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„Steuersünder“

Heinz Steinert

In den Berichten über die Steuerhinterziehungen, die naturgemäß unter den Reichen größere Summen betreffen und daher organisierte grenzüberschreitende Anstrengungen nötig machen, wird praktisch ohne Ausnahme von „Steuersündern“ gesprochen, nicht etwa von „Steuer-Straftätern“ oder gar von „Steuer-Betrügern“.

Das mag erfreuliche Rücksicht auf die Unschuldsvermutung und Vorsicht gegenüber möglichen juristischen Schritten der Betroffenen sein, aber andererseits liest man selten von „Eigentumssündern“, wenn es um Diebstahl, oder „Leib- und Lebens-Sündern“, wenn es um Körperverletzung geht.

Die religiöse Verortung dieser Steuer-Straftäter kann wohl kaum bedeuten, dass sie damit der Zuständigkeit Gottes und seiner Kirche zugeordnet werden. Abgesehen davon ist zumindest christlich klargestellt, dass es gott- und erst recht kirchengefällig ist, dem Staat zu geben, was des Staates ist, besonders wenn er zugleich die Kirchensteuer eintreibt. Umgekehrt wird damit wohl auch nicht gesagt, der Staat sei jetzt für religiöse Verfehlungen zuständig, zumal es sich um eine „Sünde“ handelt, die recht deutlich gegen den Staat gerichtet ist und weder Gott leugnet, noch unbedingt, auch wenn bei den Summen manche von „obszön“ sprechen, das Keuschheitsgebot verletzt.

Mag sein, dass in religiös beherrschten Gesellschaften eine Sünde gravierender war und ist als ein bloßes Vergehen gegen den Staat. Aber in unseren säkularen Staaten und Zeiten wird man das nicht annehmen können. Wahr ist vermutlich umgekehrt, dass eine „Sünde“ dieser Tage mit „lässlich“ assoziiert wird, also einen geringeren Stellenwert hat als eine Straftat. Die Analogie ist der „Verkehrssünder“: Es geht um Verfehlungen, die von allen dauernd begangen werden und die kein besonderes Unrecht darstellen, sondern nur einen legalen, oft nicht einmal als legitim angesehenen Grund für den Staat, eine zusätzliche Abgabe einzuheben.

Aber der tiefere Grund ist wohl, dass der Staat sich diesen „Sündern“ gegenüber wie die katholische Kirche benimmt: Er ermöglicht ihnen etwas wie eine Beichte, das er zwar nicht sehr elegant, nachgerade bürokratisch hässlich „Selbstanzeige“ nennt. Aber wenn sie so die gehörige Reue zeigen, müssen sie nur nachzahlen und nicht einmal zehn Ave Marias beten. Ein „Gott sei Dank“ wird ihnen bei der Gelegenheit vielleicht von selbst einfallen.

P.S.: Die billige Forderung nach strengeren Strafen für „Steuersünder“ ist unsinnig. Wenn man schon unbedingt etwas fordern muss, dann lieber, dass die schonende Art, wie sie mit diesen Leuten umgeht, zum Vorbild für die Strafjustiz insgesamt genommen wird.

© links-netz Februar 2008