Home Archiv Links Intern Editorial Impressum
 
 
Neue Texte
 

Schwerpunkte

Sozialpolitik als Infrastruktur
Ende der Demokratie?
 

Rubriken

Deutsche Zustände
Neoliberalismus und Protest
Bildung
Krieg und Frieden
Biomacht und Gesundheit
Kulturindustrie
Theorie: Empire, Kommunismus und andere Angebote
Rezensionen
 
 

Anzeige

Neoliberalismus und Protest Übersicht

 

  Nur Text    rtf-Datei    pdf-Datei 

Medienrandale – bei den Blockupy-Aktionen anlässlich der EZB-Eröffnung

Joachim Hirsch

Folgte man der Berichterstattung in den deutschen „Leitmedien“, so konnte man den Eindruck gewinnen, in Frankfurt hätten am 18. März bürgerkriegsähnliche Zustände geherrscht. Bilder von brennenden Barrikaden, abgefackelten Polizeiautos, herumliegenden Glassplittern und Steinen sowie über der Stadt liegenden Rauchschwaden allenthalben. Ausschließliches Thema waren die Gewalttäter und ihre Herkunft (natürlich Ausländer). Kaum eine Bemerkung zu den Zwanzigtausend, die in einem recht bunten Demonstrationszug durch die Stadt zogen, geschweige denn zu ihren Zielen und Forderungen. Das Hessische Fernsehen setzte dem gewissermaßen die Spitze auf und bemühte sich mit einigem Erfolg, selbst noch das Bildzeitungsniveau zu unterschreiten. FAZ-online stand dem nicht nach. Die ARD brachte nach der Tagesschau sogar einen „Brennpunkt“, natürlich in ähnlicher Tonlage. Auf Parteiebene herrschte das gleiche Bild. VertreterInnen von CDU/CSU, SPD und Grünen äußerten ihre Empörung über die „Ausschreitungen“ und verlangten Konsequenzen, bis hin zu der Forderung, die Linkspartei vom Bundestagspräsidium auszuschließen, weil sie die Proteste unterstützt hatte. Von einem Eingehen auf die Forderungen und Argumente von Blockupy keine Spur. So funktioniert die real existierende Demokratie.

Natürlich ist es ein Problem, dass einige solche Aktionstage dazu benutzen, Randale anzuzetteln, wobei offen bleiben kann, ob sie mit den Inhalten der Proteste überhaupt etwas am Hut haben. Und man kann bedauern, dass sie damit den Medien das Futter für ihre Propagandaaktionen liefern. Andererseits: hätte es die „Ausschreitungen“ nicht gegeben, hätte es der Blockupy-Protest bestenfalls zu einem Minutenspot in den Fernsehnachrichten und zu einer kleinen Nachricht auf den hinteren Zeitungsseiten geschafft. Es gab aber auch Ausnahmen. Ausgerechnet bei CNN konnte man immerhin etwas über die Demonstrierenden und ihren Forderungen erfahren und wurde auch über einige der ziemlich brutalen Polizeieinsätze informiert. Die Süddeutsche Zeitung schließlich brachte einen informativen Artikel über die verschiedenen Facetten der Protestaktionen, Heribert Prantl konnte auf der Meinungsseite begründen, weshalb der Protest gegen die Politik von EZB, EU und deutscher Regierung notwendig ist und es fehlte nicht der Hinweis, dass es bei den Berliner Maiaktionen in den letzten Jahren erheblich schlimmer zuging – ohne allgemeine Empörung und TV-Brennpunkte auszulösen. Aber dabei ging es ja auch nicht um die herrschende Politik und ihre katastrophalen Folgen, deren Rechtfertigung augenscheinlich das dominierende Interesse der sich in ihrer staatstragenden Rolle gefallenden Medien ist. Wer dagegen protestiert, muss damit rechnen, in die Nähe von Terroristen gerückt zu werden. Dabei fällt es auch gar nicht „gewaltbereiten“ Menschen immer schwerer, die Wut über die herrschenden Zustände im Zaum zu halten.

Naomi Klein hat in ihrer Rede bei der Auftaktveranstaltung auf dem Frankfurter Römerberg die Verhältnisse gut zurechtgerückt. Der wahre Vandalismus wird von denjenigen in der Politik, in den Bank- und Konzernzentralen ausgeübt, die offenbar fest entschlossen sind, den ganzen Globus zu ruinieren. Gegenüber dem, was sie anrichten, sind einige gewaltsame Aktionen auf den Frankfurter Straßen in der Tat kaum Peanuts. Mario Draghi hat bei der Eröffnungsfeier in der EZB-Festung gesagt, man wolle auch mit den KritikerInnen diskutieren. Das hätte er bei dieser Gelegenheit durchaus gekonnt, wenn er sie dazu eingeladen hätte. Für die anwesenden Beauftragten der Herrschenden wäre es allerdings etwas schwierig gewesen, sich dabei zu behaupten und den Argumenten der Kritiker etwas Vernünftiges entgegenzusetzen. Deshalb lässt man das dann doch lieber. Die Medien tun das Übrige.

© links-netz März 2015