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Krise? welche Krise? wessen Krise? – Metaphern und Modelle und was daraus folgt

Zweiter Akt (2009/10): Ach, die Märkte!

Heinz Steinert

Die nervösen Märkte

2010 ist in der Weltwirtschaft ein neuer Akteur aufgetreten, um den sich alles dreht: „die Märkte“. Er hat die merkwürdige Eigenschaft, nervös und zu allerlei Rückzügen bereit zu sein – zugleich muss er gewonnen und in Sicherheit gewiegt werden, denn seine Reaktionen entscheiden über das Schicksal ganzer Volkswirtschaften und Währungen. Wie man ihm die Sicherheit gibt, die er angeblich braucht, ist nicht ganz klar: Was die Rating-Agenturen sagen, ist offenbar von einigem Einfluss, aber er bildet sich auch sein eigenes Urteil darüber, ob Staatsanleihen oder Rohstoffe oder Gold die bessere Anlage sind. Er wird gelegentlich mit „die Anleger“ noch am konkretesten benannt, ansonsten bleibt er abstrakt als „die Märkte“.

Innerhalb eines Jahres hat sich damit die führende Metapher komplett verschoben: Die Krankheit und Seuche, die den ersten Teil der Krise prägte, kommt fast nicht mehr vor. Stattdessen ist ein Spiel entstanden, in dem die Finanzpolitik für Vertrauen und Beruhigung sorgen und einen offenbar völlig autonomen Gegenspieler umwerben muss. Er ist, wie wir das vom „Kapital“ schon lange kennen, ein „scheues Reh“ und leicht zu erschrecken: Statt Staatsanleihen kauft er dann Gold oder spekuliert in Rohstoffen. Wie das geschehen konnte, erfahren wir freilich nicht: Gerade konnte man noch die abenteuerlich riskantesten Schrott-Papiere offenbar beliebig verkaufen, jetzt sind nicht einmal mehr Staatsanleihen gut genug. Welche Rolle dabei die Händler, also die Broker und Banken spielen, bleibt völlig ausgeklammert. Auch die Berater, „Analysten“ genannt, sind verschwunden, die Rating-Agenturen gibt es noch. Sie sind zu Feinden geworden, die mit unbegründeten Urteilen die Märkte beunruhigen und den Staaten die Kredite verteuern. Aber in der Hauptsache ist auf ungeklärte Weise ein unmittelbares Verhältnis zwischen der Politik und „den Märkten“ entstanden.

Aus der Welt der Banken und der Banker wird unabhängig davon mitgeteilt, dass dort erstens die Geschäfte schon wieder bestens liefen und dass zweitens unerhörte Gehälter und vor allem Bonuszahlungen ausgeworfen würden. Welche Geschäfte das genau sein mögen, ist nicht zu erfahren. Aber die Empörung über die hohen Einkünfte der „Manager“ ist allgemein. Josef Ackermann, der in Deutschland zu einem der wirksamsten Interpreten der Krise geworden ist, versucht das zurechtzurücken: Es handle sich hier um internationale Stars wie Fußballer oder Opernsängerinnen – und die könnten schließlich auch beliebige Phantasie-Honorare verlangen. Dem könne nur der Markt abhelfen: Nur wenn mehr begabte Leute in den Beruf drängten, könnten sich dort die Einkommen normalisieren – eine etwas ambivalente Aufforderung an die prospektiven Investment-Banker.

Im Lauf des Jahres 2009 hatten sich die diversen Öffentlichkeiten mit etwas wie einer Normalität der Krise eingerichtet: Es war mit einem enormen Obulus aus Steuermitteln „das Schlimmste abgewendet“ und vor allem das Vertrauen der Banken zu einander wieder hergestellt worden, jetzt dümpelte die Wirtschaft zwar in einer langen Depression dahin, aber immerhin waren die Sparkonten noch vorhanden und die hohe Arbeitslosigkeit wurde mit staatlich gestützter Kurzarbeit überbrückt. Die Fragen, wer die Kosten der Krise zu tragen haben werde und wie man die Finanzspekulation so regulieren könne, dass sich so scharfe Krisen nicht wiederholen, wurden zwar gewälzt, aber eigentlich war die Antwort klar: Die Bevölkerung trägt die Kosten, und zwar für etliche Jahrzehnte, in denen die Staatsverschuldungen nicht gerade abzutragen, aber doch zu reduzieren seien und daher Austerity-Politik bei den Staatsausgaben unausweichlich sein würde. Und wie genau man regulieren und, wenn man das wüsste, wie neue Regeln gegen die Banken und Börsen durchzusetzen sein sollten, blieb eine Frage der Diskussion. Klar war nur, dass es keine Transaktionssteuer geben kann, jedenfalls so lange Großbritannien in Europa etwas zu sagen hat. Im Sommer 2009 konnte man aus den Medien den Eindruck gewinnen, jetzt gebe es zwar eine lange Durststrecke, aber die großen Aufregungen seien vorbei, man könne sich wieder anderen Themen zuwenden.

Ein neues Problem entstand mit dem Wahlsieg der PASOK in Griechenland. Die Sozialisten konnten den Schwindel nicht fortsetzen, mit dem die Konservativen die Griechen und die EU und „die Märkte“ halbwegs bei Laune zu halten versucht hatten – was ohnehin immer weniger gelang. Mit der Bereinigung der griechischen Statistiken gab es plötzlich ein Problem mit den griechischen Staatsanleihen und eine „Krise des Euro“. Die Schuldzuweisungen fanden schnell zwei Adressaten: „die Griechen“, die („auf unsere Kosten“) zu gut gelebt hätten, und „die Märkte“, die sich gegen den Euro verschworen hätten. Während man gegen „die Märkte“ nichts tun konnte als herausfinden, wie man sie milde stimmen könnte, konnte man „die Griechen“ zur öffentlichen Buße zwingen: Sie mussten ein hartes Diktat von Sparprogrammen akzeptieren. Das war vor allem deshalb notwendig, weil nur so „die Märkte“ zu überzeugen waren, dass man ruhig weiter oder wieder in griechischen Staatsanleihen spekulieren konnte: Man sollte sie jetzt als Schrott billig kaufen und darauf setzen, dass ihr Wert durch die vertrauensbildende Maßnahme eines strengen Austerity-Programms und die damit steigende Nachfrage zunehmen werde.

Bei der Gelegenheit wurde freilich wieder einmal peinlich sichtbar, was niemand außer George Soros (Interview1 in der Zeit, 24.6.10, S. 25) offen aussprach: dass es tatsächlich darum ging, mit den enormen Summen, die in der EU aufgebracht wurden, die Banken zu stützen, deren Vorräte an griechischen Staatsanleihen, die an Wert verloren hatten, ihre Bilanzen gefährdeten. Zusätzlich zu den Krediten, mit denen die EU-Staaten sich in „die Märkte“ einmischten, kaufte auch noch die EZB großzügig griechische Staatsanleihen auf. Aufmerksamkeit entstand erst, als Transaktionen bekannt wurden, in denen Banken mit dem so gewonnenen Geld so spekulierten, dass sie inzwischen billiger gewordene griechische Staatsanleihen mit der Aussicht auf durch die EZB-Ankäufe steigenden Wert kauften und ins Depot legten. Damit wurde ein Stück des Geheimnisses gelüftet, wer „die Märkte“ sein mögen: nicht zuletzt die Banken, die wieder einmal dafür sorgten, dass ihre Verluste sozialisiert wurden, und die gleichzeitig auf Kosten von öffentlichen Geldern neue Gewinne machten. Hier war dazu besonders attraktiv, dass die Verluste europäisiert wurden, was einzelne Staaten hoffen ließ, sie würden sich so auf Kosten anderer EU-Staaten nationale Bankenrettungen sparen. Über Frankreich wurde besonders gemunkelt und die deutsche Kanzlerin wehrte sich erfolglos dagegen, dass Deutschland wieder einmal den Zahlmeister Europas abgeben sollte. Das wurde ihr besonders von Joschka Fischer im Spiegel, 24.5.10, übelgenommen: Sie hätte sich national-egoistisch statt europäisch orientiert – was man anderen, z.B. Sarkozy, natürlich nicht nachsagen kann.

Um die neuerliche Bankenrettung zu rechtfertigen, wurde diesmal eine Gefährdung der europäischen Währung insgesamt aufgefahren, boshaft unterstützt von Kommentatoren in den USA, die vor allem intern daran arbeiten müssen, den europäischen Sozialstaat nicht zu einem denkbaren Modell werden zu lassen. Jede Gelegenheit ist dafür recht. In Europa selbst konnten Griechenland und die anderen Delinquenten, in den USA als PIIGS2 abgekürzt, benützt werden, um eine „europäische Wirtschaftsregierung“ einzufordern, einen nächsten Schritt in der europäischen Integration. Nachdem die Euro-Länder ihre Probleme nicht mehr durch Abwerten der nationalen Währung lösen können, muss der interne Ausgleich anders geregelt werden: Strengere Instrumente, die Budgetdisziplin erzwingen, wurden gefordert und letztlich auch – in Maßen – durchgesetzt.

Für die neuerliche Rettungsaktion wurde verbreitet eine interessant verschobene Metapher verwendet: die eines „Rettungsschirms“, der „aufgespannt“ wurde. Der einzige Schirm, mit dem man sich rettet, ist der Fallschirm, der aber nicht aufgespannt wird, sondern aufgeht. Und Schirme, die man aufspannt, retten nicht, sondern schützen. Möglicherweise ist das Bild von Absturz im Hintergrund, aus dem der Pilot sich durch Absprung mit dem „Rettungsschirm“ absentiert. Das wäre aber ein ziemlich anstößiges Bild, gefährlich nahe an der Realität. Daher wird das harmlosere eines Schirms, den man aufspannt, dazwischen geschoben. Inzwischen ist von einem „milliardenschweren Rettungsschirm“ die Rede und von seiner „Ausweitung“ – alles Zusätze, die nicht ins Bild passen. Der deutsche Außenminister hat die Umdeutung des Rettungsschirms zum Regenschirm und die Verwirrung der Bilder perfektioniert: „Wir wollen einen Euro, der durch ein wetterfestes Regelwerk dauerhaft vor Turbulenzen geschützt ist.“ (FAZ, 26.11.2010, S. 1) Die Turbulenzen kennt er wohl von seinen zahlreichen Flugreisen. Gegen die hilft freilich kein Regenschirm. Und wetterfest wünscht sich der Wanderer seine Kleidung. Dazu verhilft ihm wiederum kein Regelwerk. Bildhaft allein genügt nicht, es müssen auch noch möglichst viele unverträgliche Bilder ineinander geschoben werden.

Auch das Feuilleton blieb von diesen Auswirkungen der Krise auf die EU nicht unberührt, versteht sich. Das nicht neue, aber in der Krise besonders sichtbar gewordene „Demokratieproblem“ der EU (wie der Nationalstaaten) musste diskutiert werden. Es wurde in der Zeit, dem Blatt der Oberstudienrätinnen, auf doppelt seltsame Art behandelt: formal als Zurechtweisung des Zeit-Autors Habermas und inhaltlich als Schwierigkeit der journalistischen Arbeit. Was sich sonst im losen Gebrauch von verdrehten Metaphern nur ausdrückt, wurde hier thematisiert: Journalismus, selbst der gebildete der Zeit, sieht sich nicht imstande, die wirtschaftlichen und politischen Vorgänge vernünftig darzustellen. Das sieht der Chefredakteur nicht als eigenes Versagen, sondern als ein objektives Problem. Dieses erstaunliche journalistische Selbstverständnis verdient es, in einem kleinen Exkurs dargestellt zu werden.

Exkurs: „Schwerstgängige Berichtgegenstände“ auf zu wenig „dramatisierten politischen Schauplätzen“ – Probleme der Darstellbarkeit von EU und Krise

Die feine englische Art ist das nicht: Da veröffentlicht Die Zeit (20.5.2010, S. 47) einen Artikel des gerade erst gefeierten Ober-Intellektuellen der Nation, Jürgen Habermas: „Wir brauchen Europa!“ Und in der nächsten Ausgabe (27.5., S. 5) wird der Zeit-Autor von einem der Chefredakteure des Blattes, Bernd Ulrich, zurechtgewiesen: „Nicht ohne Volk!“ Der Untertitel lässt wenig Spielraum für einen höflichen Austausch: „Seine Kritik an den politischen Eliten ist absurd, sein Bild von Europa autoritär – eine Entgegnung auf Jürgen Habermas.“ In Deutschland haben durch geringere Respektlosigkeiten schon Bundespräsidenten ihr Amt als beschädigt gesehen und sich beleidigt zurückgezogen. Ein philosophischer Demokratie-Schiedsrichter wird seine Publikationstätigkeit in andere Blätter verlagern.

Der Philosoph arbeitet sich in seinem Artikel an die Erkenntnis heran, dass „Europa“ nicht ganz im Händchenhalten zwischen französischen Präsidenten und deutschen Kanzlern aufgeht, sondern dass es da eine Frage der Wirtschaftsverfassung gibt. Immerhin sieht er die Aufgabe einer „Zähmung des wild gewordenen Finanzkapitalismus“, um die es „zu kämpfen“ gelte. Die dafür notwendige „wirksame Koordinierung der Wirtschaftspolitiken“ will er eben wegen des „längst bestehenden demokratischen Defizits“ nicht bei der Kommission, sondern beim Europa-Parlament angesiedelt sehen.

Der stellvertretende Chefredakteur stößt sich besonders an der Bezeichnung der politischen Eliten als „schlapp“ und als „nationalistisch“. Habermas' Aufforderung, die nationalen Interessen zurückzustellen und stattdessen Kompetenzen an das Straßburger Europa-Parlament zu verlagern, beantwortet der Chefredakteur mit der Diagnose, da drohe „Demokratieverlust“. Wie das? „Brüssel und Straßburg gehören nach all den Jahren des Machtzuwachses noch immer zu den schwerstgängigen Berichtgegenständen. Zwar wird die Substanz politischer Entscheidungen beflissen berichtet, doch scheitern bislang die Bemühungen weitgehend, den politischen Schauplatz auch zu dramatisierten.“ Und wenn man darüber keine „spannende Reportage schreiben“ kann, ist die Demokratie gefährdet. Selbst ein Chefredakteur der Zeit stößt da an seine Grenze: „Dieses Problem der Undarstellbarkeit lässt sich nicht per Chefredakteursbefehl lösen.“ Europa muss warten, bis Journalisten Formen der Darstellung für die Europa-Politik gefunden haben, die sie auf das Niveau eines gewöhnlichen Fußballspiels (statt des zu komplizierten „mit sechs Bällen und vier Mannschaften“) herunterbringen.

Der Chefredakteur ist besorgt: Man „darf ... jetzt nicht den Eindruck erwecken, den Menschen werde immer mehr Teilhabe weggenommen, um dieselbe dann nach Brüssel zu transferieren. Die Vertiefung [der Wirtschaftsunion] muss also moderat sein. Nicht nur gegenüber den Finanzmärkten, auch mit Blick auf die Erfordernisse der europäischen Währung gilt: Demokratie vor Ökonomie.“ Diese Demokratie aber besteht darin, dass „die Parteien auch wichtigere, bekanntere Politiker nach Straßburg schicken und die Bürger sich entsprechend intensiver dafür interessieren“. Sie geht in „wirklich demokratischen Wahlen“ auf. Und für die darf nicht der Eindruck erweckt werden, sie hätten auf die Finanzmärkte eh keine Auswirkungen. Und das Match darf nicht zu kompliziert erscheinen – schon die Abseits-Regel ist, wie wir wissen, nur für einen Teil des Publikums durchschaubar.

Für den Chefredakteur sind Europa und seine Zustände ein Problem der Darstellbarkeit. Egal wie Europa wirklich sein mag, es darf kein ungünstiges Bild davon im Volk verbreitet werden. Das „Demokratieproblem“, das ihn umtreibt, besteht darin, dass die Europa-Wahlen spannend genug sein müssen. Gerade indem er sich so entschlossen für „das Volk“ einsetzt, führt er vor, wie sehr „Europa“ für ihn ein Projekt der Eliten ist, das nur sehr schwer zu vermitteln ist. (Im Grunde jammert er darüber, dass er in seinem Job als Journalist – so wie er ihn versteht – versagt.) Und er muss diese „Eliten“, denen er sich selbst zurechnet, gegen die Vorwürfe des Philosophen verteidigen: Sie haben es in all den Jahren, von einer Krise zur nächsten, wirklich schwer gehabt und sich gewaltig angestrengt – keine Spur von „schlapp“. Und dass sie, wie es Habermas formuliert, „normativ abgerüstet“ und „normativ anspruchslos“ auftreten, ist kein Vorwurf, im Gegenteil: „Unsere Unfertigkeit ist unsere Stärke.“

Indem der Philosoph sich immerhin auf die Wirtschaftsverfassung als entscheidenden Teil „Europas“ bezieht, führt er zugleich vor, wie er sich „normative Aufrüstung“ vorstellt: als staatliche Regulation der Märkte. Kapitalismus, selbst „Finanzkapitalismus“ ist akzeptiert, nur „wild geworden“ sollte er nicht sein. Auch bei ihm sollten sich die Eliten entschlossen zusammentun und solche Regulationen durchsetzen – er versteht sie nur umfassender: Die Europa-Parlamentarier gehören dazu, genauso wie die „gerissensten Banker“. Klar ist freilich nur, wofür man letztere braucht: für ihren „Sachverstand“; was die Parlamentarier genau tun sollen, erfahren wir nicht.

Und hier treffen sich der Chefredakteur und der Philosoph: Beide verschweigen peinlich, dass „Europa“ nicht einfach ein Projekt „der Eliten“ ist, sondern das der konservativen und besonders der neoliberalen Eliten. Vom gemeinsamen Markt bis zur Währungsunion war und ist „Europa“ im Interesse der großen Konzerne und sicher nicht in dem der Lohnarbeiterschaft (die von der Ausweitung der Arbeitsmärkte unter Konkurrenzdruck gesetzt wird), auch nicht in dem der Klein- und Mittelbetriebe, nicht einmal in dem der Konsumenten (die mit niedrigeren Preisen geködert wurden; von der Qualität der Billig-Waren wurde nicht gesprochen, auch nicht vom Einkommen und wie mühsam es zustande kommt). Dagegen wird uns „Europa“ als „Friedens-Projekt“ angepriesen: Aber der ursprüngliche Drang (seinerzeit, als sich Leute wie Hugo von Hofmannsthal oder Stefan Zweig für „Europa“ begeisterten) zu einer Versöhnung zwischen Frankreich und Deutschland fällt dazu niemandem mehr ein und ist noch weniger plausibel. Und wieso „Europa“ die übriggebliebenen Konflikte des Kalten Krieges eindämmen sollte, sieht niemand, eher werden sie dadurch neu konturiert, dass die früheren Länder des Warschauer Pakts großzügig und eilig in die EU gebeten werden.

Hingegen ist allen klar, dass „Europa“ ein Wirtschaftsprojekt ist: Ausweitung der Märkte im Interesse der Konzerne und zum Nachteil der Lohnabhängigen und der kleinen Wirtschaftstreibenden. Begonnen tief im Fordismus und (als EWG und EFTA) unter den Bedingungen des Nachkriegs-Wiederaufbaus, konnte die EU erst durchgesetzt werden, als die neoliberalen Strategien der Ausweitung der Märkte (gern als „Globalisierung“ zu einem schicksalhaften Prozess mystifiziert, der über uns kam) in der Krise des Fordismus vorherrschend wurden. Streitpunkt ist nur, wie und wie sehr dieses Wirtschaftsprojekt jetzt „vertieft“ werden kann und soll. Der Punkt, an dem die Journalisten verzweifeln, ist aber vor allem die Darstellbarkeit der EU. Politik darf nicht komplizierter sein als ein Fußballspiel – wobei zu bedenken ist, dass in den Printmedien über ein Fußballspiel nicht viel mehr berichtet wird, als wer gewonnen und wer (in welcher Minute – eine äußerst relevante Information) die Tore geschossen hat.

„Krise war gestern: Alle im Kaufrausch“ (Heute 30.9.2010)

Ab Mitte 2010 meldeten die Hochrechner (gegenüber ihren eigenen früheren Zahlen) überraschend hohe Vorausschätzungen des zu erwartenden Wirtschaftswachstums. Erst wurde das mit Vorsicht aufgenommen, aber schließlich wurden auch die offiziell für die Erstellung von staatlichen Budgets verwendeten Kennzahlen des Wirtschaftswachstums „nach oben korrigiert“. Das war vor allem deshalb interessant, weil sich damit die Notwendigkeit von Sparprogrammen und Steuererhöhungen relativierte. Dass alle Vorhersagen mit dem Zusatz gemacht wurden, selbst dieses Wachstum werde aber nicht ausreichen, um die Arbeitslosigkeit maßgeblich zu verringern, war offenbar nicht so schlimm und wurde jedenfalls von der Budget-Erleichterung überspielt.

Das nämlich ist seit der Griechenland- und Euro-Krise seit etwa Mitte 2010 ebenfalls Konsens: Die Staatsschulden müssen nicht nur in Griechenland (dort und in den anderen PIIGS-Ländern freilich besonders) reduziert und wieder an die magische Grenze von 3% Neuverschuldung herangeführt werden. Dieser öffentliche Konsens ist stark genug, um sich ohne größere Schwierigkeiten über die Keynesianer – unter ihnen lautstark Paul Krugman – hinwegzusetzen, die im Gegenteil für weitere staatliche Konjunkturprogramme plädieren, um das zarte Pflänzchen des Wirtschaftswachstums nicht verdorren zu lassen. So zart freilich scheint es gar nicht zu sein: Es werden zuerst aus der Finanz-, dann aus praktisch allen Branchen satte Gewinne und die berühmten vollen Auftragsbücher gemeldet. Dass infolgedessen auch wieder Bonuszahlungen in Größenordnungen anfallen, die sich der gemeine Mensch eh nicht vorstellen kann, ist zwar empörend, aber nicht mehr als die Erfüllung von bestehenden Verträgen.

Als weiteres und überzeugendes Anzeichen dafür, dass es mit der Krise vorbei ist, gilt eine Steigerung des Konsums, von der die Wirtschaftskammer zu berichten weiß. Am schönsten sagt es der Boulevard: Laut Heute, der Wiener Gratis-U-Bahn-Zeitung, herrscht „Jubel über Verkaufsrekorde bei TV-Flatscreens und Schuhen“ und „Das private Konsumverhalten der Verbraucher nimmt an Fahrt auf“. Die Zeit (28.10.2010, S. 23) verwendet den eigentlich seit Kohl politisch besetzten Begriff der „Wende“. Die verdrückten Metaphern und schlampigen Begriffe sind zur journalistischen Normalität zurückgekehrt. In dieser Phase der Krise sind die Krankheitsbilder auffällig verschwunden. Auffällig gehäuft treten hingegen jetzt die „Fahrt“-Metaphern auf (nicht immer so verdreht wie in dem Zitat oben): die Wirtschaft hat an Fahrt gewonnen, sie beschleunigt oder befindet sich auf der Überholspur. Die Welt kehrt zu ihrer gewöhnlichen Realität als großer Markt und Wettbewerb, eventuell mit Rekorden zurück. „Die Märkte“ freilich sind immer noch ein wenig unheimlich und paranoid konnotiert: Sie können böse Absichten haben, etwa den Euro zu ruinieren, und sie können unangenehm zurückhaltend sein, sich umschmeicheln und sich nur schwer von der Sicherheit von Geldanlagen überzeugen lassen.

Aber jedenfalls ist schon in der Metapher der Krise angelegt, dass es davor einen gesunden Zustand gab, zu dem zurückzukehren ist. Die Krise verändert in diesem Verständnis nichts: Sie bestand in ihrer zentralen Auswirkung darin, dass das Wirtschaftswachstum ausblieb, und sie wird überwunden, indem es wiederkommt. Wirtschaftswachstum ist nach den herrschenden Selbstverständlichkeiten (ab einem gewissen Ausmaß) entscheidend für den Rückgang der Arbeitslosigkeit und – auch das wird offen gesagt – für die Sanierung des Staatshaushalts. Wenn der Patient, natürlich mit Hilfe des ärztlichen Eingriffs, vor allem aber aufgrund seiner soliden Konstitution die Krise überlebt, ist er danach noch eine Zeit lang geschwächt, erholt sich aber dank liebevoller Pflege und ist bald wieder „ganz der Alte“, der auf neue Abenteuer auszieht.

Schon vor diesen Nachrichten über die Rückkehr zum alten Zustand war aber durchgesetzt, dass jetzt Budgetkonsolidierung notwendig sei. Es ist das alte Spiel: In schlechten Zeiten muss der gemeine Haushalt sparen, daher ist es in Analogie plausibel, dass auch der Staat das tun muss. Widerstand regt sich erst, wenn sichtbar wird, was staatliches Sparen bedeutet: Wegfall von Leistungen, die der gemeine Haushalt besonders braucht, wenn er seine eigenen Ausgaben zurückfahren muss. Aber es bleibt bei Verteilungskämpfen: „Wir zahlen nicht für eure Krise“, aber gezahlt muss werden. Die anderen sollen es tun. Dabei hört sich auch jede Großzügigkeit auf: Ausländer raus! Oder in den Worten der US-Teaparty: „How many of you people want to pay for your neighbor’s mortgage that has an extra bathroom and can’t pay their bills?” Die Tatsache, dass es Finanzwirtschaft wie Industrie schon lange nicht mehr so gut gegangen ist wie gerade jetzt, dass sie daher bei Bonuszahlungen besonders großzügig sein können, ist zwar vage bekannt und macht auch ärgerlich, aber was soll man dagegen tun?

Die Rückkehr der Ansteckung

Im November wird die lang vorhergesagte Krise in Irland akut. Und es ist diesmal, wie betont wird, eine reine Bankenkrise, die sich aber zu einer Staatskrise auswachsen kann. Und es ist wieder nicht möglich, wie es die Marktlogik eigentlich verlangen würde, einen Teil dieser überproduzierenden Banken in die Pleite zu entlassen: Irland hatte lange praktisch als off-shore-Steuerparadies Investitionen aus dem Rest Europas und der Welt angezogen, daher hätten Pleiten dort unangenehme Auswirkungen auf die Bilanzen der Banken in anderen Ländern, vorweg Großbritannien, Deutschland und Frankreich. Um die zu vermeiden, wurde der „Euro-Rettungsschirm“ erfunden. Es ist ergreifend zu hören, wie Irland unter diesen Schirm gezwungen werden muss.

Portugal hingegen setzt gleichzeitig mit einem radikalen Sparprogramm ein „Signal“, das „die Märkte“ beruhigen soll – Selbstmord aus Angst vor dem Sterben. Als nächstes, so wird befürchtet, ist Spanien dran. Und wer weiß, ob dieses große Land nicht die Finanzkraft des „Rettungsschirms“ überfordert.

In dieser Abfolge taucht plötzlich die „Ansteckung“ wieder auf oder, als interessante Variante, der „Flächenbrand“ (Salzburger Nachrichten 17.11.10). Es ist zwar nirgends zu sehen, worin die Übertragung eigentlich besteht: Welche Auswirkungen hätte die Krise in Irland speziell auf die in Portugal und Spanien? Eher haben sie alle eine gemeinsame Grundlage: überoptimistische Spekulationen in den zurückliegenden Jahren, die 2008 ihr unrühmliches Ende fanden. Aber wenn etwas „um sich greift“, ist das Bild der Seuche zur Hand, egal ob die Metapher gerade passt oder nicht.

Dass die Krise gerade erst vorbei und zu Ende war, ist schnell vergessen.

Was die Metaphern verdecken

Bilder können ja durchaus aufschlussreich sein, man kann auch in Bildern denken. Das setzt aber voraus, dass ein passendes Bild gefunden wird und dass es dann konsequent durchgehalten wird. Das ist eine hohe literarische Leistung, die selten gelingt. Schon der inflationäre Einsatz von Bildern in der öffentlichen Sprache lässt das nicht zu, vom überforderten Sprachvermögen im Wirtschaftsfeuilleton gar nicht zu reden. (Schon vor einem Jahrhundert war da nichts mehr zu retten. Karl Kraus konnte nur mehr bitter spotten.) Metaphern, verstanden als Denkmodelle, sind der Ausgangspunkt von Begriffsbildung. Sie zu verwenden, ist kein Fehler, sondern notwendig.3 Die Frage ist, ob sie „passen“ – ob sie also brauchbare Begriffe generieren, oder beschönigend, verwirrend und ablenkend wirken. In dieser Untersuchung geht es um den Missbrauch von Metaphern, die, kontrolliert eingesetzt, durchaus hilfreich sein können.

In der öffentlichen Darstellung der Krise wird mit Metaphern sehr freizügig und auch sehr schlampig umgegangen. Im öffentlichen Reden von Journalisten wie von Politikern sind blumige Metaphern – auf Kosten von begrifflich klar dargestellten Zusammenhängen – besonders beliebt. Metaphern werden wohl als anschaulich gepflegt, und offenbar genügt für die Präsentation der wirtschaftlichen Vorgänge eine Vorstufe des begrifflichen Denkens. Das gilt besonders, wenn es nicht einmal gelingt, die Metaphorik konsequent durchzuhalten – und die Zahl der schiefen und gebrochenen Metaphern, denen man in einer Analyse wie dieser begegnet, ist wahrhaft erstaunlich.

Auffallend ist auch, dass Journalisten und Politiker dieselbe (metaphorische) Sprache sprechen, der sich auch Professoren gern anpassen, wenn sie in der Zeitung schreiben. Wie der Exkurs in das Selbstverständnis von Journalismus gezeigt hat, versteht selbst ein Chefredakteur der Zeit einen Bereich von Politik als nicht darstellbar, wenn er sich nicht in eine überschaubare Metapher (etwa die eines Fußballspiels) pressen lässt. Man muss nicht gleich so weit gehen wie die Studie der Otto-Brenner-Stiftung „Wirtschaftsjournalismus in der Krise“,4 die als Fazit behauptet, es würde falsch berichtet. Das setzt nämlich eine richtige Theorie der Vorgänge voraus, die jedenfalls die Wirtschaftswissenschaften auch nicht haben. Dort findet man nur unterschiedliche Glaubensbekenntnisse. Aber man kann immerhin sagen, es wird durch Bilder Pseudo-Vertrautheit mit den Vorgängen vermittelt, die damit in keiner Weise durchschaubar gemacht werden.

Inhaltlich laufen die Metaphern darauf hinaus, das Geschehen abstrakt und schicksalhaft erscheinen zu lassen. „Krise“ ist selbst schon eine biologische Metapher und in der öffentlich geläufig gewordenen Verwendung eine konservative: Als Ergebnis der Krise ist – wenn der Patient sie überlebt – der alte Zustand wiederhergestellt.

Die linke Krisenfreudigkeit setzt die orthodoxe Idee von Zusammenbruch und Revolution voraus. Von der halten freilich selbst Linke nicht mehr viel, geblieben ist nur die boshafte klammheimliche Freude. Die Frage der Krise hat sich darauf reduziert, wer die besseren Rezepte zu ihrer Bewältigung hat: In der Krise hätten sich die Neoliberalen blamiert, die Keynesianer seien jetzt wieder dran. Was die Metapher der Krise impliziert, dass es nämlich um die Wiederherstellung des früheren Zustands (von Wirtschaftswachstum) geht, wird nicht nur von deklariert Konservativen bestätigt. Als Beispiel:

Eine New Yorker „Marxist-Humanist Initiative“ (gemeinsam mit der „League for the Revolutionary Party“ und anderen radikalen Gruppen) lädt zu einer Konferenz, in der am 6. November 2010 geklärt werden sollte, „what has gone wrong with capitalism“. Es sollte ein „tiefes“ Verständnis der Krise erarbeitet werden, denn: „... we cannot take for granted that more progressive policies would in fact bring capitalism out of the crisis and restore jobs, economic growth, and stability.“5

Inhaltlich hat die Metaphorik mit Organismus und Statik, also mit (ansteckender) Krankheit und „Einbruch“ begonnen. In der zweiten Phase, ab 2009, ist dieses Bild zur Ausnahme geworden, die führende Metapher ist jetzt psychologisch: die „nervösen Märkte“, die beruhigt und vertrauensvoll gestimmt werden müssen. Was zuerst eine Art Naturgeschehen war, das über uns kam, ist jetzt eine Interaktion geworden. Der andere Partner, „die Märkte“, wird dabei nicht in Frage gestellt, selbst wenn er, wie es manchmal gesagt wird, „angreift“ oder „auf den Niedergang der Währung spekuliert“. Dass „die Märkte“ so etwas tun, liegt ebenso in ihrer Natur wie die Nervosität: Das kann man nicht grundsätzlich verhindern, man kann als europäischer Staat oder gar Euro-Zone nur innerhalb des Spiels sich selbst als vertrauenswürdig darzustellen versuchen, um „die Märkte“ werben.

Wenn man davon ausgeht, dass „die Märkte“ zu einem nicht unerheblichen Teil aus Computerprogrammen bestehen, die auf Kennziffern reagieren, ist dieses Bild auch nicht unrealistisch: Da kann man nichts anderes tun, als die richtigen Kennziffern zu produzieren. Wie das in diesem und in anderen Zusammenhängen geht, hat Griechenland mit seinen gefälschten Statistiken vorgeführt. Man könnte freilich diesen Sekundenhandel ein wenig bremsen, nicht zuletzt mit einer Transaktionssteuer. Die aber ist nicht durchzusetzen.

In beiden Typen von Metaphern, als befallener Organismus, der da durch muss, wie als Versuch, die nervösen Märkte zu beruhigen, entsteht das Bild eines quasi Naturgeschehens, mit dem man nur defensiv umgehen kann. In beiden Fällen hat man keine konkreten Akteure als Gegenüber: Auch „die Märkte“ haben kein Gesicht. Dass es in beiden Fällen die Banken, und zwar vor allem die des jeweils eigenen Staates sind, um die es geht, verschwindet in dieser Gesichtslosigkeit. Die eigentlich nötigen Bankenkonkurse hätten Verluste bei allen Banken zur Folge. Da ist es deutlich günstiger, wenn mit Steuermitteln diese Konkurse verhindert werden. Um das plausibel zu machen, wird in der ersten Phase eine Bestandsgefährdung für das gesamte Finanzsystem angedroht, in der zweiten gleich der Bestand des Euro als Währung (manchmal auch nur als „starke“ Währung), wenn nicht der EU in Frage gestellt. Es war noch selten so offen sichtbar, dass der Staat und die Steuergelder, über die er verfügt, von der Wirtschaft und besonders von der Finanzindustrie, also in der Hauptsache von den Banken, als Teil der Geschäfte, besonders als ihre Absicherung im Schadensfall gesehen wird. Die Metaphorik lässt diese sehr simple Tatsache hinter angeblich subjektlosen Vorgängen verschwinden, an die man sich nur anpassen kann.

In der zweiten, der gegenwärtigen Phase der Krise wurde der wirtschaftspolitisch umstrittene (Keynesianer sehen gerade jetzt die Notwendigkeit, durch staatlich finanzierte Infrastruktur-Projekte Masseneinkommen und damit Kaufkraft zu generieren), aber durch die Metapher von „den nervösen Märkten“ gestützte staatliche Sparzwang selbstverständlich gemacht. Damit wird in einem neuen Schub genau das neoliberale Programm durchgezogen: Kürzungen der Sozialleistungen, Erhöhung der Mehrwertsteuer, Nullrunden bei den Renten, Senkung der Mindestlöhne, wo es sie gibt, Verteuerung des Studierens (in GB Verdreifachung der Studiengebühren) uäm. Zugleich ist damit klar Bescheid gegeben, wer die Kosten der Krise bezahlt. Selbst ein Generalstreik (wie in Portugal) und gewalttätige Auseinandersetzungen (wie in Griechenland) ändern daran nichts.

Die Politik des Neoliberalismus bestand seit den 1980ern in ihrem Marktfundamentalismus darin, Investitionsmöglichkeiten zu erschließen, indem kommodifiziert, also warenförmig organisiert werden soll, was im Fordismus noch als Infrastruktur behandelt und also staatlich bereitgehalten wurde: Transport, Kommunikation, Ausbildung. Vor allem aber wurde als neue Form der Vermarktung von Wissen Beratung entwickelt und ausdifferenziert. Dass sich eine „finanzmarktgetriebene“ Form von Kapitalismus konsolidierte, heißt auch, dass Kredit (also Schuldenmachen), dermaleinst restriktiv fast wie eine Infrastruktur-Leistung gehandhabt, als Ware aggressiv vermarktet wurde. Damit wurde allerdings das Problem des Neoliberalismus: zu viel Geld für die vorhandenen Investitionsmöglichkeiten, nur erweitert reproduziert. Überproduktionskrisen im Finanzsektor sind unvermeidlich und müssen sich wiederholen, besonders wenn die Kapitalvernichtung, also die Pleite der einschlägigen Betriebe, durch Interventionen aus dem Fundus der Steuergelder verhindert wird.

Selbst die Krise, die einiges an Papiervermögen verschwinden ließ, kann zuletzt noch dazu gewendet werden, über den Sparzwang, der den Staaten auferlegt wird, die Umverteilung von unten nach oben voranzutreiben. Die schlichte Wahrheit, dass Neoliberalismus ein Angriff der Konzerne und der Reichen auf den Rest der Gesellschaft ist, ein bisher ungemein erfolgreicher dazu, verschwindet hinter Metaphern, die das als schicksalhaft darstellen.

Anmerkungen

  1. In diesem Interview verwendet Soros übrigens die inzwischen selten gewordene Krankheits- und Ansteckungsmetapher, allerdings für einen nicht sehr oft so markierten Gegenstand, nämlich die Politik: „Die Deregulierung hat sich von Land zu Land wie ein Virus verbreitet.“Zurück zur Textstelle
  2. Portugal, Italien, Irland, Griechenland, Spanien – hätte das rekordverschuldete Großbritannien den Euro, gäbe es ein zweites G. Zurück zur Textstelle
  3. Dazu lässt sich mit Gewinn bei Stephen Toulmin, besonders aber bei George Lakoff nachlesen. Zurück zur Textstelle
  4. 2010, www.otto-brenner-stiftung.de Zurück zur Textstelle
  5. Bericht über die Konferenz unter http://tinyurl.com/2vyw8z7 Zurück zur Textstelle
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