Wahlen in Frankreich (1) – Schleichende Krise der politischen Parteien
Rudolf Walther
Die Kampagne zur Stichwahl bei den Regionalwahlen in Frankreich endete am Freitag mit einem Paukenschlag. Premierminister Manuel Valls warnte vor nichts Geringerem als dem „Bürgerkrieg“, falls der „Front National“ (FN) in einigen der 13 Regionen an die Macht gelange. Wie fast immer sind starke Worte in der Politik ein Zeichen politischer Schwäche. Noch einen Tag zuvor forderte Valls eine Neugründung des „Parti Socialiste“ (PS) als Sammlungsbewegung „aller progressiven Kräfte“ im Blick auf die Präsidentschaftswahlen im Frühjahr 2017.
Die aufgeregten Kommentare zu den Regionalwahlen mit dem Tenor „Sturmflut“, „Schock“ und „Katastrophe“ in den deutschen Medien beruhen auf oberflächlichen Analysen. Wenn man die absoluten Wählerzahlen und nicht die prozentualen Wähleranteile betrachtet, hat der FN seine Wählerschaft seit Ende der 90er Jahre nur unwesentlich vergrößert. Stark gestiegen ist dagegen die Zahl der Nichtwähler (22,4 Millionen). Die Wählerzahl der fünf mit dem FN konkurrierenden „Systemparteien“ (Marine Le Pen), erreichten zusammen gerade einmal 14,6 Millionen Wähler. Das entspricht 32,7 Prozent der Wählenden, 1997 waren es noch 50 Prozent.
Mehr als eine plötzliche „Sturmflut“ des Rechtspopulismus dokumentieren die Regionalwahlen eine schleichende Krise und Auszehrung der politischen Parteien sowie die politische Indifferenz wachsender Bevölkerungsteile. Das relativiert die Rede vom „Sieg“ des FN. Und die Resultate der Stichwahl vom Sonntag bestätigen das.
Die Wahlbeteiligung stieg an, und damit hatte der FN keinerlei Chance mehr, auch nur eine Region zu erobern. Konservative Republikaner aus dem Sarkozy-Lager und weichgespülte Sozialisten klopfen sich nun zum x-ten Mal an die Brust mit dem kostenlosen Spruch, „le barrage républicain“ (der republikanische Widerstand) gegen den Rechtspopulismus habe funktioniert.
Funktioniert hat gar nichts, denn keines der sozialen, wirtschaftlichen und politischen Defizite, die den FN erfolgreich machten und machen, hat auch nur den Hauch einer Chance abgebaut, geschweige denn gelöst zu werden. Es wird weitergewurstelt wie bisher und nichts wird verändert – in einer, im Unterschied zur BRD, erst einmal nur stillen Großen Koalition.
Deren Preis: der FN wird noch stärker, die Konservativen „Republikaner“ um Sarkozy rücken noch mehr nach rechts und die opportunistischen Sozialisten versuchen, ihre Position zu halten, indem sie die am 13.11. angeblich verletzte „französische Identität“ und „Sicherheit“ (Manuel Valls) mit Kriegsbereitschaft à tous azimuts kompensieren.
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