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„Der Begriff Humankapital sieht die Menschen ... als Träger von Wert – statt nur als Verursacher von Kosten.“

Anmerkungen zum umstrittenen Unwort des Jahres 2004

Christine Resch und Heinz Steinert

Das Jahr des Humankapitals

„Für das Jahr 1999 beziffern die Kölner Wissenschaftler [des Instituts der deutschen Wirtschaft] das Humankapital der voll erwerbstätigen Bevölkerung auf knapp 3750 Milliarden Euro. ... Nach Angaben der Verfasserin der Studie, Christina Henke, ist der geringe Zuwachs von jahresdurchschnittlich 1,8 Prozent im wesentlichen darauf zurückzuführen, dass zwischen 1992 und 1999 fast 2,4 Millionen Vollzeit-Arbeitsplätze verlorengingen.“ (FAZ, 20. Januar 2005)1

Seit damals haben es die Zählungen in Deutschland auf fünf Millionen Arbeitslose gebracht. Das seinerzeit konstatierte geringe Wachstum des deutschen Humankapitals ist, so muss man befürchten, inzwischen mit Hilfe von Hartz IV in die „Vernichtung von Humankapital“ übergegangen. Man könnte allenfalls hoffen, dass wir es dieses Mal, um einen fast hundert Jahre alten Begriff von Joseph A. Schumpeter zu bemühen, mit einer „kreativen Zerstörung“ (dieses Mal von „Humankapital“) zu tun haben. Irgendwie muss es schließlich gelingen, neo-liberale Rationalisierung und die Propaganda für Wissensgesellschaft miteinander zu verbinden.

Kürzlich hat eine Jury, die der Frankfurter Sprachwissenschaftler Horst Dieter Schlosser organisiert, den Begriff „Humankapital“ zum Unwort des Jahres 2004 erklärt. Zur Begründung heißt es: „Die Bezeichnung degradiere nicht nur Arbeitskräfte in Betrieben, sondern mache den Menschen allgemein zu einer nur noch ökonomisch interessanten Größe.“ (www.reuters.de) An zweiter Stelle rügte die Jury die „Begrüßungszentren“, ein Wort, das wir Otto Schily verdanken, an die dritte Stelle wurde der Ausdruck „Luftverschmutzungsrechte“ gesetzt. Die Entscheidung für das Unwort des Jahrhunderts fiel auf den Ausdruck „Menschenmaterial“.

Auch 2004 hat Stephen Amidon, einer jener zahlreichen Produzenten von Kunstgewerbe der Kategorie „gehobene Unterhaltung“, gekonnt geschrieben, Tiefsinn suggerierend, aber inhaltlich belanglos, seinem fünften, offenbar gut gehenden Buch den Titel „Human Capital“ gegeben. Wörtlich taucht das „Humankapital“ in der Geschichte nur einmal auf: als Schadenersatz, der für einen bei einem Autounfall getöteten Mann zu zahlen ist und der als dessen „Humankapital“ berechnet wird – das Einkommen, das er bis zu seiner durchschnittlichen Lebenserwartung noch machen hätte können. Die Juristen wissen schon lange, wie viel ein Finger, ein Arm, ein Auge, schließlich auch ein ganzer Mensch im Versicherungsfall kostet, also „wert ist“. Mit dem Aufstieg des betriebswirtschaftlichen Denkens zur Weltanschauung haben wir gelernt, uns selbst umfassend und immer danach zu bewerten, was wir in diesem Sinn „wert sind“. Deshalb brauchen wir und besonders die Jungen eine gute Ausbildung: Damit akkumulieren sie Humankapital.

Der riskante und schmerzliche Prozess der Anpassung, die allmähliche Umwandlung von unsortierten pubertären Erlebnissen und Gefühlen in eine Karriere als „Humankapital“ ist allgemeiner der Gegenstand dieses Romans. Die Anpassung ist riskant, weil die Eltern so damit beschäftigt sind, Geld zu machen, dass sie die Jungen kaum ausreichend dabei anleiten können. Schließlich gelingt der Übergang aber doch – mit Hilfe des elterlichen Geldes, das nicht zuletzt dafür eingesetzt wird, die Unfalls-Folgen einer nächtlichen Autofahrt zu kompensieren. Alles wird gut, auch der riskante Hedge-Fonds des Vaters wirft wieder die Millionen ab, nur der junge Proli, der durch die Liebe unter die reichen Kids geraten ist, muss leider sterben. Sein Humankapital war ohnehin zu vernachlässigen.

Unter dem Suchbegriff „Humankapital“ bietet Amazon 58 Bücher zum Kauf an, darunter „Humankapitalbildung und Beschäftigung“, „Die Bewertung von Humankapital – eine kritische Analyse“, „Humankapital als Standortfaktor – Volkswirtschaftliche Betrachtungen“, „Arbeitslosigkeit als Vernichtung von Humankapital und Menschen“ oder „Humankapital – Fördern oder vergeuden?“. Wir haben es wahrlich mit einem gut etablierten Begriff zu tun. Was sich derart bewährt hat, kann kaum „grob unangemessen“ sein oder gar „die Menschenwürde verletzen“ – die Kriterien der Jury für das Unwort des Jahres.

Führende Wirtschaftswissenschaftler des Landes haben, so ist in der FAZ (20. Januar 2005) zu lesen, entrüstet auf die Wahl reagiert. Zehn davon, allesamt Inhaber eines „Lehrstuhls“ an einer der deutschen Spitzenuniversitäten, dürfen in der genannten Ausgabe auch begründen, warum sich die Zukunftsfähigkeit eines Landes im Wettbewerb um Wissen entscheide.

Die verärgerten Wirtschaftswissenschaftler

Bernd Raffelhüschen (Lehrstuhl für Finanzwissenschaft, Universität Freiburg) begründet seinen Unmut mit Fakten: „Wir Ökonomen benutzen dieses Wort sei Jahrzehnten für die beste Form der Ersparnisbildung, die wir kennen!“ Die meisten Ökonomen sind dementsprechend entsetzt über das fehlende Humankapital, das sich in der Wahl dieses Begriffs zum Unwort ausdrücke:

„Wer darin ein Unwort sieht, ist ein ökonomischer Analphabet und sollte sich das Schulgeld zurückgeben lassen. Ein Jammer, dass man durch das Eingeständnis, von Mathematik und in Wirtschaft wenig zu verstehen, hierzulande auch noch soziale Pluspunkte sammeln kann; ich finde dieses Gutmenschengehabe einfach widerlich.“ (Walter Krämer, Lehrstuhl für Wirtschafts- und Sozialstatistik, Universität Dortmund)

Zunächst noch geduldig gehen sie sofort daran, den ignoranten Geisteswissenschaftlern zu erklären, dass mit „Humankapital“ etwas durchaus Positives gemeint sei:

„Aber natürlich ist Humankapital etwas Positives. Das müssen wir nur geduldig erklären. Die Leute missverstehen das und manche nur zu gern.“ (Manfred J. M. Neumann, Lehrstuhl für Wirtschaftspolitik, Universität Bonn)

„Wenn man aber nicht (noch) in den Bahnen marxistischer Kapitalismuskritik denkt, kann die Rede vom Humanvermögen oder Humankapital eigentlich nur positiv bewertet werden. Der Begriff verweist gerade auf den Wert der Menschen, den Wert der Mitarbeiter für ein Unternehmen, den Wert der Kinder für die Zukunft, den Wert des nur den Menschen möglichen Denkens in der Wissensgesellschaft.“ (Gerhard Kleinhenz, Lehrstuhl für Wirtschafts- und Sozialpolitik, Universität Passau)

„Der Begriff Humankapital sieht die Menschen im Unternehmen nicht menschenverachtend als ökonomisierbare Masse, sondern als Träger von Wert – statt nur als Verursacher von Kosten.“2 (Christian Scholz, Lehrstuhl für Organisation, Personal- und Informationsmanagement, Universität des Saarlandes)

„Das (dass die Menschen eher und dauerhafter einen Arbeitsplatz erhalten, wenn sie über einen hinreichenden Bestand an Wissen verfügen) ist genauso menschlich wie die Beobachtung, dass Humankapital Spaß machen kann und dazu dient, sich selbst zu verwirklichen.“ (Wolfgang Franz, Lehrstuhl für Volkswirtschaftslehre, Universität Mannheim, und ZEW)

Positiv aber ist „Humankapital“ nicht nur für seine Träger, positiv ist es vor allem für die Unternehmen und für die Volkswirtschaft:

„Gerade das rohstoffarme Deutschland kann nur über ‚Investition in die Köpfe’ (lateinisch caput) seinen Platz als maßgeblicher Exporteur in der Welt halten. Sollte man die ‚Investition in die Köpfe’ – die Bildung von Humankapital – unterlassen, weil Philologen diesen Zusammenhang nicht verstanden haben?“ (Joachim Starbatty, Lehrstuhl für Wirtschaftspolitik, Universität Tübingen)

„Ebenso wie in Sachkapital muss man in Humankapital investieren, also lernen, um sich es anzueignen, und leider unterliegt Humankapital auch einer Abschreibung, weil es auf Grund des technischen Fortschritts veraltet.“ (Wolfgang Franz, Lehrstuhl für Volkswirtschaftslehre, Universität Mannheim, und ZEW)

„Humankapital ist eher ein egalisierender Faktor in einer durch materielles Vermögen ungleich gestellten Gesellschaft, der die Diskrepanzen der Verteilung wieder wettmachen kann – vor allem hierzulande, wo theoretisch jeder den Zugang zu den Universitäten hat. Aber wer es nicht wissen will...!“ (Michael Burda, Lehrstuhl für Wirtschaftstheorie, Humboldt-Universität Berlin)

„Dank der Konzepte des Humankapitals erfährt der Mitarbeiter als Individuum mit all seinen Interessen, Kenntnissen und Fähigkeiten heute sogar eine wesentlich stärkere Würdigung als in früheren Jahren.“ (Michael Gebauer, Wirtschaftswissenschaftler, Universität Witten/Herdecke; 16.2.2005 unter: http://idw-online.de/pages/de/news97348)

Wer es nicht wissen will, sind die professoralen Humanisten im Lande, die es an Dankbarkeit der „Wirtschaft“ gegenüber fehlen lassen, die schließlich ihre Gehälter erwirtschaftet:

„Nur unseren Sprachwissenschaftlern scheint dies fremd zu sein. Sie leben wohl im Irrglauben, dass der technische Fortschritt und die Produktinnovation, die ein Land braucht, damit viele zusätzliche Arbeitsplätze entstehen und gute Löhne gezahlt werden können, wie Manna vom Himmel fallen.“ (Juergen B. Donges, Lehrstuhl für Wirtschaftspolitik, Universität Köln)

Irgendwann geht uns daher doch die Geduld des Erklärens und Erläuterns aus:

„Die Kritiker täten gut daran, sich mit der Materie näher zu befassen, anstatt an oberflächlichen Begrifflichkeiten herumzukratzen und gut gemeinte Ideen schlechtzureden.“ (Christian Scholz, Lehrstuhl für Organisation, Personal- und Informationsmanagement, Universität des Saarlandes, 16.2.2005 unter: http://idw-online.de/pages/de/news97616)

„Humankapital zum Unwort des Jahres zu wählen ist Pisa im Quadrat! ... Wer es zum Unwort abstempeln will, ist ein mentaler Luftverschmutzer und geistiger Totengräber unserer Volkswirtschaft.“ (Klaus F. Zimmermann, Lehrstuhl für Wirtschaftliche Staatswissenschaft, Universität Bonn, und DIW, Berlin)

Aus den Statements der Ökonomen kann man lernen, dass ihnen die Durchkapitalisierung von Gesellschaft so selbstverständlich ist, dass sie die idealistische Kritik mit einer marxistischen verwechseln. Interessant ist auch, wie sie die Kritiker des Begriffs beschreiben: Sie reden gut gemeinte Ideen schlecht, warten auf ein Wunder, genauer: auf Arbeitsplätze, die vom Himmel fallen und wollen nichts von theoretisch möglicher Gleichheit durch Bildung wissen. Es ist bekannt, dass der technische Fortschritt, der durch den Einsatz von „Humankapital“ erreicht wird, Rationalisierungen zuträglich ist. Dass „das Kapital“ keine Arbeitsplätze schafft, weiß, abgesehen vielleicht von der SPD, auch jeder, und dass Bildung in der „Wissensgesellschaft“ nicht egalisierend wirkt, sondern hierarchisierend, gehört auch nicht gerade zu den gut gehüteten Geheimnissen. Die professoralen Verfechter des „Humankapitals“ haben also schon Anlass, diesem verbreiteten Unverständnis fürs wirtschaftlich Notwendige zuletzt etwas vehement entgegenzutreten.

Für die persönlichen Beschimpfungen werden drastische Wörter gefunden: ökonomische Analphabeten, geistige Totengräber der Volkswirtschaft, mentale Luftverschmutzer – offenbar ohne die ordnungsgemäßen „Luftverschmutzungsrechte“. „Marxistische Kapitalismuskritiker“ fasst nur zusammen, was die anderen Begriffe komplizierter umschreiben: Jede Kritik von Kapitalismus sei überholt. Die Kritiker seien nicht auf der Höhe der Zeit angekommen, verstünden Zusammenhänge nicht, seien also dumm oder gar bösartig, weil sie kapitalistische Errungenschaften absichtlich missverstehen würden.

Wo vom Nutzen für die Volkswirtschaft die Rede ist, spricht man (also: Gebauer, s.o.) vom „Mitarbeiter“, der, wie es heißt, „seine Kenntnisse und Fähigkeiten einer Organisation zur Verfügung stellt“. In der selbstbewussten Mitteilung, dass alle Kompetenzen der Mitarbeiter angeeignet werden, wird deutlich, dass „Humankapital“ ein Euphemismus für „Ausbeutung“ ist – um der Anschuldigung, immer noch in den Bahnen marxistischer Kapitalismuskritik zu denken, doch noch rechtzugeben. Selbstverständlich impliziert ist auch, dass unsere wertgeschätzten „high potentials“ nicht verschont werden. Im Gegenteil: Folgt man den Argumenten, ist ein „hinreichender Bestand an Wissen“ die Voraussetzung dafür. Da unter kapitalistischen Bedingungen nur Nicht-ausgebeutet-Werden schlimmer ist als Ausgebeutet-Werden, versteht es sich von selbst, dass es schön ist, „Humankapital“ zu besitzen, wenn nicht zu sein.

Der – wie üblich – hilflose Humanismus

Folgt man dem Anspruch der Jury, dann liegt die Ironie an den Verteidigungen des Begriffs darin, dass nicht stringent ökonomisch argumentiert wird, dass vielmehr die instrumentelle Haltung verallgemeinert wird: Humankapital diene dazu, sich selbst zu verwirklichen, auch der persönliche und gesellschaftliche Wert des einzelnen leite sich aus seinen Investitionen in das Humankapital ab und Humankapital befähige uns, vernünftig mit der Umwelt umzugehen. Erst mit diesen, ihrer Ansicht nach positiven Beschreibungen bestätigen die Ökonomen die Entscheidung der Jury. Gegen die herrschenden ökonomischen Verhältnisse, die Instrumentalisierung von Menschen als Arbeitskräfte, hat die Jury nämlich gar nichts einzuwenden, nur dagegen, dass auch im Alltag, in der Privatsphäre diese Haltung hervorgebracht wird – durch die „falschen“ Worte. Die Jury vertritt ihren humanistischen Idealismus programmatisch:

In der Satzung heißt es, dass die Aktion „Unwort des Jahres“ für mehr „sachliche Angemessenheit und Humanität im öffentlichen Sprachgebrauch werben“ will. Und:

„Nicht diese sachkulturellen Entwicklungen (wachsende Verfachlichung, Technisierung, Bürokratisierung und Ökonomisierung fast aller Lebensbereiche) als solche sollen kritisiert werden, sondern die oft unbewusste Unterwerfung unter deren Terminologien und die damit verbundenen Denkmuster, die eben auch außerhalb der Felder stattfindet, auf denen die Sachentwicklungen womöglich ihre Berechtigung haben.“

„Adorno hatte recht, die Welt ist wirklich schlecht“3 – aber das geht uns nichts an. Was die Jury will, ist lediglich, dass die Euphemismen dort bleiben, wo sie ihren „sachkulturellen“ Ursprung haben. Im Betrieb sind wir „Humankapital“, das versteht sich, nicht aber außerhalb dieser „Felder“ von „Sachentwicklungen“, die „womöglich ihre Berechtigung haben“. Abends zu Hause oder gar im Urlaub auf Mallorca soll Humanismus herrschen: „Hier bin ich Mensch, hier darf ich’s sein!“

Wie „Humankapital“ von den Wirtschaftswissenschaftlern wie von den Humanisten bestimmt und verwendet wird, ist eine Realsatire, deren literarische Bearbeitung knapp ausfallen kann. Harald Schmidt hat es (im Focus 4/05) abschließend formuliert:

Er macht zunächst aus allen drei Unwörtern des Jahres einen sinnvollen Satz: „Dem einreisewilligen Humankapital wurde bereits im nordafrikanischen Begrüßungszentrum mitgeteilt, dass die europäischen Luftverschmutzungsrechte auch ohne seine Mitwirkung voll ausgeschöpft werden.“ Und er fragt dann, woher dieser Zorn auf das fünfsilbige Humankapital rühre, das zudem in die Nähe von „Menschenmaterial“ gerückt wurde. Er findet das ungerecht, denn „Menschenmaterial“ sei wirklich böse, der Mensch zu vielschichtig, um als Material versachlicht zu werden. Er sei Produkt, Objekt, Ware, Verbraucher, User oder Nummer – aber niemals bloß Material. Und weiter:

„In Humankapital dagegen stecken zwei der schönsten Worte überhaupt: Human, bekannt aus Humanmedizin, Humanismus, human touch und Humanversuch. Und Kapital ist fast noch schöner. Ohne Kapital kein Kapitalismus, kein untergegangener Sozialismus und keine ‚Dreigroschenoper’. Immer hacken alle auf dem Kapital rum, bis es mit Abwanderung droht. Dann ist das Geschrei groß.“

Schmidt kommt zu dem Ergebnis, dass Investitionen ins Humankapital die einzig sinnvollen seien (leichte Gartenarbeit, ungesättigte Fettsäuren und Schlafen bei geöffnetem Fenster): „Nur wer sich einer robusten Gesundheit erfreut, wird den künftigen Anforderungen eines 18-Stunden-Tages bis zum 72. Lebensjahr gewachsen sein.“

Die Rede vom Humankapital ist nicht mehr als das, was die kapitalismus-erfahrenen Großmütter über die Notwendigkeit von Selbst-Instrumentalisierung schon lang wussten: „Kind, lern was!“ und „Hauptsache gesund!“

Anmerkungen

  1. In der TAZ (22.1.2005) kommentiert Sascha Tegtmeier die Rechnung lakonisch: „Problematisch an der Zahl des Instituts ist, dass ein qualitativer Aspekt fehlt. Denn eine teure Ausbildung ist nicht zwingend auch eine gute. Zudem geht nach der IW-Methode die Summe des Humankapitals auch nach oben, wenn zum Beispiel die Heizungskosten von Schulen steigen. Und dann ist Humankapital kein Unwort, aber Unsinn.“Zurück zur Textstelle
  2. Im Buch von Thomas A. Stewart (1997) Intellectual Capital. The New Wealth of Organizations. New York: Doubleday wird genau unterschieden, wer Träger von Wert und wer Träger von Kosten ist: „We all spout goop about the importance of the human asset; the fact is, some employees are indeed immensely valuable assets but others are merely costs, and grumpy ones at that. We have to find out which is which.” (84) Er bietet im folgenden ein fein ausdifferenziertes Kategoriensystem an, um solche Unterscheidungen treffen zu können. Er teilt Arbeitskräfte ein: 1) difficult to replace, low value added, 2) difficult to replace, high value added, 3) easy to replace, low value added, 4) easy to replace, high value added. (90) Und er hat Lösungsvorschläge wie damit umzugehen ist: Die Arbeitskräfte, die in die Kategorien 1 und 3 fallen, sollen möglichst durch Automaten (informate & automate) ersetzt werden; für diejenigen in der Kategorie 4 ist „outscouring„ vorgesehen (differentiate or outscource); das wertvolle „Humankapital“ sind diejenigen in der Kategorie 2 (capitalize). (91) Der Autor, der uns als „leading proponent of knowledge management in the business press“ vorgestellt wird, macht auch explizit, aus welcher Perspektive „Humankapital“ ein sinnvoller Begriff ist: „Our point of view must be organizational, not individual: The question for companies is how to acquire as much human capital as they can use profitably.” (86)Zurück zur Textstelle
  3. „Adorno hatte recht, die Welt ist wirklich schlecht“ wurde vor einigen Jahren als Slogan im Kölner Gegen-Karneval verwendet. Zurück zur Textstelle
© links-netz März 2005