Home Archiv Links Intern Editorial Impressum
 
 
Neue Texte
 

Schwerpunkte

Sozialpolitik als Infrastruktur
Ende der Demokratie?
 

Rubriken

Deutsche Zustände
Neoliberalismus und Protest
Bildung
Krieg und Frieden
Biomacht und Gesundheit
Kulturindustrie
Theorie: Empire, Kommunismus und andere Angebote
Rezensionen
 
 

Anzeige

Deutsche Zustände Übersicht

 

  Text in eigenem Fenster anzeigen    rtf-Datei herunterladen 

Mazedonien: Hintergründe einer Militäroperette

Joachim Hirsch

Nach einigem Hin und Her hat der Bundestag am 29. August 2001 einen neuen Auslandseinsatz der Bundeswehr beschlossen, in Mazedonien diesmal. Sie soll mit anderen NATO-Truppen die Entwaffnung der UCK vornehmen. Die Operation ist einigermaßen pikant. Sie soll nämlich nicht mit Waffen erzwungen werden - das würde ja unpopuläre Tote riskieren -, sondern "freiwillig" geschehen. Da jedoch niemand weiß, welche und wieviel Waffen die UCK besitzt und die NATO auch nicht danach suchen will, bleibt es dieser überlassen, was und wieviel sie zur Verfügung stellt. Immerhin wurde schon einmal im Kosovo dieselbe Organisation "entwaffnet". Das Ergebnis ist bekannt. Und man kann sich fragen, ob ein privates Entsorgungsunternehmen das Ganze nicht billiger und effizienter gemacht hätte.

Zu erwarten ist also, dass die NATO einige Ladenhüter bekommt, während die UCK sich nach den recht verlustreichen Kämpfen mit den Regierungstruppen neu organisieren kann. Die müssen sich nämlich erst mal in ihre Stellungen zurückziehen. Pikant ist auch, dass die westlichen Staaten nun die Waffen einsammeln wollen, die sie selbst geliefert haben. Ist doch sowohl die Bewaffnung als auch die Ausbildung der UCK durch NATO-Staaten, zumindest durch die USA, eine bekannte Tatsache. Eine besondere Art des Recycling also, bei der sich allerdings auf jeden Fall gute Geschäfte machen lassen. Und um die geht es bei den NATO-Balkaneinsätzen schließlich vor allem.

Soweit die Operette, die einige Bundestagsabgeordnete zu ernsthaften Gewissens- und sonstigen humanitären Überlegungen brachte. Sie hat allerdings einen ernsteren Hintergrund, und der liegt in dem komplizierten Macht- und Konkurrenzverhältnis zwischen den NATO-Staaten. Zunächst wurde die UCK als Verbündete gegen das Milosevic-Regime politisch aufgebaut und militärisch aufgerüstet, anfänglich durch die Bundesrepublik, dann sozusagen von den USA übernommen. Wie es oft bei derartigen Partnern der Fall ist, neigt sie aber zu gewissen Verselbständigungstendenzen, die die westliche Kontrolle über den Balkan erschweren könnten. Ein großalbanischer Fundamentalnationalismus würde die Öffnung dieser Region für Freedom, Democracy und Kapital möglicherweise ebenso schwierig machen wie das realsozialistische Überbleibsel des Milosevic-Regimes. Nachdem das serbische Regime mit tatkräftiger Nachhilfe des Westens gestürzt und der Diktator schließlich für den Haager Gerichtshof eingekauft wurde, ist die UCK militärisch und politisch nicht mehr so notwendig, zumindest für die europäischen NATO-Staaten, die ihren Einfluss mangels militärischer Potenz eher mit politischen, diplomatischen und wirtschaftlichen Mitteln geltend machen müssen. Daher hat sie in der hiesigen offiziellen Sprachregelung vor kurzen auch die wundersame Mutation von einer "Befreiungsbewegung" zu einer "Terroristenorganisation" erfahren. Für die USA hingegen bleibt sie ein militärischer Reservefaktor, auf den sich zurückgreifen lässt, wenn nicht alles in ihrem Sinne laufen sollte. Und so ist die Entwaffnungsaktion eben ein Kompromiß, mit dem alle Beteiligten ihr Gesicht und ihre Interessen wahren können: Die NATO bewährt sich wieder einmal als humanitäre Organisation, Fischer und Scharping können sich als Friedensstifter zeigen, die UCK bleibt, die USA können weiter ihre militärische Karte spielen und die mazedonische Regierung darf immerhin weitermachen.

Da nun die "Entwaffnung" mit einiger Wahrscheinlichkeit keinen Frieden schaffen wird, wird der Mazedonieneinsatz wohl etwas länger dauern, wie einige KritikerInnen befürchtet haben. D.h. es wird halt noch ein NATO-Protektorat errichtet, in dem sich die ökonomischen, politischen und militärischen Interessen der beteiligten Staaten überkreuzen und schon damit eine politische und wirtschaftliche Stabilisierung unwahrscheinlich machen. Dass die Generale dabei zeitweise als Operettenfiguren auftreten müssen, wird ihnen sicherlich weh tun.

© links-netz August 2001