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Kein Ende im Streit um die elektronische Gesundheitskarte

Elke Steven

Bereits zum 1. Januar 2006 hatte die elektronische Gesundheitskarte (eGK) eingeführt werden sollen. Die rechtlichen Voraussetzungen zu ihrer Einführung wurden bereits 2004 mit dem »Gesundheitsmodernisierungsgesetz« in den §§ 291 und 291a SGB V geschaffen. Die Meldungen über den aktuellen Stand Mitte 2013 variieren von „Kein Fortschritt: Die elektronische Gesundheitskarte kommt nicht voran“ (Die Welt, 15.07.13; www.welt.de) über „Zoff um die Online-Version der eGK“ (Haufe Online Redaktion, 10.07.2013; www.haufe.de) bis hin zu „Teuer, aber nutzlos?“ (Bayerisches Fernsehen, 08.07.2013; www.br.de). Tatsächlich aber haben immer mehr Versicherte eine elektronische Gesundheitskarte der ersten Generation, die eigentlich nicht mehr kann als die alte Versichertenkarte und die nur zusätzlich ein Foto beinhaltet.

Konsequent halten die Ärzte ihren Protest gegen die neue Karte und den damit beabsichtigten Umbau des Gesundheitssystems aufrecht. Seit 2007 sind auf den Ärztetagen – so auch im Jahr 2013 – regelmäßig Resolutionen gegen die Einführung der eGK verabschiedet worden. Aktuell wehren sich die Ärzte dagegen, in ihrer Praxis den online-Abgleich der Stammdaten mit den Versicherungen organisieren zu müssen. Spiegel-online schreibt am 27.06.2013: „728 Millionen Euro für eine Karte mit Foto – aus Sicht der Gesetzlichen Krankenversicherungen war die elektronische Gesundheitskarte bisher vor allem ein großes Geldgrab. Die Kassen sehen die Ärzte als die großen Blockierer, die geben den Schwarzen Peter zurück.“ (www.spiegel.de) Inzwischen hat sich auch die Freie Apothekerschaft e.V. – als erster Apothekerverband – gegen die Einführung der eGK ausgesprochen.

Angesichts all der diversen Datenskandale sind auch immer mehr Versicherte skeptisch. Zugleich sind die Ängste groß, ohne gültige Versichertenkarte auch ohne Versicherungsschutz dazustehen – auch wenn die Versicherung selbstverständlich nicht aufgehoben ist, nur weil man kein Foto einschickt. Die Versicherungen betreiben Akzeptanzmanagement, nicht Information und erhöhen ständig den Druck auf die Versicherten, ihre Fotos zur Verfügung zu stellen. So behaupten viele, ohne gültige Karte, könnte die Kasse nicht mit dem Arzt abrechnen und die Versicherten müssten möglicherweise erhöhte Behandlungsgebühren selbst bezahlen. Diejenigen, die sich weigerten die Fotos einzuschicken und mit einem von den Kassen auszustellenden Behandlungsschein zum Arzt gegangen sind, haben manchmal die Erfahrung gemacht, dann doch noch einmal eine alte Versichertenkarte zu erhalten. Jeder steht jedoch mit seinen Fragen und Problemen alleine gegenüber seiner Versicherung. Und so sollen zu Beginn des Jahres 2013 mindestens 70 % der gesetzlich Versicherten eine neue Karte gehabt haben.

Die Karten, die zur Zeit ausgegeben werden, leisten zunächst dasselbe wie die bisherigen Krankenversicherungskarten. Allerdings kosten diese Karten das Sechsfache, denn die Karten enthalten einen Mikroprozessorchip, der die zukünftigen Anwendungen technisch ermöglichen wird und den Zugang zur Telematikinfrastruktur schafft. Die neuen „Fähigkeiten“ werden sukzessive ausgebaut werden – irgendwann werden dann die Gesundheitsdaten der Patienten auf Servern gespeichert werden können, die von überall zugänglich sind. Insofern sollte sich kein Versicherter von der Salamitaktik beeindrucken lassen. Die neuen Karten sind der Einstieg in den Ausbau einer neuen serverbasierten Infrastruktur der Gesundheitstelematik. Erst dann, wenn möglichst alle Versicherten einer Speicherung ihrer Gesundheitsdaten in dieser Infrastruktur zugestimmt haben und die Daten von überall zugänglich sind, hat sich das Projekt „gelohnt“ (vgl. hierzu: Wolfgang Linder: Die elektronische Gesundheitskarte (eGK) – ein Feigenblatt vor der serverbasierten Infrastruktur der Gesundheitstelematik (GT); www.grundrechtekomitee.de). Schon jetzt gibt es kein Ende mit Ideen, wofür die Karte noch alles genutzt werden könnte. Neben Notfalldaten, die immer ausgedehnter interpretiert werden, könnten auch die Bereitschaft zur Organspende und die Patientenverfügung mithilfe des Ausweises gespeichert werden. Auch eine Bezahlfunktion könnte die Karte erhalten. Des weiteren wurde schon eine automatische Budgetkalkulation für Arztpraxen in Erwägung gezogen. Schon lange ist die Rede von (kommerziellen) „Mehrwertdiensten“, die ermöglicht werden und das Interesse der Industrie wecken sollen.

Die „kleine schlaue Karte“

Die eGK zeichnet sich also nicht durch eine eingebaute hohe Speicherkapazität aus, die es ermöglichen würde, Gesundheitsdaten auf der Karte selbst zu speichern. Mittels eines Prozessors wird der Zugang zu Gesundheitsdaten geöffnet, die auf Servern gespeichert sind. Die eGK des Patienten gewährt gemeinsam mit dem Heilberufsausweis, also der Ausweiskarte derjenigen, die in den Heilberufen tätig sind, den Zugang. Dies soll es ermöglichen, dass jeder „Heilberufler“ potentiell jederzeit – gemeinsam mit dem Patienten – auf alle Daten zugreifen kann, also alles bisher Festgestellte – einschließlich fehlerhafter Erkenntnisse – „wissen“ könnte. Die Daten sollen also „ortlos“ werden.

Die eGK soll einen Pflichtteil und einen freiwilligen Teil enthalten. Verpflichtend soll die Speicherung der administrativen Daten auf der Karte sein (Name, Geschlecht, Geburtsdatum, Anschrift, Krankenkasse und Krankenversichertennummer, Versicherungsstatus). Hinzu kommt schon, dass der Zuzahlungsstatus ebenfalls gespeichert wird. Dieser ist jedoch kein reines administratives Datum, sondern beinhaltet bereits eine Gesundheitsinformation. Somit wird ein Gesundheitsdatum „lesbar“ gespeichert.

Hinzu kommt ein Lichtbild, das der eGK eine Kontrolle ermöglichende Ausweisfunktion verleiht. Die Versicherungsnummer wird jedem Versicherten lebenslang gültig zugewiesen, so dass sie auch bei einem Kassenwechsel erhalten bleibt. Zur Pflicht soll auch die elektronische Übermittlung der Rezeptdaten an die Apotheke werden, die aber in den Tests bisher gar nicht funktioniert hat. Die Speicherung der Arzneimitteldokumentation gehört in den freiwilligen Teil, wie auch die Speicherungen aller anderen Gesundheitsdaten unter den weiteren Kategorien: Notfalldaten, Arztbrief und Patientenakte.

Die Notfalldaten stellen in der nun vorgesehenen Form fast eine Patientenakte in Kleinformat dar (alle Diagnosen, alle Arzneimittel, alle Allergien, Verweise auf alle persönlichen Dokumente wie Patientenverfügung, Organspendeausweis, Betreuungsvollmachten mit deren Hinterlegungsorten). Diese Daten sollen leicht zugänglich aufbewahrt werden, damit sie im Notfall auch ohne Geheinummer zugänglich sind. Auch jetzt könnte schon jeder, dem dies sinnvoll erscheint, die wichtigsten Daten und Informationen für einen Notfall auf einem Zettel oder auch elektronisch gespeichert mit sich führen. Eine Speicherung auf Servern, wie es die eGK ermöglicht, ist nicht notwendig.

Hinzu gekommen ist des weiteren, dass nun auch die Stammdaten regelmäßig beim Arztbesuch mit der Versicherung abgeglichen werden sollen.

Industrielle Heilkunde

Speichert man Gesundheitsdaten auf zentralen Servern, verlieren sie letztlich den jahrhundertealten Schutz durch das Arztgeheimnis. Gesundheitsdaten verraten eine Menge über einen Menschen. Ererbte Anlagen, Risiken und Empfindlichkeiten, die Lebensführung können daraus abgelesen werden. Es sind höchst sensible Daten, die Möglichkeiten der Diskriminierung und Segregation eröffnen. Kenntnis und Nutzung solcher Daten öffnen einer Verletzung personaler Integrität Tür und Tor. Diagnosen, die lebenslang gespeichert werden, ermöglichen Stigmatisierung und lassen lebenslange Nachteile befürchten.

Jeder technische Schutz der Daten bleibt überwindbar. Aber auch unabhängig von einer möglichen illegalen Nutzung der Daten, muss Skepsis bezüglich der Schaffung solcher Datensammlungen herrschen. Auch die Zwecke, für die die Daten legal genutzt werden können, können gesetzlichen Veränderungen unterliegen. Jede Datensammlung weckt Begehrlichkeiten. Nach der bisherigen Gesetzeslage (§ 291a SGB V) sollen Arztbrief, Patientenakte und Arzneimitteldokumentation nur freiwillig gespeichert werden. Allerdings wird es den Patienten, der geschwächt und Hilfe suchend in die Arztpraxis kommt, überfordern, wenn er zunächst über abstrakte Dinge, wie die Speicherung von Daten, zu entscheiden hat. Zudem könnte eine solche Notwendigkeit das Vertrauensverhältnis zum Arzt negativ beeinflussen. Der Patient müsste festlegen, welche Daten, wo, für wen zugänglich, und mit welchen technischen Mitteln geschützt gespeichert werden. Auch die Tatsache, dass ein Patient seine Daten vor dem Arzt verbirgt, wird dann Einfluss auf das Vertrauensverhältnis haben.

Nun stellt sich die nicht ganz leicht zu beantwortende Frage, wer denn eigentlich ein Interesse an der Entwicklung dieser Karte und dem Umbau des Gesundheitssystems hat. Ein Interesse an der Entwicklung hat vor allem die beteiligte IT-Industrie, die Geld verdient und die entwickelte Technik auch ins Ausland verkaufen will. Das Bundesgesundheitsministerium machte von Anfang an großen Druck und fördert das Projekt. Das Projekt kommt Forderungen nach mehr Wirtschaftlichkeit und Effizienz im Gesundheitswesen entgegen.

Die eGK wird es ermöglichen, dass das Arzt-Patienten-Verhältnis zunehmend von ökonomischen Interessen dominiert werden wird. Ärzte und Patienten sollen kontrollier- und steuerbar werden. Während zunächst die ärztlichen Abrechnungen kontrollierbar werden mussten, sollen zunehmend die medizinischen Inhalte der Behandlung überprüf- und steuerbar werden. Vorgegebene Normierungen sollen die Behandlung bestimmen und die Kosten eindämmen. Der einzelne Patient wird mit seinen individuellen Problemen nicht mehr im Zentrum der Behandlungsentscheidungen stehen können, ökonomisches Kalkül wird eine immer größere Rolle spielen. Da das Vertrauensverhältnis zum Arzt, das Grundlage jedes Heilungsprozesses ist, angetastet wird, ist nicht nur die Verletzung des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung zu befürchten, sondern auch die des Rechts auf körperliche Unversehrtheit.

Die Süddeutsche Zeitung brachte es im Kommentar zur Einführung der eGK auf den plausiblen Nenner: „Die Heilkunde wird nach und nach den Fertigungsprozessen der Industrie angepasst.“ Es wird so getan, als sei Gesundheit durch den technologisch-bürokratischen Austausch von Daten und die industrielle Datenverarbeitung herstellbar, als bedürfe sie nicht länger der Kommunikation zwischen Arzt und Patient.

Lange schien es so, dass die Krankenkassen ein großes Interesse daran haben könnten, nicht zuletzt leichter und ohne medialen Bruch durch Datenübermittlung in verschiedenen Systemen Zugang zu den Versicherteninformationen zu erhalten. In letzter Zeit mehren sich allerdings die Zeichen, dass auch ihr Interesse an der eGK schwindet. Das mag allerdings auch daran liegen, dass sie sukzessive schon sehr viel mehr und schneller Informationen übermittelt erhalten. Der Verband der privaten Krankenversicherungen hat 2010 seinen Ausstieg aus dem Rollout der eGK erklärt. „Solange keine Investitionssicherheit gegeben ist, werden wir uns weder an den Kosten zum Aufbau der Infrastruktur für den geplanten Basis-Rollout der Karte beteiligen noch weitere Gesundheitskarten im Zuge von Testmaßnahmen herausgeben. Auch alle noch laufenden Tests werden vorläufig unterbrochen“, erklärte der Direktor des Verbands, Volker Leienbach.

Die Interessengegensätze sind – wie meist im Gesundheitssystem – groß, und ein „Durchregieren“ ist angesichts mächtiger Lobbygruppen kaum möglich.

„Heimliche“ Gesetzesänderungen

Die zunächst durchgeführten Tests zeigten schnell, dass der Einsatz der Karte vor allem Probleme mit sich bringt. Patientenannahme, Erstellung von Notfalldatendateien und Übermittlung von Rezeptdaten kosteten vor allem viel Zeit oder funktionierten gar nicht; Patienten und Ärzte vergaßen ihre PIN-Nummern oder gaben falsche ein; Karten wurden deshalb gesperrt.

Schnell wurde offenbar, dass die Probleme auch durch die Einschränkung des Datenschutzes zu lösen sein könnten. So wurde erwägt, die Arztpraxen könnten die PIN-Nummern – die ja der Sicherheit, Kontrolle und „Autonomie“ der Patienten dienen sollen – der Patienten verwalten. Des weiteren wurden in den Jahren 2010 und 2011 in kurzer Abfolge gesetzliche Änderungen ohne öffentliche Diskussion still und heimlich eingeführt.

  • Im Juni 2010 ergänzte der Bundestag während der abschließenden Lesung des „Gesetzes zur Änderung krankenversicherungsrechtlicher und anderer Vorschriften“ die Pflichtfunktionen der eGK um das „Versichertenstammdatenmanagement“. Die Ärzte sollen bei jedem ersten Besuch eines Patienten im Quartal online die auf der eGK gespeicherten Stammdaten mit der Krankenkasse abgleichen. Dies soll eine weitere Verwaltungsarbeit zu den Arztpraxen verlagern, wogegen die Ärzte sich wehren und e-Kioske bei den Versicherungen verlangen. Verräterisch ist insbesondere, dass den Ärzten die Ausstattung hierfür nur erstattet werden soll, wenn zugleich das Praxisverwaltungssystem mit den Behandlungsdokumentationen geöffnet wird. Damit wird deren Speicherung auf zentralen Servern vorbereitet.
  • Im November 2010 führte der Bundestag im Rahmen des „GKV‐Finanzierungsgesetzes“ die Regelung ein, dass im Jahr 2012 jeder Krankenkasse, die bis Ende 2011 nicht mindestens 10 Prozent ihrer Versicherten mit der eGK ausgestattet hat, das Budget für Verwaltungsausgaben gegenüber dem von 2011 um 2 Prozent gekürzt wird. Wiederum wurde die Änderung per Änderungsantrag zur abschließenden Lesung und ohne Diskussion eingeführt. Der Druck auf die Krankenkassen führt indirekt zu einem entsprechenden Druck auf Ärzte und Patienten.
  • Im Januar 2011 wurde die Testverordnung geändert. Von präzise definierten Teststufen ist jetzt nicht mehr die Rede, insbesondere nicht mehr von den bislang noch gar nicht gelaufenen „100.000er“-Tests. Es wird nur noch verlangt, dass die Anwendungen in realen „Versorgungsumgebungen (Feldtests)“ erprobt werden sollen.
  • Am 1. Dezember 2011 entschied der Deutsche Bundestag über das GKV-Versorgungsstrukturgesetz, bei dem es eigentlich um ärztliche Honorare und Bedarfsplanung geht. Wiederum wurde nachträglich ein Änderungsantrag eingefügt, der klammheimlich wiederum den Druck zur Einführung der eGK erhöht: „Bei Krankenkassen, die bis zum 31. Dezember 2012 nicht an mindestens 70 Prozent ihrer Versicherten elektronische Gesundheitskarten nach § 291a Sozialgesetzbuch V (SGB V) ausgegeben haben, dürfen sich die Verwaltungsausgaben im Jahr 2013 gegenüber dem Jahr 2012 nicht erhöhen.“ (Drucksache 17/8005)
  • Und seit Ende Mai 2012 soll die Bereitschaft zur Organspende auf der Karte gespeichert werden. Zunächst kann nur der Ort hinterlegt werden, wo sich die Erklärung befindet. Ab 2017 soll die Entscheidung auf der Karte vermerkt werden können.

Informationelle Selbstbestimmung – die Freiheit des Patienten

Immer wieder wird behauptet, die informationelle Selbstbestimmung der Versicherten läge darin begründet, dass sie völlig freiwillig über die Datenspeicherung entscheiden könnten. Sie entscheiden, was der Arzt speichert und wem dies zugänglich gemacht wird. Diese Argumentation übersieht völlig die Lage von Patienten und die Kommunikationssituation im Arzt-Patienten-Verhältnis. Ein Kranker hat andere Probleme, als sich darüber Gedanken zu machen, welche Daten wo gespeichert werden und welche Rückschlüsse sie zulassen. Er ist vor allem auf ein Vertrauensverhältnis zu seinem Arzt angewiesen. In der Regel wird er der Empfehlung seines Arztes folgen. Der Arzt aber kann sich nicht auch noch die Zeit nehmen, Fragen des Datenschutzes mit seinem Patienten lange zu erörtern und wird bei mehrmaligen Veränderungen der Entscheidung eher genervt sein müssen.

Da sich die teure Infrastruktur nur auszahlen wird, wenn alle bei der Speicherung von Gesundheitsdaten mitmachen werden Anreize geschaffen werden. Wenn dies nicht ausreicht, wird man die Versichertenrechte beschneiden und das Gesundheitsmodernisierungsgesetz gemäß dem Bild vom gläsernen Patienten modernisieren.

Auch das alte System ist nicht gut!

Diese Kritik an den Veränderungen darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass auch Kritik an dem bestehenden Gesundheitssystem dringend geboten ist. Weder wird das alte patriarchalische Arzt-Patienten-Verhältnis, in dem Ärzte als Götter in Weiß galten und sich entsprechend inszenierten, demokratisch menschenrechtlichen Erfordernissen gerecht, noch ist ein zunehmend an privatwirtschaftlichen Interessen orientiertes System, das auf Gewinnmaximierung statt auf die Interessen der Patienten ausgerichtet ist, demokratisch-menschenrechtlich wünschenswert.

Was bleibt zu tun?

Zu hoffen ist sicherlich, dass die Ärzte ihren Protest weiterhin aufrecht erhalten und eventuell klagen, weil das Vertrauensverhältnis zum Patienten durch diese Datenspeicherungen beeinträchtigt wird.

Die Patienten sollten sich weigern, Fotos einzuschicken, um ihren Protest gegen die eGK zum Ausdruck zu bringen. In § 291 SGB V ist zwar geregelt, dass die Karten ab 2006 Fotos enthalten sollen, aber die Kassen haben keine Rechtsmittel, diese einzufordern. Die 30% (oder noch weniger), die bisher keine Karte haben, stellen die Kassen vor größere Probleme, denn zunehmend sind die betroffen, die ihren Widerstand planen und beibehalten. Die Klage eines Versicherten gegen den Zwang, die eGK zu nutzen, wurde vom Sozialgericht Düsseldorf (S 9 KR xyz/09) abschlägig beschieden. (wiki.liste-neuanfang.org), aber weitere Klagen sind anhängig und sollen durch die Instanzen betrieben werden.

Zu hoffen ist des weiteren, dass auch diejenigen, die bereits die eGK nutzen, lernen, mit ihren Daten vorsichtig umzugehen. (Noch) kann jeder der Speicherung von Gesundheitsdaten (bis auf die Speicherung des Zuzahlungsstatus) widersprechen. Auch die Notfalldaten gehören nicht auf die Karte und dürfen schon mal gar nicht mittels der Karte auf Servern abgelegt werden.

© links-netz August 2013