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Wenn der Vater fehlt

Reinhard Kreissl

Bedenkenträger und Hüter der Guten Ordnung blasen zur Versammlung. Tagungen, Workshops und Einkehrwochenenden in Stiftungen und Akademien rufen auf zu Meditation und Palaver: Was wird aus dem Mann? Oder schlimmer noch: was ist aus ihm geworden, wo bleibt er? Ist das von Feministinnen herbeigesehnte, von den Autoren der stramm konservativen Presse lange Zeit belächelte Ende des Patriarchats über uns hereingebrochen? Müssen wir demnächst damit rechnen, dass die Marketingabteilungen der Süßwarenhersteller uns zum Fest der Liebe mit Schokoladefrauen in langen roten Mänteln beglücken und auch noch den Weihnachtsmann geschlechterpolitisch aushebeln?

Drunter und drüber geht es im Geschlechterkampf. In den Schulen – die Mädchen schreiben die besseren Noten, die Jungen: alles Problemfälle. Auch an den Universitäten: schon mehr Studierende weiblichen Geschlechts eingeschrieben. Die entsprechenden Förderprogramme unserer Bildungsministerin sehen darüber hinaus eine verstärkte Berücksichtigung von Frauen bei der Besetzung von Lehrstühlen vor. Und selbst die charmanten Damen in den Medien, die für höhere Einschaltquoten bei den Männern gesorgt haben, outen sich als unbemannt glücklich.

Wo bleiben die Ikonen der Männlichkeit? Die strahlenden Erfolgsmänner, die den armen Jungen als Rollenmodell dienen könnten, sind rar geworden. Beckenbauer auf dem Weg in die Altersdemenz, Boris Becker abgestiegen in die B-Prominenz und bei den gesammelten Kerners, Beckmanns, Schmidt und Pochers reicht es gerade noch zum Kandidaten für den Schwiegersohn. Kalauernde Softies, brabbelnde Greise, wohin man auch zappt – man mag als Mann morgens kaum mehr in den Spiegel schauen.

Warum wirkt der Mann als öffentliche Figur nur mehr lächerlich? Was hat sich da verändert? Im Spiegelkabinett der gesellschaftlichen Stereotypen und Idole wird gerade umdekoriert. Männer, als Sinnbild in Stein gehauen, mit nacktem Oberkörper und bewaffnet mit Hämmern, Helmen und Schwertern, finden sich noch an den Fassaden der Gründerzeit und auch die Statuen, die uns der real existierende Sozialismus hinterlassen hat, zeigen den muskelbepackten Arbeiter und Bauern im Schweiße seines Angesichts im Stoffwechsel mit der Natur. Die Zeiten sind vorbei. Heute heißt es nicht mehr Hart wie Kruppstahl, sondern Sanft wie Software. Die Arbeitswelt, so wird behauptet, braucht den starken Mann nicht mehr, oder nur mehr an ganz wenigen Orten und Positionen. – Die Arbeitswelt hat sich verändert und damit das Bild des Mannes als Malocher und Macher.

Das strahlt natürlich aus. Das institutionelle Gefüge, vom Tanzkurs über das Steuerrecht bis zur Struktur der Kleinfamilie, basierte auf der geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung und dem entsprechenden kulturellen Dekor. Noch Sigmund Freud bastelte seine Lehre mit dem Bild des Pater Familias im Hintergrund und als eine ganze Generation von Männern dem Zweiten Weltkrieg zum Opfer gefallen war, riefen die Mitscherlichs die vaterlose Gesellschaft als pathologische Form aus. Dabei hätte man schon damals feststellen können, dass der Wiederaufbau nach dem Krieg zu großen Teilen die Leistung der sogenannten Trümmerfrauen war. Die Herren Neckermann, Schickedanz, Springer und Grundig wurden zwar als Heroen des Wirtschaftswunders stilisiert – aber vielleicht war das nur mehr ein selbst inszeniertes Zucken am Ende des Zeitalters des Mannes. So scheint es zumindest aus heutiger Sicht. Und die Witwen der genannten Herren erwiesen sich als ebenso fuchsige Kapitäne des Kapitals wie ihre verstorbenen Gatten.

Was bleibt? Die Evolutionsbiologen und mit ihnen die Vertreter von Zucht und Ordnung sehen die Gattung in Gefahr. Die Werte und Haltungen, die gemeinhin vom Vater auf den Sohn vermittelt werden sollen, sind vom Aussterben bedroht. Führung und Herrschaft, Krieg und Eroberung, traditionelle Domänen des Mannes, geraten in die Krise. Und in der Tat: Wenn es nur mehr Figuren wie George Bush an die Spitze einer Weltmacht schaffen, dann scheint das Ende der männlichen Autorität besiegelt. Da kann man sich dann nur mehr händeringend eine Frau als Nachfolgerin wünschen. Das wird zwar die real existierenden Zustände nicht verbessern, wie uns zwei Jahre weibliche Kanzlerschaft in Deutschland vor Augen geführt haben. Aber vielleicht verliert das Polittheater mit weiblicher Besetzung der Hauptrollen ein wenig an jener Lächerlichkeit, die uns die Männer beschert haben, wenn sie so tun, als könnten sie durch Politik an den Verhältnissen wirklich etwas verändern.

© links-netz Dezember 2007