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Zum Libanonkrieg
Joachim Hirsch
Die Zerstörungen und das Sterben, die der israelische Angriff auf den Libanon erzeugte, waren zugleich Material für eine Schlacht um Bilder. Beide Seiten arbeiteten propagandistisch damit, auch wenn hierzulande auf die Bildschirme in der Regel nur die der einen Seite gelangte. Bei Al Jazeera-TV sah das völlig anders aus.
In der medialen Propagandaschlacht geht es jeder Seite darum, die eigenen Kriegshandlungen als gerecht und als Akt der Selbstverteidigung darzustellen. Was mit den unmittelbar betroffenen Menschen geschieht, ist dabei zweitrangig. Die Kriegs-Hilfsindustrie wird zum Bestandteil gezielt eingesetzter Legitimationsstrategien. Während US-Schiffe medienwirksam präsentiert humanitäre Hilfslieferungen abluden, liefern sie an anderer Stelle die Waffen, mit denen das Töten weiter gehen kann. Über der Frage, wer nun an dem wieder eingesetzten Morden Schuld trage, gerät aus dem Blick, welches die Ursachen der mörderischen Konflikte sind, mit denen der Nahe Osten seit Jahrzehnten überzogen wird.
Die Bevölkerungen der Region, die israelische wie die arabische, sind Spielball der geopolitischen und wirtschaftlichen Interessen von Mächten, die an den militärischen Auseinandersetzungen gar nicht unmittelbar beteiligt sind. Der neueste Krieg ist auch ein Stellvertreterkrieg. Während wieder einmal der Ruf nach einer stabilen Friedenslösung erschallt, wird vergessen, dass etwa die USA in keiner Weise daran interessiert sind, eine solche wirklich entstehen zu lassen. Das Offenhalten der Konflikte im Nahen Osten dient ihren geostrategischen Interessen und zementiert ihren Einfluss, nicht zuletzt sichert es die Kontrolle über den derzeit immer noch wichtigsten Rohstoff, das Öl. Die USA fungieren dabei als die Staatsgewalt, die die Interessen des internationalisierten Kapitals und der Herrschenden in den Metropolen des „zivilisierten“ Nordwestens am besten durchzusetzen vermag. Und auf der anderen Seite wirkt die Hisbollah als militärischer Arm des Iran, der erfolgreich dabei ist, seine regionale militärische und politische Position auszubauen. Bei den Auseinandersetzungen im Nahen Osten geht nicht nur um Öl, sondern nicht zuletzt auch um Wasser, das zum immer knapper werdenden Gut nicht nur in diesem Teil der Welt geworden ist. Davon ist in den Kriegsberichterstattungen und in den Meldungen über den Polittourismus der Diplomaten nicht die Rede.
Der Libanonkrieg hat, wie bereits die Interventionen in Afghanistan und im Irak, deutlich gemacht, dass friedliche Verhältnisse mit überlegener Waffengewalt nicht herzustellen sind. Das Einzige, was die USA in Afghanistan und im Irak und ihr Stellvertreter Israel in Palästina und im Libanon zustande gebracht haben, sind wirtschaftliche und gesellschaftliche Desaster sowie sich ausweitende humanitäre Katastrophen. Sie nähren den Terrorismus, den sie zu bekämpfen vorgeben und es mutet fast wie ein Witz der Weltgeschichte an, dass es die USA im Nahen und Mittleren Osten geschafft haben, einem zentralen Teil der von ihnen so definierten „Achse des Bösen“, dem Iran, zu einem immer größer werdenden politischen und militärischen Einfluss zu verhelfen.
Eine politische Lösung, die Verständigungs- und Kompromissbereitschaft von allen Seiten erfordert, ist kaum in Sicht. Auch die neueste Resolution des Sicherheitsrats ist nur deshalb zustande gekommen, weil Israel militärisch nicht vorankam und der internationale Legitimationsdruck größer wurde. Eine Politikänderung ist nicht in Sicht. Eine Friedenslösung müsste von den maßgeblichen Akteuren des Spiels gewollt sein, und das ist nicht der Fall. Am ehesten drücken sich in dem diplomatischen Gezerre – etwa im Verhältnis zwischen Europa und den USA – zwischenstaatliche Konkurrenzen um Macht und Einfluss aus. Die allseits beanspruchten und hochgelobten „Friedensbemühungen“ sind daher Heuchelei und im Kern selbst noch einmal ein Propagandamanöver, das verschleiert, worum es eigentlich geht. Mit Sicherheit nicht um die „Menschen“ und schon gar nicht um die der metropolitanen Vorhöfe.
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