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Sozialpolitik als Infrastruktur Übersicht

 

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Wohnen als Infrastruktur und warum es kompliziert ist, das zu denken

AG Links-Netz (Textfassung: Werner Heinz, Joachim Hirsch, Eva Maria Krampe, Christine Resch)

Zur Kritik des Bestehenden

Wohnungen sind, ebenso wie andere Erzeugnisse der kapitalistischen Warenproduktion, Objekte der Kapitalverwertung privater Akteure. Der Verkauf und die Vermietung von Wohnungen sind ein Warengeschäft: Als zinstragendes Kapital soll eine Mietwohnung dem Eigentümer eine möglichst hohe, an anderen Anlagesphären orientierte Verzinsung gewährleisten. (Zur Kritik besonders am neoliberalen Wohnungsmarkt vgl. Holm 20131) Im Unterschied zu den meisten anderen Warenmärkten interveniert die öffentliche Hand mit kommunaler und staatlicher Wohnungspolitik zu verschiedenen historischen Zeitpunkten und mit unterschiedlichen Vorstellungen von politischer Regulation in diesen Markt. In Krisenzeiten (wie etwa nach dem Zweiten Weltkrieg) hatten und haben drastische Eingriffe in den privaten Wohnungsmarkt (Mietpreisstopp und Wohnraumzwangs-Bewirtschaftung) eine deutlich wirtschaftspolitische Komponente. In der BRD der Nachkriegszeit spielte der soziale Wohnungsbau eine besondere Rolle (vgl. Holm 2013). Dabei handelt es sich um eine staatliche Subventionierung des privaten Wohnungsbaus unter der Bedingung einer zeitlich befristeten Mietpreisbegrenzung. Der Zweck war die Behebung eines als vorübergehend betrachteten extremen Wohnungsmangels. Interventionen dieser Art sind an dem Interesse der Wirtschaft an niedrigen Löhnen und damit auch einer niedrigen Mietbelastung (für die ein Teil des Lohnes ausgegeben werden muss) orientiert. (Zur Kritik am sozialen Wohnungsbau unter fordistischen Bedingungen, der nicht so „kuschelig“ ist, wie es das Wort suggeriert vgl. Ronneberger 20132) Inzwischen spielt der soziale Wohnungsbau keine Rolle mehr. Der Wohnungsmarkt wurde im Zuge der neoliberalen Offensive fast vollständig privatisiert (so auch die Council-Housing-Programme in Großbritannien unter der Thatcher-Ära) mit der Folge, dass bezahlbarer Wohnraum vor allem in den Ballungsgebieten immer knapper wird.

Im Gegensatz zu Bevölkerungsprognosen früherer Jahre, steigt die Zahl der BewohnerInnen und damit die Zahl der NachfragerInnen nach bezahlbarem Wohnraum in vielen Großstädten und Agglomerationsräumen. Gleichzeitig geht die Zahl bezahlbarer Wohnungen in den letzten Jahren in allen wirtschaftsstarken Städten deutlich zurück. Die Gründe hierfür sind vielfältig: Rückzug von Bund und Ländern aus dem öffentlich geförderten Mietwohnungsbau, Reduzierung des Angebots an preiswerten Sozialmietwohnungen durch Auslaufen von Belegungsbindungen, Verkauf kommunaler Wohnungsbestände an Investoren mit hohen Renditeerwartungen, Angebotsreduzierung auch als Folge umfangreicher, durch staatliche Förderpolitiken (wie Steuervergünstigungen etc.) stimulierter Maßnahmen zur Modernisierung und Aufwertung älterer, häufig preisgünstiger Altbaubestände und Umwandlung in teure Miet- oder Eigentumswohnungen. Darüber hinaus erwächst alteingesessenen Mietern innerstädtischen Wohnraums zusätzliche Konkurrenz durch den Zuzug zahlungskräftiger Nachfrager vorwiegend aus dem Dienstleistungssektor (Singles und Zwei-Personen-Haushalte mit spezifischen, auf Innenstadt- und Innenstadtrandgebiete ausgerichteten Standortpräferenzen). Bei privaten Bauherren konzentrieren sich Investitionstätigkeiten im Wohnungsbau – und dies in zunehmendem Maße – auf die Erstellung teurer Wohneinheiten. Der Bau preisgünstiger Wohnungen wirft – auch im Vergleich mit anderen Anlagesphären – zu wenig Rendite ab. Parallel zu allen diesen Entwicklungen drängen zunehmend auch ausländische Investoren (unterschiedlicher Größe) auf die für sie im Vergleich mit anderen europäischen Großstädten noch relativ günstigen Wohnungsmärkte deutscher Städte.

Mietpreissteigernd und angebotsverknappend sind auch zwei weitere, erst in jüngerer Zeit in Erscheinung getretene Entwicklungen: die Anmietung größerer Wohnungsbestände durch Dienstleistungsunternehmen für mobile, häufig den Standort wechselnde sowie gut bezahlte Beschäftigte wie auch die Vermietung von Wohnungen als Ferienwohnungen für städtische Besucher und Touristen.

Eine weitere Reduzierung des Angebots bezahlbarer Wohnungen durch Mietpreiserhöhungen bedeuten auch die relativ willkürlichen Grenzziehungen der in einigen Städten angewandten Mietspiegel. Diese sind auch Ausdruck einer sich ändernden Sichtweise vieler Kommunalpolitiker. Die Bereitstellung von Wohnungen wird nicht mehr als Teil kommunaler Sozialpolitik, sondern als Mittel der Wirtschafts- und Standortförderung gesehen: mit entsprechenden Anforderungen an Qualität und Ausstattung.

Allen diesen mit einer Reduzierung des Angebots an bezahlbaren Wohnungen einhergehenden Veränderungen steht ein kontinuierlich wachsender Bedarf an eben diesen Wohnungen gegenüber. Die soziale und ökonomische Spaltung der Stadtgesellschaft hat in den letzten Jahren deutlich zugenommen, der Anteil von Haushalten mit nur geringen Verdiensten (von Minijobbern und Teilzeitbeschäftigten bis zu Empfängern sozialer Leistungen) ist vor allem in den Großstädten hoch.

In den Medien und bei einer steigenden Zahl von Kommunalpolitikern stoßen die aktuellen und in immer mehr Großstädten sich abzeichnenden Engpässe auf dem Teilmarkt preisgünstiger Wohnungen auf zunehmende Kritik. Als mögliche wohnungspolitische Reaktionen werden schon von früheren Wohnungsnöten bekannte Strategien wie öffentliche Subventionen für den Bau von Sozialwohnungen mit befristeten Belegungsbindungen, Ankauf von Belegungsrechten in privaten Beständen, Zweckentfremdungsverbote zur Verhinderung von Wohnungsumwandlungen etc. diskutiert. Der Aufbau eines dauerhaft verfügbaren bezahlbaren Wohnungsbestandes in kommunaler Regie – im Sinne einer infrastrukturellen Leistung – ist auch heute nicht vorgesehen. Dieser widerspricht nicht nur der grundlegenden Ideologie deutscher Wohnungspolitik, nämlich die Dominanz privatwirtschaftlicher Wohnungsversorgung. Er scheint als Folge einer weiteren ideologischen Festlegung auch nicht erforderlich zu sein: eine breite, dauerhaft bestehende Schicht einkommensschwacher Haushalte als Ergebnis der kapitalistischen Wirtschaftsweise kann es in dieser Sichtweise nicht geben. Stattdessen wird der aktuelle Wohnungsbedarf in besondere Bedarfsgruppen wie Haushalte mit zeitlich befristeten sozialen/ökonomischen Problemen segmentiert.

Das Beispiel des kommunalen Wohnbaus in Wien (dazu später mehr) zeigt zwar, dass staatliche Wohnungspolitik in Krisenzeiten auch andere Wege gehen kann. Es zeigt aber auch, dass dafür starker externer Druck erforderlich ist: zum einen von Seiten anderer Kapitalfraktionen, die ein manifestes Interesse an niedrigen Mieten im Sinne niedrigerer Lohnniveaus zur Sicherung ihrer internationalen Konkurrenzfähigkeit haben, zum anderen von Seiten der Wohnungsnachfrager. Diesen Druck gibt es gegenwärtig nicht. Auch warnende Hinweise auf die politischen Folgen sozialer Spaltungen finden sich nur vereinzelt. Auf Seiten der Wohnungsnachfrager steht nicht eine gut organisierte Wiener Arbeiterschaft mit expliziten politischen Zielen, sondern ein buntes Spektrum von Mietern und Mieterinitiativen, die nur begrenzt konfliktfähig sind und denen jeweils andere Konfliktparteien (Wohnungseigentümer) gegenüberstehen. Erforderlich wäre daher zunächst der Aufbau eines stadtweiten oder auch (über-)regional organisierten politischen Mieterwiderstands.

Eine andere Möglichkeit zur Verbesserung des Angebots an bezahlbarem Wohnraum wird vielfach in Wohnungsgenossenschaften gesehen. Da ihre Wohnungsbestände nicht der Realisierung hoher Renditen, sondern der Versorgung ihrer Mitglieder dienen, sind sie an tragbaren und stabilen Mieten interessiert. Auf einen potentiellen Nachteil von – vor allem kleineren – Wohnungsgenossenschaften weisen Mitglieder solcher Organisationen aus Schottland hin. Während zu den Wohnungsbeständen der öffentlichen Hand ein jeder (einkommensabhängig) Zugang hat, kann es bei Wohnungsgenossenschaften zu einer mit Abschottung verbundenen Klientelpolitik kommen.

Wohnen ist, so kann man zusammenfassen, ein Grundbedürfnis, das nicht in ausreichendem Maße über den Markt befriedigt werden kann. Dies nicht zuletzt deshalb, weil dazu hohe Investitionen notwendig sind, die von vielen privat nicht geleistet werden können. Deshalb auch das Mietwohnungswesen. Dieses setzt, um sozial verträglich zu sein, ein ausreichendes Angebot an bezahlbaren Wohnraum voraus. Das war eigentlich nie der Fall. Aktuell verschärft sich diese Problematik dadurch, dass als Folge der ökonomischen Krise viel profitsuchendes Kapital in den Wohnungsbau fließt, das sich nur dann genügend verzinst, wenn Hochpreiswohnungen gebaut werden. Dies führt – im Rahmen der sogenannten Gentryfizierung – zur weiteren Verdrängung ärmerer Bevölkerungsteile aus den Innenstädten und verstärkt die soziale Segregation. Und nicht nur dies: auch die Obdachlosigkeit nimmt zu.

Seit dem 19. Jahrhundert gab es immer wieder Ansätze, Wohnen infrastrukturell zu organisieren, z.B. der Gemeindewohnungsbau (Wien, Frankfurt), aber auch Zechensiedlungen und Werkswohnungsbau (zur Geschichte vgl. Ronneberger 2013). Gerade letztere dienten aber auch dazu, die Lohnabhängigen zu disziplinieren, abhängig zu machen und in bestimmte Lebensformen – die bürgerliche Kleinfamilie – zu zwingen. Aber immerhin: Die Wiener Wohnhausanlagen dienten nicht allein der Wohnungsversorgung, sondern verfügten auch über ein breites Spektrum von Gemeinschaftsanlagen: von dezentralen Gesundheitsdiensten und Kindergärten über Hobby- und Gemeinschaftsräume bis zu Einkaufsmöglichkeiten und Versammlungsräumen.3 Für viele Beispiele von Wohnungsbau durch die öffentliche Hand gilt, dass das dominante Ziel nicht unbedingt darin bestand, bezahlbaren Wohnraum zur Verfügung zu stellen, Wohnungspolitik vielmehr nur ein Mittel war, um andere politische Ideologien zu verfolgen. Das reicht von der Förderung von Wohnungsbauaktivitäten privater Akteure, die nicht zur dauerhaften Bereitstellung bezahlbaren Wohnraums führt, sondern bauliche Maßnahmen subventioniert, die nur zeitlich begrenzt wirksam sind und letztlich der Vermögensbildung privater Bauherren zuträglich ist, über die (historische und löbliche) Durchsetzung von hygienischen Bedingungen (etwa Public Health Act in England 1848) bis zur schon erwähnten Disziplinierung und Pazifizierung der Bewohner in Werk- und Zechensiedlungen.

Das alles verweist auf eine Besonderheit von Wohnen als sozialer Infrastruktur. Wohnen ist in besonderer Weise mit der Durchsetzung oder Ermöglichung spezifischer sozialer Beziehungen und Lebensweisen verbunden. Wohnen heißt nicht nur, ein Dach über dem Kopf zu haben, sondern konstituiert auch soziale Zusammenhänge, Spaltungen und Trennungen (Ghettobildungen, soziale Apartheid). Weil Wohnen sehr stark mit der sozialen Lebensweise verbunden ist, wird es in besonderem Maße von individuellen Präferenzen bestimmt und ist damit infrastrukturell weniger als z.B. Gesundheit, Bildung oder Verkehr standardisierbar.

Unter den bestehenden und hier nur grob umrissenen Bedingungen, die in den Papieren von Holm 2013 und Ronneberger 2013 genauer ausgeführt sind, wollen wir nach den Möglichkeiten von Wohnen als Infrastruktur fragen.

Wohnen als soziale Infrastruktur

Wegen der hohen Kosten ist eine kostenlose Bereitstellung von Wohnraum nicht möglich. Sie würde auch eine kaum wünschbare Reglementierung und damit Kontrolle erzwingen. Es kann also nur darum gehen, die Angebotsverhältnisse auf dem Markt zu beeinflussen und gegebenenfalls selbstorganisierte Projekte zu unterstützen. Das zentrale Anliegen kann daher nur sein, eine ausreichende und bezahlbare Versorgung mit Wohnungen für alle Teile der Bevölkerung sicherzustellen und dabei genügend Raum für individuelle Gestaltung offen zu lassen. Wohnen als Infrastruktur kann daher nicht bedeuten, eine gleiche Grundversorgung für alle zu gewährleisten, zumal dies mit erheblichen Kontrollen und Rationierungen verbunden wäre. Ein individuelles Recht auf einen bestimmten Wohnraum (Größe, Ausstattung, Lage) ist nicht garantierbar.

Notwendige Maßnahmen können an mehreren Stellen ansetzen und unterschiedliche Lagen und Bedürfnisse berücksichtigen.

Wohnen als Infrastruktur konzentriert sich zunächst sicherlich auf einen Bereich, der warenförmig nicht sichergestellt werden kann. Keine „Gemeinschaft“, sei es eine Kommune, eine Genossenschaft oder ein Syndikat wird den Bedarf nach Luxus-Villen, Zweit- und Drittwohnungen der globalen Elite befriedigen können oder auch nur wollen. In dieser Beziehung kann durchaus analog zu den Bereichen „Bildung“ oder „Gesundheit“ argumentiert werden: „Schönheits-OPs“ oder Bildungsabschlüsse, die darauf ausgerichtet sind, „Berechtigungsscheine“ für „höhere Laufbahnen“ auszustellen, sind nicht Teil der sozialen Infrastruktur, sondern werden marktförmig angeboten.4

Daher ist es sinnvoll, nicht Wohnen insgesamt, sondern nur ein bestimmtes Marktsegment als Infrastruktur zu begreifen. Es soll der Versorgung unterer Einkommensschichten mit bezahlbarem Wohnraum dienen. Deren Versorgung ist seit der mit der Industrialisierung einsetzenden räumlichen Konzentration von Produktion sowie der sprunghaften Verstädterung ein dauerhaftes Problem. Auch gegenwärtig gibt es in Deutschland Versorgungsengpässe an einer begrenzten Anzahl von Standorten, nämlich in wirtschaftsstarken Großstädten zu konstatieren, von denen vor allen Dingen finanziell schwächer gestellte Bevölkerungsgruppen betroffen sind.

Wohnen als soziale Infrastruktur kann, wie schon erwähnt, auch nicht kostenfrei angeboten werden. Zumindest Instandhaltung und Abschreibung müssen durch Mieten (oder Eigenarbeit – dazu gleich mehr) gedeckt sein.

Das zentrale Moment von Wohnen als sozialer Infrastruktur kann nur kommunaler oder von sozialen Baugesellschaften getragener Wohnungsbau sein. Dies wäre zu verbinden mit einer dezentralisierten, auf die Bedürfnisse der Bewohner Rücksicht nehmenden Quartiers- und Stadtplanung. Rechtliche und institutionelle Voraussetzungen für eine Demokratisierung der Stadtplanung wären dafür zu schaffen. Die Bürger partizipieren an der Gestaltung von Stadtteilen. Die Gemeinde bzw. Bauträger müssen finanziell entsprechend ausgestattet werden. Ziel ist, dass bezahlbarer Wohnraum für alle verfügbar ist. Dass solche stadtplanerischen Anstrengungen, die Bedürfnisse der Mittel- und Oberschichten mit betreffen, versteht sich. Aus dem kommunalen Wohnungsbau in Wien kann man lernen, dass es eine Alternative zu „Trabantenstädten“ und innerstädtischen Ghettos gibt. Die (großen) Wohnhäuser wurden in Straßen integriert, das Prinzip besteht in „gemischter Bebauung“. Wenn, wie inzwischen üblich, die Sozialbindung eines Anteils von Wohnungen in neu geschaffenen Vierteln nur für xy-Jahre besteht, ist ein Teil der Bevölkerung dort immer nur auf Zeit im besten Fall geduldet. (Anders herum kann man es vielleicht gelassen sehen: Wenn sich die ganz Reichen ihre „gated communities“ á la Beverly Hills einrichten sollten, so sie das wollten, ist das jedenfalls nicht unser erstes Problem.) Zu einer solchen gemischten Bebauung gehört auch eine lokale Infrastruktur in Form von autonom verwalteten Gemeinde- und Jugendzentren bis hin zu Geschäften. Hier besteht eine enge Verbindung zu den Gesundheitszentren, die auch vorwiegend auf lokaler Ebene angesiedelt sind.

Aber auch intern kann durch Einbeziehung der Bewohner bei der Planung der (Um-) Bauten eine bedarfsgerechte Infrastruktur in Form von kollektiven Räumen berücksichtigt werden. Seien es Wasch- oder Gemeinschaftsküchen bis hin zu Werkstätten, die es den Bewohnern gemeinsam ermöglichen, Renovierungen und Instandhaltung in Eigenarbeit zu leisten, sodass Mieten nur noch für die Abschreibung in zweckgebundene Fonds einbezahlt werden müssten. Bezogen auf das Grundeinkommen, als Teil der sozialen Infrastruktur, bedeutet die Möglichkeit solche Dienste in Eigenregie zu übernehmen, mehr Autonomie in Bezug darauf, wofür das Geld ausgegeben wird. Aber sicher gilt hier das Gebot, dass die Bewohner alles dürfen sollen, aber nicht dazu verpflichtet werden, sich an kollektiven Einrichtungen zu beteiligen. Das Prinzip der Organisation ist simpel und bekannt: genossenschaftliche Formen lassen sich schon in Mehrparteienhäusern umsetzen. Das reicht von der gemeinsamen Anschaffung von Werkzeugen und Haushaltsgeräten, die nicht permanent individuell genutzt werden (von Bohr- bis zu den schon genannten Waschmaschinen) bis zu verschiedenen Kompetenzen, über die die Bewohner verfügen: seien es Kochkünste, Leidenschaften für das Gärtnern oder handwerkliche Fertigkeiten.

Zu den notwendigen Maßnahmen gehört auch die Förderung selbstverwalteter Wohnprojekte, sofern sie nicht profitorientiert sind. Als Modell dafür eignet sich das Syndikat,5 eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Die beiden Gesellschafter, Syndikat und Hausverein, besitzen jeweils eine Stimme und können daher nur gemeinsam Entscheidungen treffen. Die Bewohner sind finanziell beteiligt und berechtigt, die Häuser autonom zu nutzen, nicht aber einzelne Wohnungen (oder als Hausverein die ganze Immobilie) zu verkaufen, wenn sie aussteigen wollen. Das ist ein voraussetzungsvolles Arrangement, nicht sosehr bezogen auf ökonomische, sehr wohl aber auf kulturelle und soziale Ressourcen. Neben finanzieller Unterstützung wäre daher auch Beratung und organisatorische Begleitung wichtig, wenn dieses Modell über eine kleine Subkultur hinaus attraktiv sein soll.

Diese ersten Überlegungen zu Wohnen als Infrastruktur haben als Ausgangspunkt das Leben in der Stadt. Auf dem Land stellen sich die Schwierigkeiten zum Teil anders dar. In Gebieten, die von Landflucht betroffen sind, herrscht kaum Mangel an Wohnraum, wenn auch gelegentlich an Wohnraum, den sich auch die ärmere Bevölkerung leisten kann. Auch hier wären also Gemeindebauten mit der dazugehörigen Infrastruktur von etwa Kindergärten, Schulen und ähnlichem zu forcieren. Entscheidend ist auch hier eine partizipatorische Planung, besonders bei Umwidmungen in Bauland. In attraktiven Gegenden kann man eine „Verhüttelung“ beobachten: Einfamilienhäuser, die nur zum Schlafen, am Wochenende und jedenfalls nur von einer Generation benutzt werden. Das ist nicht nur aus Gründen der Landschaftspflege eine Entwicklung, die erhebliche Nachteile hat. Solche Wohnformen korrespondieren mit „repressiver Individualisierung“, wie sie der gegenwärtige Neoliberalismus herstellt und benötigt. Solidarität wird nicht zuletzt durch die räumliche Organisation erschwert, die der Bevölkerung für die Befriedung der Bedürfnisse zur Verfügung steht.

Besonders am Land, aber auch in der Stadt gibt es eine enge Verbindung zu „Verkehr als Infrastruktur“ – aber diese Geschichte soll ein anderes Mal erzählt werden. Jedenfalls wird am Beispiel „Wohnen“ besonders deutlich, dass es die gesamte Lebensweise betrifft, wie dieses organisiert ist. Raum ist längst als soziale Kategorie entdeckt worden und als solche nicht zu unterschätzen. Wie unser Leben räumlich strukturiert ist, wirkt darauf zurück, welche Formen von sozialen Beziehungen überhaupt möglich, welche forciert und welche nur gegen die herrschenden Machtstrukturen, wenn überhaupt, erkämpft werden können.

Schlussbemerkung

In der AG Links-netz fehlt es an Wissen und Kompetenzen, die bau-, planungs- und bodenrechtlichen Maßnahmen zu benennen, die dem Konzept vorausgesetzt sind. Wie das Grundstückangebot gesichert werden kann und, damit verbunden, welche Bodennutzungsrichtlinien und Bauauflagen für Wohnen als soziale Infrastruktur relevant sind, darüber wüssten wir gerne Genaues. Möglichkeiten, dass Miet- nicht in Eigentumswohnungen umgewandelt werden dürfen, oder weiterführend, dass (leerstehende) Bürogebäude als bezahlbare Wohnungen in Innenstädten nutzbar gemacht werden, wären rechtlich und im Rahmen von Stadtplanung auszuloten.

Wie bei all unseren Papieren zur sozialen Infrastruktur möchten wir mit einer Einladung schließen, das Papier zu kritisieren und vor allen Dingen um Aspekte zu ergänzen, die hier nicht hinreichend ausgeführt sind. Wie wir wohnen ist schließlich zu wichtig, um das Nachdenken darüber dem Kapital zu überlassen.

Anmerkungen

  1. http://www.links-netz.de/K_texte/K_holm_wohnen.htmlZurück zur Textstelle
  2. http://www.links-netz.de/K_texte/K_ronneberger_wohnen.htmlZurück zur Textstelle
  3. Vgl. Wilhelm Kainrath (o.J., o.S.) Die gesellschaftspolitische Bedeutung des kommunalen Wohnbaus in Wien der Zwischenkriegszeit, in: Kommunaler Wohnbau in Wien, Hrsg.: Presse- und Informationsamt der Stadt Wien.Zurück zur Textstelle
  4. Vgl. dazu die einschlägigen Papiere: http://www.links-netz.de/K_texte/K_links-netz_gesundheit.html; http://www.links-netz.de/K_texte/K_bruechert_infrastruktur.htmlZurück zur Textstelle
  5. Vgl. dazu die Selbstdarstellung unter: http://www.syndikat.org/; in der Rubrik „Verbundbausteine“ wird das Prinzip genauer erläutert. Zurück zur Textstelle
© links-netz März 2013