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Holocaust im Holodeck?

Raumschiff Enterprise und die moralischen Dilemmata an den Grenzen des Universums

Hanno Loewy

Ein kobheerianischer Frachter bringt einen rätselhaften Passagier auf die Raumstation Deep Space Nine. Der Mann leidet offenbar unter einer seltenen Krankheit, dem Kalla-Nohra Syndrom. Major Kira Nerys (Nana Visitor) lässt den Unbekannten festnehmen, denn er weckt einen Verdacht in ihr. Wie fast alle Folgen der Serie StarTrek, hierzulande besser bekannt als Raumschiff Enterprise, präsentierte auch Duet (die deutsche Fassung wurde unter dem Titel Der undurchschaubare Marritza ausgestrahlt) 1993 ein moralisches Dilemma. Und wie in so vielen Folgen von StarTrek spielten die Sternenvölker der Cardassianer und der Bajoraner dabei eine besondere Rolle. Doch davon später. Auch nach 1997, als in der nächsten Staffel Voyager sich StarTrek auf den Weg nach Hause zur Erde, machte trübten die spannungsreichen Beziehungen zwischen Cardassianern und Bajoranern so manches Mal die Stimmung an Bord.

Nun ist StarTrek tatsächlich wieder „zu Hause“ angekommen. Raumschiff Enterprise fliegt nicht nur wieder, die Serie heißt nun auch so: seit September 2001 führt in den USA die fünfte Staffel der Science-Fiction Serie den Klassiker in seine eigene Vorgeschichte, seit März sind die neuen Folgen nun auch in Deutschland zu sehen.

Als Kirk und Spock vor bald vierzig Jahren zu ihren Reisen ans Ende des Universums aufbrachen, konnte man sich schon denken, dass uns dort unsere eigene Gegenwart begegnen würde. Fantastische Chiffren einer amerikanischen Utopie im Umbruch, eines Melting-pot-Universalismus der seine inneren Widersprüche zu erkennen begann, der im Modell einer neuen Welt die Gegensätze der alten zu entdecken begann. Zu dieser „alten Gegenwart“ gehörte die Erinnerung an „unerhörte“ Verbrechen und ihre mediale Repräsentation. Immer wieder hat diese Gegenwart der Geschichte die Zukunft in StarTrek eingeholt. Auch der undurchschaubare Marritza ist so ein Sendbote einer untoten Vergangenheit.

Vor einigen Jahren, das wissen die Trekkies, die Fans der Serie schon, als 1993 „der undurchschaubare Marritza“ an Bord kommt, haben die Cardassianer den Stern Bajor erobert, seine Bewohner in Massen bestialisch ermordet und als Sklavenarbeiter missbraucht. 60 Jahre lang, von 2309 bis 2369, währte die Besetzung Bajors durch die herrschsüchtigen Cardassianer, deren Planet von Kriegerdenkmälern überzogen ist. Bekannt für ihre Hingabe an Staat, Familie und Kindererziehung, aber auch für einen Ethos der Gefühlskälte, beeindruckt Cardassia seine Bürger unter anderem mit einem Justizsystem, das von der Schuld des Angeklagten ausgeht und in dem die Urteile vor der Verhandlung feststehen. Die Fan website www.startrek.com schildert die Sitten und Gebräuche dieser humanoiden Eroberer am Rande des Alpha-Quadranten mit lakonischen Worten. „Ihre Gefangene zu misshandeln gehört zu ihrem Ruf, aber in der Welt des Handels sind sie dafür bekannt, ihre Rechnungen zu bezahlen. Andere Kulturen scheinen ihren Geschmack in Bezug auf Nahrungsmittel nicht zu teilen, insbesondere was Yarmouk-Sauce angeht.”

Die Bajoraner hingegen sind für ihren tiefen, spirituellen Glauben bekannt, dem sie die Kraft verdanken, selbst ein halbes Jahrhundert cardassianischer Besatzung zu überleben.

Nun aber müssen sich die Bajoraner und Cardassianer in der „Föderation“ friedlich zusammenraufen. Das geht nicht ohne Reibungen, und nicht ohne störende Erinnerungen.

Deep Space Nine, die von 1993 bis 1999 produzierte dritte Staffel von StarTrek, spielt am Rande des Universums, ganz in der Nähe der Planeten Bajor und Cardassia. Und die gleichnamige Raumstation bewacht ein „wormhole“, einen galaktischen „shortcut“, einer Abkürzung zum Gamma-Quadranten in dem ein düsteres Bündnis namens „Dominium“ herrscht.

Das Kommando auf Raumstation „Deep Space Nine“, wo Angehörige der unterschiedlichsten humanoiden und anderer Völkerschaften der unzähligen Planeten der Föderation („verteilt über achttausend Lichtjahre“) ihren Dienst tun, um die Sternenallianz vor den Feinden „draußen“ jenseits des Wurmloches zu verteidigen, hat Benjamin Sisko (Avery Brooks), ein Afro-Amerikaner.

Eher widerwillig hat er die Aufgabe auf der ehemals Cardassianischen Raumstation angenommen, um als Emissär der Förderation an der Schwelle zwischen Alpha- und Gamma-Quadrant für Ruhe zu sorgen – als die Entdeckung des „Wurmlochs“ im Jahr 2369, am Ende der Cardassianischen Schreckensherrschaft, aus diesem Anus Mundi plötzlich einen „hotspot“ des Universums gemacht hat, Zugang zu einem Zwischenraum zwischen den Welten.

Schon 1966 startete Raumschiff Enterprise mit einem damals überraschenden, multikulturellen Team an Bord. Kommunikationsoffizier Uhura wurde, von Martin Luther King bestärkt, von der schwarzen Schauspielerin Nichelle Nichols gespielt. Das war freilich noch eine Rolle am Rande. Aber wer kann schon Officer Spock vergessen, den rationalistischen Vulkanier – gespielt von Leonard Nimoy, dem einzigen jüdischen Schauspieler an Bord, der seine Schauspielerkarriere einst an einem jiddischen Theater begonnen hatte. Jede Staffel der in den achtziger und neunziger Jahren immer wieder neu aufgelegten Serie hatte ihren Grundton. „Während es in der ersten Serie,“ so schreibt Alexander Ruoff, „mit Kirk und Spock und McCoy noch ganz hemdsärmelig hinaus in die unbekannten Weiten geht, um die Wunder, die dort liegen zu erforschen, setzte man in The Next Generation weit mehr auf Diplomatie.“ In der zweiten Staffel wurden die Helden vorsichtiger. Nicht burschikose Launigkeit, sondern die Weisheit eines Jean Luc Picard war nötig, um in einem unendlichen Raum fremder Kulturen zu bestehen. Und Trekkies erinnern sich daran, dass zu dieser Weisheit leider auch ein gehöriges Maß an Humorlosigkeit gehörte. Deep Space Nine hingegen war als Grenzposten gegenüber einem feindlichen Außen charakterisiert – und von dem Witz, der dazu gehörte in diesem Schwellenzustand zu bestehen. Wo „Deep Space Nine,“ so Ruoff, „die Darstellung der Ahnung ist, dass die aufklärerische Utopie, sei’s von außen, sei’s von innen ständig bedroht ist“, da will die Voyager in der vierten Staffel schließlich nur noch eines: nach Hause zurück. „Man hat sich zu weit hinausgewagt.“

Wenn die Förderation die Realisierung eines Menschheitstraums ist, dann freilich nur, um zu zeigen, dass dieser Traum sein Material aus der Wirklichkeit bezieht, aus der er sich herauszuträumen wähnt. Am Rande des Universums begegnen die „Humanoiden“, ob Menschen oder Vulkanier, nur sich selbst, ihren Vorurteilen und Bedrohungsängsten, ihrem Rassismus und ihren Größenphantasien. Zugleich erweist sich StarTreks Entdeckungsreise im „All“, also im Gesamt des Möglichen, auch als Erkundung an den Grenzen der Moral und Ideologien, ohne sie freilich überschreiten zu können oder zu wollen. Immer geht es dabei um dilemmatische Situationen, in denen die Helden in Konflikte zwischen Werten geraten. Mag sein, dass ein selbstgewisser ideologiekritischer Blick genau darin die „Falle“ des Science Fiction erblickt: uns nämlich die Zukunft als eine Gegenwart vorzustellen, als eine Fiktion, die doch nur jenen Plotstrukturen entsprechen kann, die wir als Narrative verstehen, und die Northrop Frye in seinem Modell der „Archetypen“ als das Spektrum des „Erzählbaren“ interpretiert hat. Eine Utopie jenseits dieser Narrative (des tragischen und komischen, romantischen und satirischen) schließt der Science-Fiction und gerade er freilich aus. In dem er an die Grenzen (der Zeit und des Raumes) geht, führt er uns immer nur zu uns selbst, so wie wir sind.

StarTrek macht davon keine Ausnahme, gerade weil es das Abenteuer der galaktischen Ritterromanze, den Initiationsflug durch die schwerelosen Weiten – die Begegnung mit den Monstern und Ausgeburten der Nächte und den verführerischen Sirenenklängen der Tagträume – in eine Serie verwandelt, die keinen endgültigen Abschluss, kein erlösendes Happy End, sondern nur Vorläufigkeiten kennt. Die phantastischen Codierungen dieser Konflikte ließ Raum für vielfältige Anspielungen.

1968 landeten Kirk und Spock auf dem Planeten Ekos. Überrascht müssen sie feststellen, dass auf diesem fernen Planeten, wie es scheint, die Nationalsozialisten die Macht übernommen haben, mit allen Insignien. Die Herrscher dieser Welt schicken sich gerade an, die Endlösung der Zeonfrage zu vollenden. Ekos selbst, so erfahren wir, sei schon „zeonfree“, und der atomare Vernichtungsschlag gegen die Heimat der Zeonianer steht bevor. Kirk kennt die Hakenkreuzfahnen und SS-Uniformen aus dem Studium. Schließlich hat er terrestrische Geschichte gelernt. Und es ist sein ehemaliger Professor, John Gill, den sie auf Ekos suchen – ein Historiker, der wie sie feststellen müssen die Wiedergeburt des Nazi-Reiches ins Werk gesetzt hat.

Gill hat den Versuch unternommen, die ökonomische Effizienz und scheinbare Rationalität der absoluten Herrschaft zu einem besseren Resultat zu führen als vor 300 Jahren. Doch Gill ist einer Illusion aufgesessen. Die „Rationalität“ absoluter Herrschaft erweist sich als Chimäre, im wahrsten Sinne als Droge, die ihm von seinem Stellvertreter Melakon (Skip Homeier) eingeflößt worden ist, der Gill längst als willfährige, manipulierte Marionette benutzt. Nicht Rationalität nämlich ist es, die das System zusammenhält, sondern der von Melakon gezüchtete Hass gegen die Zeonianer. „Because with no one to hate there would be nothing to hold them together. So the party has built us into a threat, a disease to be wiped out”, so erklärt Isak, der Zeonianer, Spock im Gefängnis, in dem Kirk und Spock gelandet sind, weil Spocks Ohren das Misstrauen Ekosianischer Soldaten geweckt haben. Doch Kirk, Spock und den zeonianischen Widerstandskämpfern gelingt die Flucht. Als Filmteam getarnt dringen sie in das Hauptquartier der „Nazis“ ein.

Um die Gegner abzulenken gibt Kirk vor, Spock – einen fremden Spion – gefangen zu haben, und übergibt ihn Melakon, der an Spock (oder am jüdischen Schauspieler Nimoy) seine Rassenkunde betreibt: „Note the sinister eyes and the malformed ears – definitely an inferior race. Note the low forhead, denoting stupidity – the dull look of a trapped animal.“ Melakon ordnet Spocks Hinrichtung an und verspricht seinen Körper dem Kulturmuseum. „He’ll make an interesting display.”

Weit davon entfernt, uns eine bessere Zukunft zu lehren, liefert Geschichte vor allem einen „blueprint“ für neuen Völkermord. Geschichte ist hier kein moralischer Lernprozess, sondern eine Folge von Irrtümern und falschen Vorbildern, deren Kontinuität es aufzusprengen, nicht zu bestätigen gilt. Das Abenteuer auf Ekos findet sein gutes Ende, mit tragischen Begleitumständen. Kirk und Spock gelingt es, Gill aus den Fängen Melakons zu befreien und aus dem Bann seiner Drogen. Gill erkennt seinen Fehler und befiehlt, die schon gestartete „Endlösung“ zu stoppen. Seine Schuld büßt er mit dem Leben (Melakon erschießt ihn, bevor er selbst von Isak niedergestreckt wird), doch der sterbende Gill hat noch die Gelegenheit zu einem pathetischen Schlusswort: „I was wrong. The noninterference direction ist the only way. We must stop the slaughter... Even historians fail to learn from history. They repeat the same mistakes. Let the killing end.”

Doch auch die Maxime der Enterprise, sich nicht in Konflikte anderer einzumischen, bleibt am Ende ambivalent – schließlich verhindert nur das Eingreifen von Kirk und Spock die Katastrophe. Aus grundsätzlicher Nichteinmischung wird eine Kette von unvermeidbarer Einmischung zur Verhinderung der Folgen von Einmischung. Grundsätze sind in der Welt von Enterprise nur so gut, wie die Ausnahmen, die man von Ihnen zuweilen machen muss – und umgekehrt. Vor dem Hintergrund der amerikanischen Intervention in Vietnam, war dies ein höchst aktuelles und kontroverses Thema. Zwei Wochen nach Patterns of Force, so der Titel der Episode, ging es in The Omega Glory noch unmittelbarer zur Sache. Da geriet die Crew in den Konflikt zwischen Kohms und Yangs.

Die Kohms, von den arroganten Yangs bedroht, erweisen sich als Abkömmlinge kommunistischer Chinesen. Und die Yangs als wahre Yankees: wie eine Reliquie verehren sie den Text der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung. Nur ihre Bedeutung verstehen sie nicht und bekommen sie schließlich von Kirk pathetisch erklärt: die Universalität der Menschenrechte, die sich auch auf die Kohms erstrecken würden.

In den folgenden Staffeln waren solche „wörtlichen“ Anspielungen seltener zu finden, sondern phantastische Spiele mit den Grenzen des Menschlichen und des Körpers – in einer Welt, die man nun nicht mehr nur mit den Völkern des bekannten Universums, sondern auch mit Halb- und Zwischenwesen teilen muss, die ihre Gestalt wechseln, ja den Körper eines anderen besetzen können. „Multikulturelle Toleranz“ paart sich durchaus mit paranoiden Ängsten, einem kulturalistischen „Rassismus“, der den Anderen immer auch als „das Andere“, und das heißt als Bedrohungsphantasie begreift. StarTrek aber lässt keinen Zweifel daran, dass das Misstrauen gegen den „Anderen“ am Ende selbst die größte Gefahr darstellt.

Im 24. Jahrhundert, in dem die nächsten Staffeln von StarTrek spielen, ist der Weltraum längst kein linear zu vermessendes Kontinuum mehr. Stabile und temporäre Wurmlöcher verbinden verschiedene Dimensionen und „Quadranten“ miteinander. Und damit verschiedene Geschichten, deren Berührung in Katastrophen enden können. Die Wesen, die die Welt der in den achtziger und neunziger Jahren folgenden Staffeln von Raumschiff Enterprise bevölkern, sind längst nicht mehr, was sie zu sein scheinen. Odo, der Sicherheitsoffizier auf Deep Space Nine ist ein „Changeling“, ein Wesen, das aus dem Dominium, also dem Gamma Quadranten stammt und einen fremden Leib annimmt. Früher hat er den Cardassianern gedient, doch seine „Neutralität“ ist unbestritten und so versieht er nun seinen Dienst für die Förderation. Sein Name „Odo“ bedeutet in der Sprache der Changelings „Niemand“ und sein Gesicht ist ein „blank“, eine unbeschriebene Fläche, was besonders drastisch deutlich wird, wenn er sich mit auf charakteristische Weise von ihren Trieben beherrschten Wesen unterhält, wie Nog (Aron Eisenberg), dem Ferengi, einer besonders an Geld und an Spiel interessierten Völkerschaft. Auch Jadzia Dax (Terry Farrell), Wissenschaftsoffizier auf Deep Space Nine und Entdeckerin des „wormhole“, bewohnt als „trill“ einen „host“, einen fremden Leib mit dessen Wesen sie symbiotisch verbunden ist. Das führt zu komplexen inneren Konflikten, hinter der Oberfläche ihrer gegenwärtigen weiblichen, hübschen und introvertierten Gestalt.

Schon in StarTrek: The Next Generation werden die Föderierten von einer besonders unangenehmen Spezies auf der Suche nach Wirtskörpern bedroht, den Borgs, die sich fremde Körper assimilieren, indem sie sie mit technischen Implantaten überschwemmen und damit kontrollieren. Noch in Voyager werden die Borgs, diese technoiden Kollektivwesen, die weder Körpergrenzen noch Individuen kennen, immer wieder zu einer Bedrohung, von außen wie von innen. Die schöne Seven of Nine, hatten die Borgs schon fast assimiliert. Gerade noch rechtzeitig konnte sie gerettet und von den meisten der schon in sie versenkten Implantaten befreit werden. Immer wieder erfasst sie die Angst, die Borgs könnten noch Macht über sie besitzen. Eine Cyborg-Phantasie über das alte Thema des Verfolgungswahns.

Wenn hinter so vielen Gesichtern andere Wesen stecken, was also verbirgt sich in der Episode Duet hinter dem undurchschaubaren Marritza, jenem an „Kalla-Nohra“ leidenden Cardassianer, der auf Kiras Geheiß auf Deep Space Nine festgehalten wird? Seine Krankheit ist bislang nur bei denjenigen aufgetreten, die bei einem Grubenunglück im Sklavenlager Gallitep zugegen waren, den wenigen bajoranischen Überlebenden und ihren cardassianischen Bewachern. Major Kira Nerys, die stellvertretende Kommandantin auf Deep Space Nine, ist selbst Bajoranerin. Einst hat sie als Untergrundkämpferin geholfen, das Lager zu befreien. Kira zieht die Untersuchung in diesem Fall an sich, aus Motiven, die in einigen Dialogen an Bord von ihren Kollegen skrupulös betrachtet und in Zweifel gezogen werden. Doch Commander Sisko lässt sie gewähren, obwohl der cardassianische Führer Gul Dukat ihn unter Druck setzt. Der Führer der Bajoraner hingegen verlangt die Auslieferung des mutmaßlichen Kriegsverbrechers.

Der Mann beteuert seine Unschuld auf irritierend arrogante Weise. Er gibt zu, in Gallitep gewesen zu sein: aber nur als Datenverwalter. In seiner Laufbahn sei nie auch nur eine Datei verloren gegangen, brüstet er sich und der Größenwahn des Bürokraten springt ihm aus den Augen. Marritza spielt, wie sich herausstellen wird, ein verwirrendes Spiel. Es stellt sich heraus, dass er nicht der Datenverwalter war, der er zu sein vorgibt, sondern der ehemalige Kommandant des Lagers selbst, nicht Marritza sondern Gul Darhe’el. Eine Fotografie bringt es, von Jadzia Dax einmal in die richtige Richtung gedreht, an den Tag.

So stößt StarTrek, das Museum in Washington ist gerade kurz zuvor eröffnet worden, in den phantastischen Weiten des Alls wieder auf die Bilder von Auschwitz. „Sie nennen es Holocaust. Ich nenne es mein Tagwerk“, antwortet der undurchschaubare Marritza auf den Vorwurf, einst im Cardassianischen Todeslager Gallitep Massaker an gefangenen Bajoranern begangen zu haben.

Doch kurz bevor er seinen Kriegsverbrecherprozess bekommt, erweist auch dies sich als Täuschung. Hinter der Maske einer Gesichtsoperation verbirgt sich niemand anderes, als – Marritza, der arglose Mitläufer und Datenverwalter, der ein Held der Vergangenheitsbewältigung werden möchte, nachdem er zu feige war, ein cardassianischer Massenmörder zu sein, wie er schluchzend einbekennt. In der Identität des KZ-Kommandanten will er die Hauptrolle in einem kathartischen Prozess spielen, der seinem Volk, den Cardassianern, endlich das Eingeständnis ihrer Schuld ermöglichen soll. In diesem Spiel um Rache und Reue, Recht und Gerechtigkeit bleiben schließlich keine möglichen Wendungen des Plots unerprobt, und zugleich alle Fragen offen. Marritzas an den Tag gelegte Identifikation mit dem Bösen ist mehr als bloß ein Spiel zum guten Zweck. Man glaubt sie ihm noch in jenem Moment, wo „Gul Darhe’els“ hämisches Lachen über die Feigheit des sich unterm Schreibtisch verkriechenden Datenverwalters, der die Schreie der Gequälten nicht ertragen kann, schon in Marritzas Schluchzen übergeht, der seine Rolle als größenwahnsinniger Täter aufgibt und zum großartigen Sühneleistenden wird, ohne dass man sicher sein kann, dass dies nicht auch nur eine Rolle ist, auf der Suche nach „Größe“. Der Größenwahn des reuigen Sünders erschreckt uns fast so, wie der Stolz des Täters über die Tat. Monströs ist auch der banale Mitläufer, der sich feige unter seinem Schreibtisch versteckt hat, als das Wissen um die Verbrechen in Form von Schreien hörbar in sein Büro drang, und den nun Reue erfasst. Welche Reue genau bleibt eigentümlich unklar.

Wie zumeist in StarTrek lösen sich auch in Duet die Widersprüche am Ende scheinbar unter Begleitung der obligatorischen Streichmusik auf. Marritza findet sein tragisches Ende als schuldlos schuldiger, als schicksalhaft Verstrickter. Ein auf Rache sinnender Bajoraner sticht ihn nieder und gibt Kira Nerys ihre Gelegenheit zu einem pathetischen Schlusswort, während sie den sterbenden Marritza so im Arm hält, wie Commander Kirk einstmals John Gill. Wie in „echten“ Tragödien, sind wir doch auch erleichtert über diesen Tod, der das Gleichgewicht wieder herstellt, und der doch die Geschichte zugleich offen lässt.

Spuren der medialen Erinnerung an den Holocaust durchziehen zahlreiche Episoden von StarTrek – vom quälenden Erbe der Kollaboration bis zu dem der Menschenversuche in den Lagern, ein Erbe, das auf Raumschiff Voyager (in einer Folge von 1998) den Schiffsdoktor vor ein Dilemma stellt. „The Doctor“, das ist mittlerweile ein Hologramm, in das so viel verfügbares medzinisches Wissen wie möglich eingescannt ist, eine Datensammlung in dreidimensionaler Form, ein Homunculus der gleichwohl begonnen hat, menschliche Gefühle zu entwickeln, zum Beispiel: Eitelkeit. Crewmitglied Torres wird von einem parasitären Wesen angefallen, das ihr Leben bedroht und „The Doctor“ ist, bei allen Daten, die er enthält, mit seinem Latein am Ende. Ein erfahrener Cardassianischer Arzt, Crell Moset, wird als zweites Hologramm aus dem Bordcomputer reproduziert. Seine „Erfahrungen“ stammen freilich, wie sich herausstellt, aus Menschenversuchen in einem Todeslager. Torres weigert sich, von dem Massenmörder, und sei es nur von dessen Simulation, Hilfe anzunehmen. Am Ende entscheidet Janeway pragmatisch: Torres wird gegen ihren Willen gerettet, nachdem immerhin das zweite moralische Dilemma gelöst werden kann. Es gelingt, den fremden Organismus von ihr abzulösen, ohne ihn dadurch zu töten, was Crell Moset (genauer: sein holografisches Double) für überflüssigen Luxus hält.

Aber die entscheidende Frage nach der amoralischen Herkunft des Wissens bleibt im Raum und wird ebenfalls pragmatisch entschieden: Das Programm Moset wird am Ende gelöscht, damit das verbrecherisch erworbene Wissen nicht noch einmal genutzt werden kann. „The Doctor“ der sich mit dem Hologramm Crel Mosets gut verstanden hat, stimmt dieser für ihn selbst recht unbehaglichen Lösung zu. Ein Kompromiss der das grundsätzliche Dilemma nicht löst. Die Beteiligten, und der Zuschauer wissen es. Das Vorbild des Hologramms, der Cardassianer Crell Moset, ist auf seinem Heimatplaneten, der längst zur Föderation gehört, noch immer als gefeierter Professor tätig.

Nicht nur die Geschichte und ihre Folgen, auch ihre Simulation selbst wird zu einer Herausforderung für die Gegenwart. In der Folge The Killing Game setzen jagdsüchtige „Hirogens“ in den Holodecks der Vojager eine perfekte Zweite-Weltkriegs-Simulation in Szene, mit Nazi-Hologrammen, die mit dem Töten selbst dann nicht mehr aufhören können, wenn ihre Programmierer schon keine Lust mehr haben.

StarTrek versucht, anders als so viele „Holocaust-Filme“ die wir kennen, keineswegs, historische Ereignisse, Katastrophen und Verbrechen zu repräsentieren. Stattdessen nehmen die Autoren der Science-Fiction Serie diese Repräsentationen zum Ausgangspunkt ihrer spielerischen Reflexionen. Und zuweilen geschieht dies auch ganz explizit: so wie in der Episode Living Witness. Hier steht die Institution Geschichtsmuseum schließlich selbst auf dem Prüfstand. Während 1998 die reale Welt über ein Eingreifen in den Bürgerkrieg auf dem Balkan streitet, wird ausgerechnet der Holo-Doctor von Raumschiff Voyager (sieben Jahrhunderte später reaktiviert) zum „Zeitzeugen“, diesmal eines Massenmords in einem Bürgerkrieg, in den die Voyager eingegriffen hätte.

Kathryn Janeway, die Kommandantin von Raumschiff Voyager, so beginnt die Episode, befiehlt mit zynisch unbewegtem Ton einen tödlichen Militärschlag gegen die Kyrianer. „Wenn die Diplomatie versagt, muss gnadenlos Gewalt angewendet werden.“ Unnahbar und kühl, so kennen wir sie, aber als kalte Mörderin?

Vom vaskanischen Botschafter um Hilfe im Bürgerkrieg gegen die Kyrianer gebeten, und gegen das Angebot ein naheliegendes von Kyrianern beherrschtes „wormhole“ für die ersehnte Heimreise zur Erde nutzen zu können, beginnt die Voyager und ihre Crew mit dem Einsatz von Massenvernichtungswaffen gegen die unschuldige kyrianische Zivilbevölkerung.

Doch all dies ist nur eine Simulation in einem Historischen Museum. 700 Jahre nach der fast vollständigen Auslöschung ihres Volkes kämpfen die Kyrianer im 31. Jahrhundert noch immer um Gleichberechtigung. Immerhin ist es ihnen gelungen, ein Museum zu bauen, das ihre Geschichte aus ihrer Sicht erzählt. Mit allen Mitteln der Museumsdidaktik, von originalen Relikten, Bildern und Plänen bis hin zu dreidimensionalen Simulationen.

Die Vaskaner beobachten das Ringen der Kyrianer um Anerkennung der historischen Schuld an ihrem Volk mit Misstrauen und eine gespannte Atmosphäre herrscht in dem Museum, in dem Kustos Quarren ein erst vor kurzem in den Ruinen gefundenes Artefakt untersucht. Es erweist sich als portabler Datenspeicher, der das Hologramm des Doctor von Raumschiff Voyager enthält: ein Zeitzeuge, auf den Quarren (immerhin 700 Jahre nach der Katastrophe) nicht mehr zu hoffen gewagt hat.

Quarren lässt das Hologramm wiederauferstehen und mit Schrecken erfährt „The Doctor“, dass die Crew des Raumschiffs Voyager im Museum als eine Bande von Massenmördern dargestellt wird, wie z.B. Seven of Nine als bestialische Kampfmaschine. Auch der Holo-Doktor erinnert sich an den kyrianisch-vaskanischen Bürgerkrieg aber ganz anders: an die Umstände, unter denen die Voyager damals ohne Absicht zwischen die Fronten geriet. Mit den Vaskanern über eine Handelsabkommen verhandelnd, seien sie von den Kyrianern angegriffen worden. Lediglich verteidigt hätten sie sich und schließlich die Flucht ergriffen, bevor die kriegerischen Auseinandersetzungen offenbar eskalierten. Quarren schenkt dem Holo-Doctor keinen Glauben und deaktiviert sein Programm. Doch nun nagen Zweifel an ihm. Zuviele Lücken klaffen offenbar in der geschichtlichen Überlieferung, die er selbst nur zu gern schließen würde. So lässt Quarren „The Doctor“ noch ein zweites Mal erscheinen, um von ihm eine lückenlose Darstellung aus seiner Perspektive zu erhalten. Und die erscheint ihm bald plausibler als seine, Quarrens, eigene Rekonstruktion. Während die beiden bei einem nächtlichen Treffen noch damit beschäftigt sind, holographische Erinnerungsversionen in der Simulationsvitrine miteinander zu vergleichen, überfallen erregte Vaskaner das Museum und zerstören die Installationen.

„The Doctor“ ist erschreckt, dass der Streit über die Geschichte offenbar geeignet ist, einen neuen Bürgerkrieg auszulösen (worüber Kirk in Patterns of Force am Ende noch Witze gemacht hat). Mit Quarren im verwüsteten Museum auf der Suche nach dem Datenspeicher seines Hologramms, verlangt „The Doctor“, dass Quarren ihn wieder löscht. Er fürchtet, dass seine Wahrheit nur neues Leid verursachen wird. Quarren aber besteht darauf, dass der Holo-Doktor für die Korrektur des historischen Mythos sorgt, für Wahrheit sorgt. Doch da nimmt der Plot der Episode erneut eine unerhoffte Wendung: Hinter dem Fenster einer Vitrine werden Gestalten sichtbar.

Doch nicht die Frau, die den anderen hinter der Glasscheibe vom Wendepunkt der kyrianisch-vaskanischen Geschichte erzählt, ist Teil eines Museumsdisplays, sondern „The Doctor“ und Quarren bei ihrem letzten Dialog.

Am Ende herrscht „Harmonie“ auf dem Planeten der Kyrianer und Vaskaner, Gleichberechtigung und Versöhnung. Zumindest in dem Raum auf der einen Seite der Glasscheibe, von dem wir annehmen können, er sei real. Aber statt eines Beweises dafür, den es in hinter der Glasscheibe unseres Fernsehgerätes nicht geben kann, kommt nur das Ende der Episode, die irgendwann in der Zukunft nach der Zukunft spielt. Und wir werden nie erfahren, was real und was Simulation war, oder wer tatsächlich die Kyrianer ausgelöscht hat, wenn nicht die Voyager, oder vielleicht doch die Vaskaner selbst, die nun ihre Harmonie mt den Kyrianern beteuern? Die Geschichte ist so vielschichtig erzählt, dass sie sogar ihren Autoren entgleitet. Am Ende sind wir selbst die Scheibe zwischen den Räumen, das Dazwischen, um das herum sich ein Karussell von wechselnden Blicken, von Virtualität und Realität zu drehen begonnen hat. Und während wir doch wissen, dass alle Virtualität nichts als eingescannte und manipulierte Realität bleibt, wissen wir auch, dass alle Realität nichts ist als Variationen von Variationen von Variationen. Fortsetzungen einer Serie.

Erzählt Patterns of Force noch vom Zweifel an den Lehren aus der Geschichte und erzählt Duet vom Zweifel daran, noch Gerechtigkeit herstellen oder Sühne leisten zu können, so erzählt Nothing Human schließlich vom Zweifel daran, nach den Verbrechen des „Undenkbaren“ noch in einem einheitlich-universalistischen moralischen Kosmos leben und entscheiden zu können. Living Witness schließlich inszeniert den Zweifel an der Erzählbarkeit von Geschichte überhaupt – auch wenn die Geschichte, wie alle Geschichten in STARTREK „gut“ ausgeht...

Wenn im Universum von StarTrek vom Holocaust die Rede ist, dann kaum von einem „realen“ historischen Ereignis, sondern von Fragen und Zweifeln, die ein solches Ereignis hinterlässt. „Causes and motiviations“, darüber hatte Professor Gill seinem Schüler Kirk an der Akademie noch einiges zu erzählen, geholfen hat es ihm selbst nicht, irgend etwas zu begreifen. Zur Erklärung der Geschichte selbst hat StarTrek hingegen wenig beizutragen, was über konventionelle Deutungen hinausgeht. Die Massenverbrechen erscheinen als Produkt megalomaner Herrschaft und als zynische Ausbeutung von Arbeitskraft, als „Zweckrationalität“ einer jeder Moral enthobenen Wissenschaft oder als Imperialismus. Die lapidare Erklärung aus Patterns of Force, der Hass auf Zeon sei das einzige, das Gills System auf Ekos zusammenhalten würde, verrät möglicherweise noch am meisten über die Funktion der Massenvernichtung für die Stiftung einer Gemeinschaft. Doch nicht Geschichte, sondern ihre Wirkung ist das Thema von StarTrek, dem Märchen einer beunruhigend faszinierenden Virtualität, auf den Schwellen und in den Zwischen-Räumen einer so archaischen wie modernen Nomadenexistenz.

Vor nun bald zwei Jahren, im September 2001, wurde schließlich die fünfte Staffel der Serie gestartet. Unter dem Traditionsnamen Enterprise ist StarTrek mit neuer Crew unter Führung von Captain Jonathan Archer (Scott Bakula) scheinbar zu seinen Ursprüngen zurückgekehrt.

Raumschiff Enterprise fliegt wieder: für Trekkies, die treuen Fans der Serie, ist die neueste Kreation von Gene Roddenberrys Team keine Reise in die Zukunft, sondern in die Vergangenheit. Vor bald vierzig Jahren machte sich StarTrek, mit Captain Kirk und Officer Spock, mit Pille und Scottie auf ins 23. Jahrhundert. Und von da an ging es voran. Nun führt uns Captain Archer „back to the roots“, zurück ins Jahr 2150. „I think there is something more down to earth about this show“, sagt Drehbuchautor Brannon Braga.

Sogar ein Schoßhund ist diesmal mit an Bord. Und die gleichbleibende Titelsequenz der Episoden stellt die Enterprise visuell in die Tradition menschlichen Entdeckerdrangs, von den ersten Schiffen auf dem Meer, über die ersten Flugpioniere des 20. Jahrhunderts und die Anfänge der bemannten Raumfahrt bis zum Aufbruch ins Universum. Wenn Enterprise sich heute der Gegenwart wieder nähert, dann drückt sich das nicht nur darin aus, dass es allenthalben menschelt. Nicht nur Archers Schoßhund verbreitet irdische Stimmung an Bord. Mal begegnet die Crew einem Frachter, dessen Besatzung sich mit einem Football die Zeit vertreibt, mal muss Archer und sein Team einer Schulklasse auf der Erde so naheliegende Fragen beantworten wie die nach der Beseitigung von Scheiße oder nach dem Liebes- und Sexleben an Bord.

Auch der Multikultarilismus hat im 22. Jahrhundert wieder „irdischere“ Dimensionen. Doch neben dem Denobulanischen Arzt Dr. Phlox (traditionsgemäß der komische Part an Bord) ist auch diesmal ein Vulkanier an Bord, genauer: eine Vulkanierin, was dem plot neue Möglichkeiten eröffnet. T’Pol (Jolene Blalock) begleitet die Enterprise auf ihrer ersten Expedition in die Weiten des Alls als vulkanische Beobachterin und Wissenschaftsoffizier. Doch bald entscheidet sie sich, ihre (wie es dort Sitte ist, von ihren Eltern geplante) Heirat auf ihrem Heimatplaneten zu verschieben und auf der Enterprise zu bleiben. So ganz nimmt man der kühlen Schönen ihren vulkanischen Ultra-Rationalismus nicht ab. Stille Wasser sind tief, und ein paar Einblicke in diese Tiefen hat schon in der ersten Saison schon manche Episode gewährt.

„Enterprise gets back to basics“ meldete Ron Wertheimer in der New York Times. Den Kritikern blieb es nicht verborgen, dass die neue Staffel gerade zur rechten Zeit kam. Als hätten die Autoren im Voraus geahnt, für welchen Markt, nach dem 11. September, sie die neue, alte Fabel ins Bild gesetzt haben. Enterprise soll in Zeiten der Unsicherheit nationales Selbstvertrauen wieder aufrichten, moralische Orientierung schaffen. Der Stolz der Erdenbürger unter amerikanischer Führung auf ihren Wertecodex – dessen Beharren auf dem Wert des Individuums gegenüber Kulturen wie der vulkanischen oder denobulanischen diskursiv ausgespielt wird – reibt sich zugleich an der realen Überlegenheit der Vulkanier, die die Menschheit an die Hand genommen haben. Die Vulkanier sind es, die die Menschen überhaupt erst mit Bedacht an die Beherrschung jener Technologie herangeführt haben, die die Expedition an die Grenzen des Universums überhaupt ermöglicht.

Die Fragen, die Enterprise stellt, sind trotz dieser Rückwendung zu den Ursprüngen und das heißt: zum Abenteuer der amerikanischen Nation als Projekt der Erfüllung von Menscheitsträumen, die gleichen geblieben. In die imaginäre Welt der Bilder der Konzentrationslager hat es mittlerweile auch Captain Archer und seinen schwarzen Steuermann Travis Mayweather (Anthony Montgomery) verschlagen. In der Episode Detained wachen sie in einer holzfarbenen Baracke auf und stellen fest, dass sie in einem Internierungslager gelandet sind, dessen Gestalt (Wachtürme, Scheinwerfer, Appell und Ausgangssperre, schwarz gewandete Wachen und altertümliche Öfen) bekannte Bilder wachrufen. Im Lager werden Zivilisten, ja Kinder gewaltsam und gegen jedes Recht von den herrschenden Tandarans festgehalten, nur weil sie dem Volk der Sulibans angehören. In deren Gestalt haben sich die Angehörigen einer verbrecherischen Organisation namens „cabale“ durch einen genetischen Trick eingenistet. Die „cabale“ manipuliert ihre Opfer und besitzt die Fähigkeit, ihre Gestalt beliebig zu verändern. Die zumeist jedoch völlig unschuldigen Sulibans haben Gesichter wie Aussätzige, ihre Heimat ist seit 300 Jahren unbewohnbar und sie leben in der Diaspora verschiedener Planeten, auf denen sie teils akzeptiert und teils verfolgt werden – eine schillernde Mischung von aktuellen Anspielungen auf Taliban und Afghanistan und von Assoziationen antisemitischer Stereotype, die (ohne je explizit zu werden) vorgeführt und zugleich demontiert werden. Captain Archer aber kommt angesichts der Leiden der Gefangenen eine ganz andere historische Erinnerung in den Sinn, die nach dem 11. September vielleicht noch weniger bequem ist, als zuvor: die Internierung stigmatisierter japanisch-amerikanischer Bürger im 2. Weltkrieg. Der Crew gelingt es, die Tandarans zu überlisten und den Gefangenen, in einem klassischen escape plot, den Ausbruch aus dem Camp zu ermöglichen. Ob die Flüchtenden in Sicherheit gelangen werden, bleibt freilich am Ende offen.

So bleibt Enterprise der phantastische Spiegel der Gegenwart der USA, und eben nicht nur der USA, kritisch und versöhnend zugleich, aber jedenfalls aufgeweckt wie eh und je.

© links-netz März 2004