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...was nicht sein darf!

oder was es mit den „Pannen“ des Verfassungsschutzes auf sich hat.

Joachim Hirsch

Dass die rechte Bande aus Zwickau jahrelang ungehindert herumreisen und morden konnte, hat den Staatsschutz in einige Erklärungsnöte gebracht. Dabei ist das eigentlich nicht weiter erstaunlich, ist dieser doch genuin „auf dem rechten Auge blind“, wie man so schön sagt. Natürlich keineswegs auf dem linken. Und auch nicht was den „Islamismus“ angeht. So werden Demonstranten gegen Naziaufmärsche penibel überwacht, verfolgt und auch abgeurteilt, sofern sich das irgendwie machen lässt. Bei der Anti-Nazi-Demonstration am 19.2.2011 in Dresden hat die dortige Polizei rechtswidrig die Handydaten von tausenden Personen aus der Region erfasst und Demonstrationsteilnehmer, deren Personalien sie bei Absperrungen aufgenommen hatte, ohne konkreten Grund als Beschuldigte geführt. Ebenso ohne Grund wurde dort ein Pfarrer des schweren Landfriedensbruchs, der Nötigung und der Strafvereitelung angeklagt, weil er angeblich einen Demonstranten versteckt hatte. Wenn sich Initiativen „antifaschistisch“ nennen, fallen sie sozusagen automatisch der Überwachung durch den Verfassungsschutz anheim. Über das „Zwickauer Trio“ wusste man hingegen angeblich nichts, genauso wenig wie über seinen offensichtlich recht weit verzweigten Unterstützerkreis. Und die 182 Morde, die in Deutschland seit 1990 aus rechtsradikalen oder rassistischen Motiven heraus begangen wurden, gelten prinzipiell als Verbrechen von Einzeltätern. Dass es ein weit verzweigtes rechtsradikales Terrornetzwerk gibt, haben die Staatsschützer erst eingeräumt, als es nicht mehr zu verheimlichen war.

Nachdem im Fall der Zwickauer Bande (von den Behörden immer noch verharmlosend „Trio“ genannt) das Vertuschen nicht mehr funktioniert hat und der Skandal öffentlich geworden ist, äußern die PolitikerInnen wie auch die Medien einhellig Betroffenheit und Empörung. Von schwerwiegenden Pannen und Versagen ist die Rede. Nicht thematisiert wird, dass es zwischen dem Staatsschutz und der rechten Szene offenbar enge Verbindungen gibt. Das betrifft nicht nur die Grauzone der V-Leute, bei denen nicht ganz klar ist, für welche Seite sie eigentlich arbeiten und durch deren Vermittlung auf jeden Fall rechtsradikale Organisationen staatlich finanziert werden. Wesentlicher noch ist die ideologische Nähe. Geheimdienste entziehen sich tendenziell immer der demokratischen Kontrolle und weisen, weil auf die Stabilisierung der jeweils herrschenden Verhältnisse fixiert, aus sozusagen systematischen Gründen zumindest konservative Einstellungen auf. Für eher liberal oder gar links Denkende haben sie keine besondere Anziehungskraft und diese sind bei der Personalrekrutierung wohl auch weniger erwünscht. Der Staatsschutz hat mit den rechten Verbrechern gemeinsam, dass der Feind traditionell links steht. Man befindet sich also im Grunde auf der gleichen Seite. Auch wenn sich die Methoden natürlich unterscheiden. Würde man aus dem Skandal wirklich Konsequenzen ziehen und nicht nur – wie jetzt bei der Einrichtung zentraler Datenbanken – symbolische Politik betreiben, müssten das gesamte Personal ebenso wie die Rekrutierungsmethoden der Staatsschutzbehörden grundsätzlich überprüft werden. Dies hätte wahrscheinlich die Folge, dass die Apparate oder zumindest einige Teile davon komplett aufgelöst werden müssten.

Das berührt nun allerdings die Frage der Staatsräson, die Räson eines Staates, dessen wesentlichste Aufgabe darin besteht, die bestehende politische und soziale Herrschaftsordnung zu garantieren. Sein Kernbestandteil sind die repressiven Staatsapparate und die Staatsschutzbehörden gehören zu deren wichtigsten Elementen. Dieser Repressionsapparat darf in keiner Weise angetastet werden. Er steht damit zumindest tendenziell außerhalb von Recht und demokratischer Ordnung. Staatsschutz hat mit ernst gemeintem „Verfassungsschutz“ wenig zu tun. Wenn es um den Staat als Gewaltapparat geht, hören Liberalität und Demokratie auf. Darüber sind sich die politische Klasse und die Medien einig, selbst liberale wie z.B. die Süddeutsche Zeitung. Deshalb wird notorisch von Pannen geredet, obwohl die eigene Berichterstattung genügend Hinweise darauf enthält, was in Wirklichkeit der Fall ist. Was nicht sein darf, kann eben nicht sein.

Der Staatsschutz zieht im Übrigen neuerdings merkwürdige Kreise. So warnt der sich ansonsten vehement für Recht und Verfassung einsetzende Heribert Prantl in der Süddeutschen Zeitung (Nr. 292 v. 10.12.2011) im Zusammenhang mit der Affäre um Bundespräsident Wulff vor einer Institutionenkrise, die sich zur Staatskreise ausweiten könne und plädiert für dessen Verbleiben im Amt, um eben diese zu vermeiden. Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel ist derselben Ansicht.

So bleibt es schließlich Einrichtungen wie dem Kabarett überlassen, auf das Offenkundige hinzuweisen. Hier können noch Skandale benannt und Hintergründe aufgezeigt werden, herrschen Meinungsfreiheit und Liberalität. Das Kabarett spielt sozusagen die Rolle des Hofnarren. Es bleibt dabei allerdings bei einer Publikumsunterhaltung, um deren Inhalt sich ansonsten niemand schert.

© links-netz Januar 2012