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„Amerikas Schande“

Heinz Steinert

Der Spiegel (20.2.06) hat in einer Titelblatt-Schlagzeile, strategisch so placiert, dass sie auf dem Bild des Folteropfers das Geschlecht verdeckt, auf den Begriff gebracht, was wir zu Folter zu sagen haben:
Es ist eine Schande, dabei erwischt zu werden.

Eine Schande ist, wofür man sich schämen sollte: für Handlungen, die man nicht öffentlich tut, sondern diskret, hinter verschlossenen Klo-, Schlafzimmer- und sonstigen Türen. In dieser Kategorie sieht der Spiegel auch Folter: Sie sollte gefälligst hinter verschlossenen Türen stattfinden.
Das tut sie auch. Fast überall.

Aber die „Schande“ hat in Spiegel-üblicher nationalistischer Verallgemeinerung „Amerika“. Nicht die Regierung Bush und ihre schrecklichen Juristen, die es geschafft haben, die Folter an bestehenden Gesetzen vorbei zu rechtfertigen, die Organisation dafür aufzubauen und Ausbildungen dafür einzurichten. Auch nicht die Gefängnis-Regime in fast allen Ländern der Welt – und ich möchte auch in keinem der Staaten, in denen jetzt die moralische Empörung so rechtschaffen hochschlägt, in keinem arabischen, in keinem der ex-sowjetischen, nicht im Iran, nicht in Pakistan und schon gar nicht in Indonesien im Gefängnis sein: Die Folter-Berichte von Amnesty aus der ganzen Welt haben wir vergessen. Erst im vorigen Jahr hat auch in Deutschland eine ernsthafte Debatte darüber stattgefunden, Folter zu legalisieren – eine Erinnerung, die dem Spiegel ebenfalls abhanden gekommen ist.

Alles was die in sich kreisende, abgehobene Welt des Journalismus interessiert, sind die „Bilder“ und die „moralische Hypothek“ für die USA. Dementsprechend befasst sich der Hauptteil des Artikels mit Filmen. Eingeblendet sind ein Interview mit der PR-Beauftragten von Bush (ihr naiv tuend verharmlosendes Abwiegeln ist immerhin informativ) und mit dem Literaten Mahfus (der die Unterschiedlichkeit der Werte als Bereicherung erklärt).

Folter ist aber kein „moralisches“ Problem, sondern ein Staats-Verbrechen. Folter ist auch keine Frage von „Bildern“ – außer in dem Sinn, dass die Bilder, von den folternden SoldatInnen selbst aufgenommen, und ihre Veröffentlichung ein Teil der Folter sind. Aber die Realität der Folter und ob sie vielleicht abgestellt werden könnte, das ist kein Thema.

Es ist eine Schande.

© links-netz Februar 2006