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Neoliberalismus und Protest Übersicht

 

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Fortsetzung der Sammlung von Berichten über Anschläge und Verzweiflungstaten im Zusammenhang mit Hartz IV:

3. Januar 2005: In der Nacht von Freitag auf Samstag wurde auf das Landratsamt in Hanau (Main-Kinzig-Kreis) ein Anschlag verübt. Fensterscheiben wurden eingeworfen und die Fassade mit Parolen gegen Hartz IV beschmiert. Die Polizei schätzt den Sachschaden auf 10.000 Euro.

Der Main-Kinzig-Kreis ist einer jener Modell-Fälle in denen der Landkreis ab Januar für die Vermittlung zuständig ist. Die Vermittlungsquote für Langzeitarbeitlose ist in diesem Kreis höher als die Quote der Arbeitsagentur, seit sich der Kreis um die Langzeitarbeitlosen kümmert.

Mail des rheinmainplenums vom 03.01.05

»Hartz IV«-Opfer erhängte sich

Höxter: 54jähriger Familienvater beging Selbstmord. Langzeitarbeitsloser sah keinen anderen Ausweg mehr.

In der nordrhein-westfälischen Kreisstadt Höxter hat sich am Dienstag ein 54jähriger Familienvater im Heizungskeller seines Hauses erhängt. Der Langzeitarbeitslose hatte einen Zettel neben sich gelegt, auf dem »Hartz IV« geschrieben stand. Das »Bündnis Dreiländereck für soziale Gerechtigkeit«, dem sich der Erwerbslose zeitweilig angeschlossen hatte, will auf der kommenden Montagsdemonstration (17.30 Uhr, Marktplatz) über den Selbstmord und seine Hintergründe informieren.

Gegenüber junge Welt bestätigte Peter Schneider, Pressesprecher der Kreispolizeidirektion Höxter, am Freitag den Fall. Allerdings habe die Polizei nicht weiter recherchiert, ob sich der Mann in einer wirtschaftlichen Notlage befunden habe. Fest stehe aber, daß er als Langzeitarbeitsloser von den neuen Gesetzen betroffen war. Der Selbstmord war am Donnerstag abend auf einem Treffen der Bürgerinitiative »Widerstand gegen Ungleichbehandlung« öffentlich bekanntgeworden. Marion Mädel, Sprecherin des »Bündnisses Dreiländereck für soziale Gerechtigkeit«, hatte darüber zuvor in einer Mailingliste informiert. Sie war von einem Freund der Familie informiert worden, der bestätigt hatte, daß das Suizidopfer in eine verzweifelte Lage gekommen war.

In Höxter leben 4 768 Erwerbslose. Dies sei mit 9,2 Prozent zwar im Bundesvergleich nicht übermäßig viel, aber für die Kleinstadt eine große Belastung, wie Achim Albrecht, Leiter des Arbeitsamtes Paderborn, gegenüber junge Welt erklärte. Fälle eklatanter sozialer Notlagen seien ihm allerdings nicht bekannt. Die Auszahlung des Arbeitslosengeldes II sei problemlos umgesetzt worden. Pfarrer Andreas Kurte von der katholischen Sankt-Nikolai-Kirche berichtete, daß er vielfach von Menschen angesprochen werde, die unter materieller Not und daraus resultierenden psychischen Problemen leiden. Immer wieder müsse er Betroffene beraten, was sie bei Schulden tun könnten. Die Kirchengemeinde habe sich deshalb entschlossen, eine regelmäßige Caritas-Konferenz einzurichten.

Junge Welt vom 29.01.05

Vermutlich Linksextremisten haben in der Nacht zu Sonntag zwei Scheiben des Rathauses an der Yorkstraße eingeworfen und Farbeier gegen die Fassade geworfen. Die Polizei vermutet einen Zusammenhang mit der Hartz-Reform.

Tagesspiegel, 7.2.05, Berlin-Seite

Über die Situation in Bremerhaven:

"Hier haben auch schon welche gedroht, eine Bombe zu schmeißen" (Zitat eines Sachbearbeiters). In der Clearingstelle sind bewußt nur Männer eingesetzt. Jahrezehnte hat es in der Arbeitsagentur Bremerhaven keinen Zwischenfall gegeben - 2004 gleich zwei: ein Kunde hat eine Mitarbeiterin geohrfeigt, ein anderer trat eine Tür aus den Angeln. Nun soll ein privater Sicherheitsdienst, der auch schon das Sozialamt bewacht, für Ruhe sorgen. Der Betriebspsychologe bietet ein Deeskalationstraining an.

Bericht in "Ver.Di Publik" vom Februar 2005 über die Situation in den Arbeitsagenturen von Bremerhaven

Mit Waffe ins Arbeitsamt.

Thorsten H. fühlte sich ungerecht behandelt. Der 40jährige wollte mehr Geld vom Arbeitsamt an der Norderstraße (Hamburg). Doch er bekam es nicht bewilligt. Gestern wollte er seinen Sachbearbeiter zur Rede stellen. Dabei drehte der Arbeitslose völlig durch, zog eine scharfe Waffe.

Zuerst schrie Thorsten H. seinen Sachbearbeiter an. Als der 40jährige immer lauter und aggressiver wurde, sagte Jens S.(53): „Bitte gehen Sie. Das Gespräch ist hiermit beendet“. Doch anstatt den Raum zu verlassen, zog der Arbeitslose eine scharfe Pistole (Kaliber 7,65). Der Angestellte des Arbeitsamts blieb ruhig. Er sagte: „Dann werde ich wohl mal ihre Akte holen. Danach können wir alles besprechen. Bitte warten Sie solange vor der Tür“. Thorsten H. steckte die Waffe sofort in seinen Rucksack und beruhigte sich. Während der Täter auf dem Flur wartete, alarmierte der Sachbearbeiter die Polizei. Die Beamten trafen kurze Zeit später ein. Thorsten H. war völlig überrascht, als er die Polizei sah. Er sagte: „Ich wollte doch nur, dass sich jemand um mich kümmert. Ich gebe Ihnen mein Wort, ich hätte nie etwas getan“. Der 40jährige ließ sich widerstandslos festnehmen.

Morgenpost Hamburg, 04.03.2005

Vor allem in Arbeitsämtern hatte es im vergangenen Jahr mehrere Angriffe auf Mitarbeiter gegeben. Im Arbeitsamt in der Neuköllner Sonnenallee hatte ein 53-jähriger mit einem Beil auf den Schreibtisch seiner Sachbearbeiterin geschlagen. Danach war ein Sachbearbeiter von einem Arbeitslosen verprügelt worden.

Tagesspiegel, 05.03. 2005, Berlin-Seite

Buttersäure in Arbeitsagentur versprüht.

Üblen Gestank rochen die Mitarbeiter der Arbeitsagentur in Butzbach, als sie gestern Morgen das Gebäude betraten. Insgesamt 13 Personen mussten im weiteren Verlauf wegen Atemwegreizungen, Kopfschmerzen und Übelkeit ärztlich betreut werden.

www.rhein-main.net, 21. 03.2005

Sozialer Sprengstoff. Nach der Hartz-IV-Reform erhöhen die Gerichte ihre Sicherheitsvorkehrungen.

Berlin. Wolfgang F. wollte Widerstand leisten. Widerstand gegen die Justiz, die entschieden hatte, dass seine Krankenkasse für eine 1350 Euro teure Operation bei einem Privatarzt nicht übernehmen müsse. Deshalb ging der 62-jährige im vergangenen September ins Berliner Landessozialgericht, bewaffnet mit einer russischen Panzermine, so genannten Polenböllern und einer Pistole. Wolfgang F. wollte Geiseln nehmen und so Richter wie Ärzte, die sein Hüftleiden nicht heilen konnten, zwingen, ihre vermeintliche Schuld zuzugeben. Hätte er die Panzermine mit 7,5 Kilogramm Sprengstoff gezündet, das gesamte Gebäude wäre wohl in die Luft geflogen.

Doch weil Pförtnerin und Polizisten gut reagierten, kam es nicht dazu. Wolfgang F. wurde überwältigt. In seinem Auto fand die Polizei eine zweite Panzermine, weitere Waffen und Sprengstoff wurden auf dem Grundstück des 62-jährigen im brandenburgischen Vogelsang gefunden...

Zwar wollte sich Wolfgang F. für ein Urteil aus dem Jahr 1991 rächen. Dennoch hat sein einmaliger Fall einen wunden Punkt bei der Justiz getroffen: Die deutschen Sozialgerichte fürchten allein schon wegen der Sozialreform Hartz IV immer mehr um ihre Sicherheit. Angesichts sinkender Sozialleistungen hatte die Polizei vor Übergriffen Betroffener gewarnt. Vor dem Berliner Sozialgericht kontrolliert jetzt ein Wachmann Personen mit einem Metalldetektor. Eine Schleuse wie auf Flughäfen sei angedacht, sagt Richter Konrad Kärcher. Neu ist auch ein hausinternes Warnsystem. Berlins Senat setzte eine Arbeitsgruppe zur Sicherheit in Gerichten ein.

Auch andere Städte verschärften die Sicherheit an den Sozialgerichten. In Hamburg wurden für mehr als 200 000 Euro Räume vergrößert und Flure erweitert, um eine deeskalierende Atmosphäre zu schaffen. In München sitzt der Pförtner jetzt hinter dickem Glas, die Richter bekamen einen Alarmknopf unter den Schreibtisch.

Noch haben sich die Befürchtungen der Polizei aber nicht bestätigt. „Verfahren sind hier generell emotional aufwühlend, weil sie oft direkt in die Lebensverhältnisse der Leute eingreifen. Mit Hartz IV nahm die Aggressivität nicht zu“, sagt Richter Kärcher.

Süddeutsche Zeitung, 31. 03.2005

Vermummte stürmen Luxus-Restaurant.

Hamburg. Eine Gruppe von Vermummten hat gestern in Hamburg ein Luxus-Restaurant gestürmt und das Buffet geplündert. Die Unbekannten stopften die Speisen in Tüten und verteilten unter den Gästen Flugblätter mit dem Text „Die fetten Jahre sind vorbei – das große Fressen ist beendet“. Ähnliche Zettel hatten die Darsteller in dem Film „Die fetten Jahre sind vorbei“ bei ihren Streifzügen hinterlassen. Die Gäste blieben unverletzt, die Täter entkamen. Die Polizei vermutet einen politischen Hintergrund.

Frankfurter Neue Presse, 02.05. 2005

Brandsätze gegen Sozialrathaus.

Frankfurt. Vier mit Brandbeschleuniger gefüllte Konservengläser haben Unbekannte in der Nacht zum Mittwoch gegen Fenster und Außenfassaden des Sozialrat- und Bürgerhauses in Sachsenhausen geworfen. Wie die Polizei erst gestern mitteilte, durchschlug eines der Gläser dabei ein Fenster des Gebäudes an der Großen Rittergasse, entfachte jedoch kein Feuer. Ein weiteres Glas zerschellte an einer Fenstervergitterung, der Fensterrahmen fing zunächst Feuer, die Flammen erloschen jedoch nach kurzer Zeit von selbst. Neben der Eingangstür des Sozialrathauses hinterließen die Täter einen Schriftzug, von dem nur noch das Wort „Sozial“ lesbar war. Die Polizei schätzt den entstandenen Schaden auf rund 1.000 Euro...

Frankfurter Allgemeine Zeitung, 07.05.2005

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