Home Archiv Links Intern Editorial Impressum
 
 
Neue Texte
 

Schwerpunkte

Sozialpolitik als Infrastruktur
Ende der Demokratie?
 

Rubriken

Deutsche Zustände
Neoliberalismus und Protest
Bildung
Krieg und Frieden
Biomacht und Gesundheit
Kulturindustrie
Theorie: Empire, Kommunismus und andere Angebote
Rezensionen
 
 

Anzeige

Rezensionen Übersicht

 

  Nur Text    rtf-Datei    pdf-Datei 

Rezension zu Eva Hartmann „Auf dem Weg zu einem globalen Hochschulraum“

John Kannankulam

Nicht erst seit vor einigen Jahren von Robert Keohane, Andrew Moravcsik, Anne-Marie Slaughter und anderen der legal turn in den Internationalen Beziehungen ausgerufen wurde, sind Entwicklungen auf der internationalen oder europäischen Ebene erkennbar, die auf eine zunehmende Verrechtlichung internationaler Politik hinweisen. Angesichts der zunehmenden Bedeutung des Europäischen Gerichtshofs, des Internationalen Strafgerichtshofes oder der Welthandelsorganisation mit ihrem spezifischen Streitschlichtungsverfahren sehen Autoren wie Jürgen Habermas bereits eine postnationale Konstitution und Weltinnenpolitik am Horizont, wohingegen andere Autoren wie Stephen Gill in dem sich herausbildenden „Neuen Konstitutionalismus“ die Kehrseite eines weltweit durchgesetzten „Disziplinierenden Neoliberalismus“ erblicken. Angesichts dieser Polarisierung geht es Eva Hartmann in ihrem Werk darum, mit Blick auf die zunehmende Internationalisierung der (Hochschul-)Bildung „einen empirischen und aus einer kritischen Perspektive theoretischen Beitrag“ (11) zu leisten, um diese Entwicklungen besser zu verstehen. Vor der Kritikfolie, dass Ansätzen eines deliberativen Konstitutionalismus (Habermas, Joerges und Neyer) „eine differenzierte Herrschaftsanalyse“ fehlt, da diese dahin tendieren „Herrschaftsmechanismen, die in das Sprechen eingelassen sind“ auszublenden (40), verortet sich Hartmann in den Kontext einer historisch materialistischen Rechts- und Staatstheorie im Anschluss an Antonio Gramsci, Eugen Paschukanis, Nicos Poulantzas, Stephen Gill, Sonja Buckel, China Miéville und Bob Jessop. Als Ergebnis der Auseinandersetzung mit diesen Ansätzen kommt Hartmann zu dem Schluss, dass das Recht eine zentrale Funktion in der Prozessierung „der widersprüchlichen Einheit von Gleichheit und Ungleichheit“ (78) spielt, Ausdruck „eines sozialen Kompromisses zwischen Kapital und Arbeit“ ist und es zu einer „räumlichen Entzerrung“ bzw. einer zunehmenden „Verselbständigung“ des Rechts v.a. auf europäischer Ebene kommt (78-9). Vor diesem Hintergrund widmet sich die Verfasserin ihrer empirischen Fallstudie zu, die im Kern der Frage nachgeht, ob es im Rahmen der Supranationalisierung des Rechts zu einer „Herstellung von Äquivalenzbeziehungen [kommt ...], die das Hochschulbildungssystem eines Landes ins Verhältnis zum System eines anderen Landes setzt, um so die Ankerkennung von ausländischen Qualifikationen zu erleichtern und letzten Endes eine postnationale Integration des Hochschulbereichs voranzutreiben.“ (79) Diese Fragestellung ist v.a. deshalb interessant, da bereits in den Anfängen des europäischen Intgegrationsprozesses das Ziel einer allgemeinen Bildungspolitik „vom Vorhaben eine europäische Wirtschaftsgemeinschaft zu schaffen“ ausgeschlossen war (83). „Dieser Bereich galt als alleinige Hoheitsaufgabe der Mitgliedsstaaten.“ (83) Gleichzeitig erforderte die Durchsetzung des Binnenmarktprojekts im Rahmen der neuen „wettbewerbsstaatlichen Integrationsweise“ (Patrick Ziltener) eine Vereinheitlichung auch auf diesem Gebiet, zumal die globale Konkurrenz um hochqualifizierte Dienstleistungen wie Computer, Informations- und Freizeitdienstleistungen u.ä. (und die Arbeitskräfte, die diese Dienstleistungen erbringen) 2008 „rund 51 Prozent des Welthandels mit Dienstleistungen“ ausmachten (160). Angesichts dieser Widerspruchskonstellation betont Hartmann zurecht, dass die „Rede von einer wettbewerbsstaatlichen Integrationsweise unterschätzt, dass auch der Wettbewerb nicht alleine auf dem Nichtdiskriminierungsverbot beruhen kann, sondern eines Rahmens bedarf, der Äquivalenzbeziehungen herstellt.“ (121) Wird diese Äquivalenzierung beim Warentausch durch das Geld als tertium comparationis hergestellt, „ist es bei Bildung die Qualität des Abschlusses, aber auch der entsprechenden Hochschulinstitution“ (121), deren Vergleichbarkeit jedoch durch die nationalstaatlichen Besonderheiten und Befindlichkeiten schwer herzustellen ist. Hier kommt, so die conclusio der Autorin, internationalen „standardsetzenden Organisationen“ wie der UNESCO eine zentrale Rolle zu, da sich hier „verschiedene soziale Kräfteverhältnisse verdichten“ konnten, um eine „bessere Vermittlung zwischen unterschiedlichen Interessen“ herstellen zu können mit dem Effekt, dass „so eine umfassendere Integration durch Abstraktion vorangetrieben werden [konnte], um Vergleichsstandards zu schaffen.“ (248) Waren diese einmal als objektive Normen etabliert, stärken sie wiederum den supranationalen Rahmen, „indem sie dessen Auflagen konkretisieren und Legitimation vergleichen und auch in Streitschlichtungsverfahren hinzugezogen werden können.“ (Ebd.)

Eva Hartmann: Auf dem Weg zu einem globalen Hochschulraum. Konsequenzen für die Konstitutionalisierung internationaler Politik, Baden-Baden: Nomos 2011.

© links-netz September 2013