehr in die Höhe als die Ankündigung von Stellenstreichungen?

Mit der Standortoptimierung ist es allerdings so eine Sache. Die politische Klasse ist etwas genervt, weil ihre diesbezüglich recht konsequent verfolgte Politik keine so richtigen Früchte trägt. Da hat man die Unternehmenssteuern bis auf das Niveau einer Steueroase gesenkt, treibt mit Hartz IV die Löhne immer weiter nach unten und dafür die unbezahlte Arbeitszeit nach oben, verringert die Lohnnebenkosten zu Lasten der Schlechterverdienenden, aber es zeigt sich kein Effekt. Da ist man natürlich ein Bisschen sauer. Vielleicht sollten die neoliberalen Propagandisten mit Regierungsamt mal ernster nehmen, auf was sie immer so gern schwören: die Marktkräfte. Wenn der Markt hierzulande gesättigt ist und durch Einkommenssenkungen immer weiter schrumpft, in China oder Osteuropa sich aber ungeheure Expansionschancen auftun, dann hilft auch der beste politische Wille nicht mehr, es dem Kapital recht zu machen. Zumal es halt noch etwas dauern wird, bis das Lohnniveau der hiesigen Softwarespezialisten dem ihrer indischen Kollegen angeglichen sein wird. So ist das halt mit der Marktwirtschaft.

Nun stehen freilich wieder Wahlen an, und das macht die Sache etwas brisant. Nicht zufällig hat Schleswig Holsteins um ihren Posten bangende Ministerpräsidentin Simonis besonders starke Worte der Kritik an Ackermann gefunden. Wenn’s um die Legitimation einer Politik geht, die mit den materiellen Interessen der Bevölkerung nicht zu rechtfertigen ist, greift man halt gern in die populistische Mottenkiste und macht nationale Interessen gegen ein herzloses Finanzkapital stark.

Hätten Clement, Simonis & Co. es mit ihren Warnungen ernst gemeint, dann hätten sie, der ökonomischen Logik folgend, ihre Klientel dazu auffordern können, die Geschäftsbeziehungen mit der Deutschen Bank abzubrechen. Nachdem die New-Economy-Blase geplatzt ist und das Investmentbanking floppt, konzentrieren sich die Geldhäuser neuerdings wieder darauf, sogenannte Privatkunden abzuzocken. Insofern würde die Bank ein solcher Aufruf wohl schon treffen. Einige untere Parteichargen haben Ähnliches dann auch verlauten lassen, was weiter oben ungern gehört wird. Das wäre nämlich wieder standortschädlich, denn das Kapital ist bekanntlich ein scheues Reh und durch starke Worte oder gar durch politische Drohungen schnell ganz zu vertreiben. Es ist wirklich ein Zirkel, dem die Politiker nicht zu entkommen vermögen. Und so wird halt vorübergehend Betroffenheit gezeigt, die keinem weh tut, aber die Wähler beruhigt.

Man könnte allerdings den Fall auch zum Anlass nehmen, über die Logik des Systems hinaus zu sehen und mal wieder über dieses selbst nachzudenken. Rosa Luxemburg hatte gesagt, in historischer Perspektive gebe es nur die Alternative zwischen Sozialismus und Barbarei. Damit hatte sie möglicherweise recht. Über ersteren wird allerdings heutzutage überhaupt nicht mehr geredet.

© links-netz Februar 2005